| # taz.de -- Zweiter Jahrestag des Terrors in Hanau: Was muss noch geschehen? | |
| > Es gibt ein Leben vor und ein Leben nach Hanau. Jeder selbsternannte | |
| > Antirassismus, der nicht so denkt und fühlt, hat die Bezeichnung nicht | |
| > verdient. | |
| Bild: Gedenken im Februar 2021 an den rassistischen Anschlag in Hanau | |
| Es ist diese Ohnmacht, die mich fertigmacht. Von der ich weiß, dass viele | |
| von Rassismus betroffene Menschen in diesem Land unter ihr leiden. Wir | |
| mahnen, recherchieren, erzählen die relevanten Geschichten, und nichts | |
| passiert. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wieder Menschen sterben. | |
| Vor zwei Jahren wurden neun Geschwister in Hanau von einem | |
| Rechtsextremisten ermordet. Sie alle könnten noch am Leben sein mit ihren | |
| Träumen und Plänen und Freuden. Sie sind uns aber entrissen worden. Ich | |
| kann mir den Schmerz gar nicht vorstellen, durch den die Angehörigen an | |
| jedem Jahrestag, eigentlich jeden einzelnen Tag gehen müssen. Es macht mich | |
| fertig und krank, überhaupt daran zu denken. Manchmal, wenn ich in Hanau | |
| bin, kann ich vor Scham und Trauer den Müttern und Söhnen und | |
| Freund*innen und Nachbar*innen dort nicht in die Augen schauen. Ich | |
| weiß nicht, wie sie das alles aushalten. | |
| Aus diesem Text spricht meine Verzweiflung: Was muss noch geschehen, damit | |
| Nazis enttarnt, entwaffnet, geächtet werden? Damit jenen, die im Visier der | |
| White Supremacy sind, endlich zugehört wird? Zwei Jahre nach Hanau fühle | |
| ich nur diese eine ehrliche Antwort: Ich weiß nicht, was noch geschehen | |
| muss. | |
| Hanau, aber auch die vielen anderen schrecklichen Attentate von Halle, | |
| Kassel oder München, sie gehen einigen Menschen sehr nahe. Und das, obwohl | |
| sie weit, weit weg sind. Ich war am 19. Februar 2020 in den USA und habe | |
| ein Buch über Antirassismus in der Hand gehalten, als mich die erste | |
| Meldung erreichte. Ich bin damals in Tränen ausgebrochen. Jetzt bin ich | |
| wieder weit weg, wieder in den USA, 9.795 Kilometer von Hanau entfernt, um | |
| genau zu sein. Mein Herz, meine Gedanken sind aber [1][in jenem Land, das | |
| die tödliche Gefahr für uns und unsere Liebsten einfach nicht ernst nehmen | |
| will,] viel zu oft sogar anfeuert, manchmal einfach träge ist, uns zu | |
| schützen, und sich noch nicht mal dabei schämt, diese Trägheit und dieses | |
| Desinteresse an unserem Leben zur Schau zu stellen. | |
| ## Vor und nach Hanau | |
| Es ist ein großes Privileg, die Bedrohung durch Rechtsextremisten | |
| wegzuwischen und als ein Ereignis von vielen im Kopf einzuordnen. Ich kann | |
| das nicht. Für mich gibt es ein Leben vor und ein Leben nach Hanau. Jeder | |
| selbsternannte Antirassismus, der nicht auch so denkt und fühlt, hat die | |
| Bezeichnung nicht verdient. Spätestens jetzt, zwei Jahre nach dem | |
| rechtsextremen Anschlag, ist es so weit, dass sich jede Partei, jede*r | |
| Publizist*in, jede Person in diesem Land dieser Entscheidung kompromisslos | |
| stellt. In Gedenken an: | |
| Ferhat Unvar | |
| Gökhan Gültekin | |
| Hamza Kurtović | |
| Said Nesar Hashemi | |
| Mercedes Kierpacz | |
| Sedat Gürbüz | |
| Kaloyan Velko | |
| Vili Viorel Păun | |
| Fatih Saraçoğlu | |
| 19 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mohamed Amjahid | |
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