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# taz.de -- Brückentechnologie und Erderwärmung: Klimawandel überfordert Ato…
> Atomenergie rettet das Klima nicht, denn AKWs kommen selbst mit hohen
> Temperaturen nicht klar. Nicht zufällig ist sie bei Atomwaffenstaaten
> beliebt.
Bild: Atomenergie wird das Klima nicht retten, deshalb ist „Atomkraft – Nei…
Die Frage, was für die Menschheit schlimmer ist, der Klimawandel oder die
Atomkraft, führt in die Irre. Es ist falsch, die Frage um den Klimawandel
auf die Energiegewinnung zu reduzieren. Das Phänomen des Klimawandels ist
ein komplexes System, das auf das [1][Überschreiten der ökologischen
Belastungsgrenzen der Erde] zurückzuführen ist. Forschungsinstitute wie
[2][Agora Energiewende] sehen fünf Sektoren, in denen Transformation
erforderlich ist: Energiewirtschaft, Verkehr, Industrie, Gebäude,
Landwirtschaft. Die Diskussion, die Kohlekraftwerke vor den AKWs
abzuschalten, lässt sich nur theoretisch führen. Praktisch wäre dieser
Umstieg gar nicht möglich: Der Anteil von Atomenergie im Strommix lag 2020
nur bei 12 Prozent, der von Kohle hingegen bei 20 Prozent. Die
Energieerzeugung durch Atomkraft auf 32 Prozent zu steigern anstatt die
verbleibenden Atomkraftwerke abzuschalten, ließe sich nicht umsetzen.
Gleiches gilt für einen poteniellen Wiedereinstieg. Unter anderem haben
selbst die [3][Energiekonzerne kein Interesse mehr an einer
Laufzeitverlängerung].
Atomenergie und Ökostrom müssten zusammengedacht werden, ist ein weiterer
Vorschlag. Doch auch das funktioniert nicht: es handelt sich um zwei
Energieversorgungssysteme, die im Stromnetz nicht miteinander kompatibel
sind. Atomstrom wird wie Strom aus Braunkohle der [4][Grundlast]
zugeordnet, eine Strommenge, die 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr für den
Stromverbrauch zur Verfügung stehen muss. Beide sind schlecht regelbar und
am wirtschaftlichsten, wenn sie konstant durchlaufen. Erneuerbare Energien
stellen eine flexible Energieproduktion dar; Speicher- und
Vernetzungssystem sind variabel und werden je nach Bedarf geregelt.
Da sich AKWs nur langsam hoch- und runterfahren lassen, „verstopfen“ sie
mit ihrer permanenten Grundlast das Stromnetz. Das Resultat: Oft stehen
Windräder still, obwohl der Wind weht. Eine Studie von Energy Brainpool im
Auftrag von Greenpeace Energy hat nachgewiesen, dass mehr als die Hälfte
aller Stunden des Jahres 2017 Atomstrom durch die AKWs Brokdorf und Emsland
ins Netz gespeist wurden. Gleichzeitig wurden Windenergieanlagen in der
Region in erheblichem Umfang abgeregelt; [5][2,175 Milliarden
Kilowattstunden Ökostrom gingen dadurch verloren].
[6][Kohlekraft durch Atomstrom zu ersetzen würde dieses strukturelle
Problem im Strommix nicht beheben]. Im Gegenteil, es müssten Investitionen
in ein veraltetes System fließen statt in den Ausbau der Erneuerbaren. Aber
auch aus einem anderen Grund taugt Atomenergie nicht als
Brückentechnologie. AKWs müssen regelmäßig infolge von starken
Hitzeereignissen und Überschwemmungen vom Netz genommen werden, um einen
Atomunfall zu vermeiden. Die Extremwetterereignisse sind mit einer
durchschnittlichen [7][Temperaturerhöhung von 1,01°C] schon ein Problem.
Wenn das 1,5-Grad-Limit gerissen wird und es zu den bekannten
[8][Kipppunkten im Klima-System] kommt, werden Extremwetterereignisse noch
stärker und häufiger.
Wir brauchen deshalb Energieträger, die hohen Temperaturen gewachsen sind.
