# taz.de -- Ukrainische Flüchtlinge in Berlin: Willkommen erster Klasse | |
> Berlin bereitet sich auf 20.000 Flüchtlinge aus der Ukraine vor. Ihr | |
> Aufenthaltsstatus ist noch unklar. Das betrifft auch schon hier lebende | |
> Ukrainer. | |
Bild: Immer mehr ukrainische Geflüchtete kommen in Berlin an | |
BERLIN taz | Immer mehr Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg aus | |
der Ukraine flüchten, erreichen Berlin. Während [1][die meisten in den | |
vergangenen Tagen privat untergekommen sind], steigt mittlerweile die Zahl | |
derer, die in Notunterkünfte gelangen. Allein am Montag waren es laut | |
Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) 350 Menschen. „Die Tendenz ist | |
steigend. Es kommen vor allem Frauen und ältere Kinder“, so Kipping am | |
Dienstag nach der Senatssitzung. „Wir richten uns zunächst auf 20.000 | |
Menschen ein“, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey | |
(SPD) – wobei die Betonung auf zunächst liegt: „Es ist nicht klar, wie | |
viele es werden.“ | |
Damit sich ein [2][Behördenversagen wie im Sommer der Migration 2015] nicht | |
wiederholt, als Tausende Flüchtlinge tagelang auf der Straße auf ihre | |
Registrierung und Unterbringung warten mussten, hat der Senat am Dienstag | |
die Einrichtung einer Steuerungsgruppe beschlossen. Dieser Krisenstab soll | |
sich um die Bereiche Ankunftsstruktur, Unterbringung sowie Sicherheit und | |
sozialer Zusammenhalt kümmern. So sollen sich alle Neuankömmlinge zunächst | |
im Ankunftszentrum in Reinickendorf melden, von wo aus sie auf andere | |
Unterkünfte verteilt werden. Bislang habe man bereits 700 zusätzliche | |
Plätze geschaffen, 400 in einem Containerdorf in Pankow und 300 in einem | |
neu sanierten Gebäude in Lichtenberg, erklärte Kipping. | |
Weitere Unterbringungsmöglichkeiten wie das gerade erst geschlossene | |
Impfzentrum Messe oder der stillgelegte Flughafen Tegel seien im Gespräch. | |
„Noch wäre es überdimensioniert, es kann aber schnell eine Situation geben, | |
in der wir es brauchen“, so Kipping. Auch mit Brandenburg sei man | |
diesbezüglich im Gespräch. Zudem erhalte man aus der Zivilgesellschaft | |
„jede Menge“ Angebote von Objekten, teilweise ganzen Gebäuden, die nun vom | |
Krisenstab geprüft würden. „Es gibt eine [3][Welle der Solidarität aus der | |
Zivilgesellschaft]“, freut sich Kipping. | |
Nun wundern sich nicht wenige, [4][wo diese Solidarität in der | |
Vergangenheit war], als es nicht weiße Ukrainer*innen waren, die in | |
Berlin Zuflucht vor Krieg und Vertreibung suchten, sondern Syrer*innen, | |
Kurd*innen, Afghan*innen oder Afrikaner*innen. Von einer rassistischen | |
Gruppierung in Geflüchtete erster und zweiter Klasse wollte Kipping am | |
Dienstag nichts wissen. Mit Blick auf Berichte über Schwarze Menschen, die | |
an der ukrainischen Grenze an ihrer Flucht gehindert werden sollen, während | |
weiße Geflüchtete passieren dürfen, stellte die Sozialsenatorin klar: „Wir | |
reden bewusst von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. Berlin geht es dabei | |
um alle, die vor diesem furchtbaren Krieg flüchten müssen, egal ob sie | |
einen ukrainischen Pass haben oder nicht.“ Dieser ist allerdings nötig, um | |
das Angebot der kostenlosen Nutzung von Bussen und Bahnen in Berlin und | |
Brandenburg nutzen zu können. | |
## Aufenthaltsstatus weiter unklar | |
Apropos Ungleichbehandlung von Geflüchteten: Bei der Frage, welchen | |
Aufenthaltsstatus die Neuankömmlinge aus der Ukraine bekommen, wartet | |
Berlin immer noch auf die Entscheidung des EU-Rats. Voraussichtlich an | |
diesem Donnerstag wollen die Mitgliedstaaten darüber entscheiden, ob die | |
ukrainischen Schutzsuchenden nach der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie | |
als Kriegsflüchtlinge anerkannt werden. „Das wäre optimal“, sagte Kipping. | |
Denn dann müssten die Menschen nicht in Flüchtlingsunterkünften wohnen, | |
sondern könnten selbst über ihren Wohnort entscheiden, hätten Zugang zum | |
Arbeitsmarkt und Anspruch auf Sozialleistungen und medizinische Versorgung. | |
Doch wenn es so „optimal“ ist, dass die Menschen, die aus der Ukraine | |
fliehen, arbeiten können und freie Wohnplatzwahl haben, warum gilt das dann | |
nicht für Geflüchtete aus anderen Ländern? Und was ist mit den | |
Ukrainer*innen, die bereits in Berlin leben? Ukrainer*innen dürfen | |
visumsfrei 90 Tage nach Deutschland einreisen, Berlin hat diesen Zeitraum | |
nun bis Ende Mai verlängert. Arbeiten dürfen sie hier jedoch nicht. | |
„Wir beobachten schon seit Jahren, dass viele Ukrainer*innen, die | |
visumsfrei einreisen, hier ohne Papiere arbeiten“, sagt Monika Fijarczyk | |
von der DGB-Beratungsstelle Migration und Gute Arbeit der taz. Das sei mit | |
erheblichen Risiken verbunden: „Die Menschen werden häufig Opfer von | |
Ausbeutung, arbeiten unter dem Mindestlohn, teilweise wird ihnen ihr Lohn | |
ganz vorenthalten“, so Fijarczyk. | |
Diese Menschen, die in Berlin vor allem als Bauhelfer, Paketzusteller oder | |
Putzkräfte arbeiten und von der neuen Willkommenskultur gegenüber | |
Ukrainer*innen bisher wenig mitbekommen haben, würden von der | |
Massenzustrom-Richtlinie ebenfalls profitieren. Nur die nicht-weißen | |
Geflüchteten gucken weiter in die Röhre. | |
1 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Zuflucht-in-Berlin/!5835289 | |
[2] /Versagen-einer-Berliner-Behoerde/!5705318 | |
[3] /Spenden-fuer-die-Ukraine/!5837995 | |
[4] /Europas-Fluechtlingspolitik/!5835227 | |
## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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