# taz.de -- Klimaschutzstrategie für Bremen: Das gute Klima ist vorbei | |
> Bremen hat die wahrscheinlich stärkste Klimaschutzstrategie unter den | |
> Ländern. Kaum ist das Papier im Landtag, hagelt es parteipolitische | |
> Parolen. | |
Bild: Passend gekleidet: FDPler Magnus Buhlert am Mittwoch in der Bürgerschaft | |
Bremen taz | In der Bremer Bürgerschaft herrschte am Mittwoch anfangs viel | |
Einigkeit: Die noch junge, landeseigene Klimaschutzstrategie ist | |
wissenschaftlich fundiert, ambitioniert und realistisch, hat | |
Vorbildcharakter. Die dafür verantwortliche Enquetekommission war ein | |
voller Erfolg. Neben den durchaus angemessenen Lobeshymnen auf alle | |
Beteiligten zeigte sich jedoch schnell ein bekanntes Bild: Aus dem | |
Miteinander der Kommissionsarbeit wurde ein parteipolitisches | |
Gegeneinander. | |
Die Enquetekommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“ wurde vor | |
zwei Jahren von allen Fraktionen eingesetzt. Ihre Aufgabe: dem Land ein | |
konkretes Klimaziel inklusive Fahrplan zu verpassen, basierend auf dem | |
Pariser Abkommen. Je neun Expert:innen und Abgeordnete begannen im | |
Frühjahr 2020 mit ihrer Arbeit, [1][im Dezember 2021 stand der | |
Abschlussbericht]. | |
Demnach ist der Plan, Bremen bis 2038 klimaneutral zu machen, de facto also | |
95 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber 1990 einzusparen. Bis 2030 soll um | |
60 Prozent, bis 2033 um 85 Prozent reduziert werden. Das besondere: | |
Erstmals ist [2][das Stahlwerk von Arcelor Mittal] Teil der Rechnung. Der | |
Weg dahin ist mit Maßnahmen hinterlegt, aufgedröselt nach Sektoren. | |
Mittwoch wurde der Bericht im Parlament besprochen, zwei Anträge zur | |
Umsetzung des Klimaziels diskutiert. Einer von den Koalitionsfraktionen | |
SPD, Grünen und Linken, ein weiterer von der CDU. Ersterer soll den Senat | |
unter anderem dazu verdonnern, „bis zum Herbst 2022 einen | |
Klimaschutz-Aktionsplan vorzulegen“. Aber was heißt Herbst? [3][Das fragte | |
Martin Michalik], Vorsitzender der Enquete und umweltpolitischer Sprecher | |
der CDU-Fraktion. „Dezember, schätze ich.“ Michalik bezeichnet den Antrag | |
als „Vorbereitung eines Ausstiegs aus dem wissenschaftlich fundierten | |
Enquetebeschluss“. | |
## Gemeinsamer Antrag kam nicht zustande | |
Auch weil darin die Rede ist von „alternativen Maßnahmen“. Wozu dann die | |
Enquete? Linken-Politiker Ingo Tebje antwortete: Die Formulierung schaffe | |
lediglich die Möglichkeit, noch bessere Maßnahmen zu finden. Und sie sei | |
für den Fall, dass eine Maßnahme am geltenden Recht scheitert, sagte | |
Philipp Bruck von den Grünen. | |
Der Antrag der Regierung ging wie erwartet durch, auch die FDP stimmte ihm | |
in Teilen zu. Der CDU-Antrag scheiterte. Dieser sah vor, dass der Senat | |
schon bis Ende Juni einen Umsetzungsplan vorlegen muss. Eigentlich wollte | |
man aus beiden Anträgen einen gemeinsamen zimmern, sagte Michalik – ganz im | |
Sinne des Enquete-Geistes. Dass das nicht geklappt hat, schiebt er der SPD | |
in die Schuhe. „Halten Sie noch an den Ergebnissen fest oder wird das | |
langsam ungemütlich für Sie?“ | |
Gehören solche Spitzen zur Politik dazu? Schon. Ist es in diesem Fall | |
ärgerlich, angesichts der Außenwirkung [4][und des Zeitdrucks]? Vielleicht, | |
denn es gibt viele Probleme, vor denen die Regierung bei der Umsetzung | |
steht: der Fachkräftemangel, vor allem im Handwerk, die Akzeptanz der | |
Bevölkerung auch für unbequeme Maßnahmen – und die Finanzierung. [5][Ein | |
kürzlich veröffentlichtes Gutachten] zeigt Wege auf, wie die sechs bis | |
sieben Milliarden einmalige und 200 bis 380 Millionen Euro jährliche Kosten | |
gestemmt werden könnten. | |
Die Regierungsfraktionen können sich vorstellen, deshalb die Schuldenbremse | |
aufzuweichen. Das ist laut Gutachten möglich, da die Klimakrise eine | |
Notsituation darstelle. „Die Versündigung an künftigen Generationen ist | |
nicht mehr, wenn man Schulden macht und Zinsen zahlen muss, sondern wenn | |
wir nicht handeln“, sagte Ex-Bürgermeister und Co-Vorsitzender der Enquete, | |
Carsten Sieling (SPD). | |
## Zivilgesellschaft fordert Sofortprogramm | |
CDU und FDP wollen lieber andere Wege. „Man muss den Eindruck bekommen, | |
dass die CDU lieber schon in den Wahlkampf einsteigt“, so Bruck dazu. | |
„Denken Sie doch noch mal darüber nach“, sagte er in Richtung Michalik, es | |
sei „bedauerlich, wenn Sie sich nach weitgehend konstruktiver Mitarbeit in | |
der Enquete vom Acker machen“. | |
Vor der Sitzung hatten am Morgen Vertreter:innen von mehr als 50 | |
Organisationen aus verschiedensten zivilgesellschaftlichen Bereichen das | |
Gespräch mit den Abgeordneten gesucht. Sie fordern ein Sofortprogramm | |
Klimaschutz noch in diesem Jahr. | |
Die Debatte zeigt, wie emotional das Thema ist. Ebenso zeigt sie, wie groß | |
die Aufgabe ist, das Ziel in politisches Handeln zu gießen. Da sich alle | |
Fraktionen klar zum Bericht bekennen, ist spätestens seit Mittwoch ebenso | |
klar, dass sich ausnahmslos jede Landesregierung in Zukunft am Erreichen | |
der Ziele messen lassen muss. | |
23 Feb 2022 | |
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[1] /Klimaschutzstrategie-fuer-Bremen/!5820700 | |
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## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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