Atomkraftwerke benötigen jedoch für die Kühlung enorme Mengen an Wasser –
je nach Reaktormodell [9][zwischen 2 und 61 Kubikmeter, also Tonnen an
Wasser pro Sekunde]. Sinkt der Wasserpegel der Flüsse aufgrund extremer
Trockenheit oder langanhaltender Dürren, reicht die Wassermenge nicht aus
und betroffene Reaktoren müssen gedrosselt oder abgeschaltet werden. Das
ist bereits regelmäßig in Frankreich der Fall. Sind die Wassermengen zwar
noch ausreichend vorhanden, die Wassertemperaturen allerdings zu hoch, ist
das Ergebnis das Gleiche: im August 2018 mussten wegen der hohen
Temperaturen der Rhône und des Rheinseitenkanals die Reaktoren in Bugey,
Saint-Alban sowie Fessenheim gedrosselt und abgeschaltet werden. [10][Im
gleichen Sommer waren Reaktoren in Schweden und Finnland betroffen].
Um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten, sind die nächsten zehn Jahre
entscheidend. Der Bau eines AKWs dauert im Schnitt fünf bis 17 Jahre. Seit
dem Jahr 2000 gingen lediglich 42 GW Atomstrom ans Netz, rechnet man die
Stilllegungen dazu kommt man nur auf 17 GW. [11][Dem stehen 716 GW Wind und
707 GW Solarstrom gegenüber]. Hinzu kommen die enormen [12][Kosten für den
Bau von AKWs]. Auch dass die eigentlichen [13][CO2-Emissionen von
Atomenergie] sogar höher sind als die von modernen Windkraftanlagen, wird
in vielen Studien verschwiegen. Von den katastrophalen [14][Auswirkungen
radioaktiver Strahlung auf unsere Gesundheit] ganz zu schweigen.
Doch all diese Argumente scheinen bestimmte Staaten auf der Welt nicht zu
interessieren. [15][Die meisten AKWs stehen in den Ländern der
Nordhalbkugel]: 94 AKWs in den USA, 56 in Frankreich und 49 in China. Alle
drei Länder sind Atomwaffenstaaten. Diese Beobachtung verweist auf einen
Aspekt, der regelmäßig ausgespart bleibt: Der [16][Zusammenhang zwischen
Atomkraft und Atomwaffen]. Diesen unterstrich der französische Präsident
Emmanuel Macron bereits 2020: [17][„Ohne zivile Atomenergie gibt es keine
militärische Nutzung der Technologie – und ohne die militärische Nutzung
gibt es auch keine zivile Atomenergie.“] Im Klartext heißt das: Um das
Atomwaffenarsenal weiter ausbauen und modernisieren zu können, ist
Frankreich auf Quersubventionen durch den zivilen Sektor angewiesen.
Auch der US-Thinktank Atlantic Council beschreibt die Notwendigkeit der
zivilen Nutzung der Atomenergie für die nationale Sicherheitspolitik ganz
offen: [18][„Die zivile US-amerikanische Atomindustrie bildet ein
strategisches Anlagegut von lebenswichtiger Bedeutung für die nationale
Sicherheit der USA.“] Allen [19][neun Atomwaffenstaaten] ist deshalb an dem
Erhalt von Atomkraftwerken gelegen – aller wirtschaftlichen Defizite,
klimaschädigenden Auswirkungen und gesundheitlichen Folgen zum Trotz.
24 Feb 2022
## LINKS
[1] https://www.science.org/doi/10.1126/science.1259855
[2] https://static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2021/2021_04_KNDE45…
[3] https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-eine-revision-des…
[4] https://www.greenpeace.de/klimaschutz/energiewende/erneuerbare-energien/eff…
[5] https://www.ausgestrahlt.de/blog/2018/08/03/eine-vertane-chance/
[6] https://www.bmuv.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/p…
[7] https://www.bmuv.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/p…
[8] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/…
[9] https://www.edf.fr/sites/default/files/contrib/groupe-edf/producteur-indust…
[10] https://www.worldnuclearreport.org/IMG/pdf/wnisr2021-lr.pdf
[11] https://www.worldnuclearreport.org/IMG/pdf/wnisr2021-lr.pdf
[12] https://www.diw.de/de/diw_01.c.670481.de/publikationen/wochenberichte/2019…
[13] https://zenodo.org/record/5573719#.YhYPJS9XZyr
[14] https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/IPPNW_Report_T30_F5_Folg…
[15] https://www.dw.com/de/atomkraft-ende-renaissance-endlagersuche-deutschland…
[16] http://sro.sussex.ac.uk/id/eprint/84067/
[17] https://www.elysee.fr/front/pdf/elysee-module-16825-fr.pdf
[18] https://www.dw.com/de/atomkraft-ende-renaissance-endlagersuche-deutschland…
[19] https://www.icanw.de/fakten/herstellung-und-einsatz/modernisierung-weltwei…
## AUTOREN
Angelika Claußen
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