# taz.de -- Nach Kontrollen von Ukraine-Flüchtlingen: Rassismusvorwurf gegen P… | |
> Hat die Bundespolizei Nicht-Weißen Flüchtlingen aus der Ukraine die | |
> Weiterreise verwehrt? Helfer*innen behaupten das. Die Polizei | |
> widerspricht. | |
Bild: Geflüchtete aus der Ukraine kommen am Berliner Hauptbahnhof an, 3. März… | |
Berlin taz | Nachdem die Bundespolizei in Frankfurt (Oder) mehrere Menschen | |
aus Zügen geholt hat, in denen hauptsächlich Flüchtlinge aus der Ukraine | |
saßen, werfen Helfer*innen ihnen Rassismus vor. Es handle sich vor allem | |
um BIPoC, Nicht-Weiße Menschen, die die Bundespolizei am Grenzbahnhof an | |
der Weiterreise hindere. Die Bundespolizei widerspricht: Sie wolle | |
lediglich wissen, wer ins Land komme und „Trittbrettfahrer“ ausfindig | |
machen. | |
Wie ein Polizeisprecher der taz erklärt, seien mit „Trittbrettfahrer“ | |
Menschen gemeint, die die aktuelle Situation nutzen, um nach Deutschland zu | |
kommen, obwohl sie dazu nicht berechtigt sind. In solchen Fällen | |
„unerlaubter Grenzübertritte“ bestehe der Verdacht einer Straftat, dem die | |
Bundespolizei nachgehen müsse. | |
Dafür gehe die Polizei durch die voll besetzten Züge und kontrolliere | |
Papiere. Weiterfahren dürfe, wer der Polizei glaubhaft mache, aus der | |
Ukraine zu kommen – mit oder ohne ukrainischen Pass. Belege, in der Ukraine | |
gearbeitet oder studiert zu haben, genügten auch. Wer es nicht im Zug | |
nachweisen könne, müsse zur weiteren Prüfung aussteigen. | |
Wie viele Personen bisher ihren Zug verlassen mussten, konnte der | |
Polizeisprecher nicht sagen. Aber die Zahl liege im dreistelligen Bereich, | |
„und ja, die meisten kommen aus Afrika“. Aber die Bundespolizei | |
kontrolliere nicht nach Aussehen, „den Vorwurf des Rassismus weisen wir | |
entschieden zurück.“ | |
## Nur Schwarze Personen kontrolliert | |
Für freiwillige Helfer*innen im Berliner Bahnhof stellte sich das anders | |
dar. Sie warteten auch am Mittwochabend auf einen Zug aus Warschau, in dem | |
mehrere Hundert Geflüchtete aus der Ukraine saßen. | |
Der Zug verspätete sich um mehr als eine Stunde. In Videos, die auf | |
verschiedenen Online-Plattformen kursieren, [1][sieht man eine Helfende] | |
mit Megafon, wie sie eine Traube anderer Helfer*innen in Warnwesten | |
darüber informiert, weshalb der Zug zu spät sei: Die Bundespolizei ziehe in | |
Frankfurt (Oder) gezielt Schwarze Menschen aus dem Zug. | |
Entgegen der Darstellung der Bundespolizei berichten Helfer*innen, dass | |
zwar BIPoC mit dem Zug in Berlin ankamen, aber die Polizei habe in den | |
Zügen nur Schwarze Personen kontrolliert. Die taz konnte dazu bisher nicht | |
direkt mit Augenzeug*innen sprechen. | |
## Wiederholt Berichte von rassistischen Vorfällen | |
Es wäre nicht der erste Fall von Racial Profiling – dabei sind | |
Polizeikontrollen nur aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe verboten. | |
Erst im Januar hatte das Verwaltungsgericht Dresden die gewaltsame | |
Kontrolle eines Mannes aus Guinea in Chemnitz durch die Bundespolizei | |
[2][für rechtswidrig erklärt]. Auch die Berliner Polizei gab im vergangenen | |
Jahr [3][Racial Profiling zu und entschuldigte sich]. | |
Der aktuelle Fall aus Frankfurt (Oder) lasse sich mit diesen Beispielen | |
aber nicht vergleichen, so der Polizeisprecher, da es in diesem Fall um | |
Grenzübertritte gehe. Es treffe aber zu, dass nicht alle Personen in den | |
Zügen kontrolliert würden, dafür seien die Züge zu voll. Das Aussehen | |
spiele keine Rolle, stattdessen würden nur bestimmte Zugteile kontrolliert. | |
Pkws kämen ohne Kontrolle über die polnische Grenze. | |
Insgesamt rund eine Million Menschen sind bisher vor dem Krieg in der | |
Ukraine aus dem Land geflohen. Medien berichteten immer wieder von | |
rassistischen Vorfällen auf der Flucht. Die New York Times oder die BBC | |
erzählen von Nicht-Weißen, die aus Zügen gedrängt oder vom ukrainischen | |
Grenzschutz abgewiesen wurden. Laut der britischen Tageszeitung Guardian | |
kam es in Polen zu Angriffen von Anwohnern auf Schwarze Flüchtlinge aus der | |
Ukraine. | |
Der Bundesverband Netzwerke von Migrant*innenorganisationen ruft | |
dazu auf, alle Geflüchteten gleich zu behandeln. Explizit auch Menschen | |
ohne ukrainischen Pass bräuchten Hilfe. Das betreffe Transitflüchtlinge und | |
Menschen aus anderen Nationen, die sich in der Ukraine aufhalten. „Die | |
Berichte von Zurückweisungen und Rassismuserfahrungen von BIPoC an der | |
ukrainisch-polnischen Grenze sind erschütternd.“ | |
## EU-Schutz auch für Menschen aus Drittstaaten | |
Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, erhalten alle Geflüchteten aus | |
der Ukraine „vorübergehenden Schutz in der EU für ein Jahr, der | |
verlängerbar ist auf bis zu drei Jahre“ und müssen kein reguläres | |
Asylverfahren durchlaufen. Das gelte auch für Menschen aus Drittstaaten, | |
die in der Ukraine mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus gelebt haben. | |
Die Umsetzung laufe schnellstens an. | |
Laut Angaben der Bundespolizei seien etwa 7.500 Ukrainer*innen nach | |
Deutschland eingereist – wobei die genaue Zahl nicht genannt werden kann, | |
da ukrainische Staatsbürger*innen ohne Visum für 90 Tage in die EU | |
einreisen dürfen. Viele fahren vermutlich direkt zu Verwandten oder | |
Bekannten, ohne sich bei den Behörden zu melden. | |
Die meisten Menschen flüchten derzeit ins Nachbarland Polen. Manche reisen | |
von dort aus mit Zügen weiter nach Deutschland. In den Bahnen brauchen sie | |
keine Fahrkarte, wenn sie einen ukrainischen Pass oder ein entsprechendes | |
Ausweisdokument vorweisen können. Wie die Berliner Sozialsenatorin Katja | |
Kipping (Linke) mitteilte, kamen mit Zügen aus Warschau bereits mehrere | |
Tausend Menschen in der Hauptstadt an. | |
4 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/ayealie/status/1499150670959714306 | |
[2] /Rassismus-bei-der-Polizei-Chemnitz/!5826081 | |
[3] /Racial-Profiling-in-Berlin/!5803144 | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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