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# taz.de -- Olaf Scholz trifft Joe Biden: Erzwungene Einigkeit in Washington
> Der US-Präsident und der Bundeskanzler demonstrieren ihre Einigkeit. Doch
> gerade in Fragen der Ukrainekrise und Nord Stream 2 gibt es Reibereien.
Bild: Vertrauenszusicherungen, aber auch Zweifel: Olaf Scholz bei seinem Antrit…
Washington taz | Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden
präsentierten beim Antrittsbesuch des neuen deutschen Regierungschefs in
Washington eine geschlossene Front. Doch trotz der gegenseitigen
Vertrauenszusicherungen bleiben weiterhin Zweifel, ob diese Einigkeit auch
im Ernstfall bestehen würde.
„Deutschland ist absolut zuverlässig“, erwiderte Biden am Montag auf die
Frage, ob Deutschland ein zuverlässiger Partner sei. „Ich habe keine
Bedenken in Bezug auf Deutschland“. Die Frage nach der deutschen
Zuverlässigkeit selbst zeigt allerdings, dass es auf amerikanischer Seite
in der Vergangenheit durchaus Vorbehalte gegeben hat – und diese weiter
bestehen.
Aus dem US-Kongress waren in den vergangenen Wochen immer wieder Stimmen zu
hören, die das Vorgehen der [1][deutschen Regierung im Ukrainekonflikt]
kritisiert haben. Zu den größten Kritikpunkten gehörten die
[2][Verweigerung von Waffenlieferungen] zur Selbstverteidigung an Kiew und
das [3][Nord Stream 2-Gaspipeline-Projekt].
Während einer gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus versuchten Biden
und Scholz ihr Bestes, um jegliche Art von Differenzen zwischen den
Nato-Partnern im Keim zu ersticken. Der US-Präsident erklärte, dass es
keinen wichtigen globalen Sachverhalt gäbe, bei dem Berlin und Washington
nicht zusammenarbeiten würden. Auch bei der Ukrainekrise sei das so.
„Wir arbeiten im Gleichschritt, um weitere russische Aggressionen in Europa
zu verhindern“, sagte Biden noch vor dem Beginn seines bilateralen
Gesprächs mit Scholz im Oval Office.
## Machtwort gegen Nord Stream 2
Wenn man die bisherige Vorgehensweise der beiden Regierungen jedoch
miteinander vergleicht, dann kommen Zweifel an dieser Aussage auf. Zwar
gibt es auf beiden Seiten des Atlantiks gute Gründe für die jeweils
unterschiedliche Herangehensweise, doch diese können nicht wegdiskutiert
werden. Biden sorgte erst im vergangenen Monat für einen Eklat, als er von
kleinen und großen Invasionen sprach und damit die unterschiedlichen
Positionen zur Krise innerhalb der Nato preisgab.
Die neue deutsche Bundesregierung hat für viele Beobachter in den USA zu
lange gewartet, um [4][Nord Stream 2 als Druckmittel] gegen Russland und
Präsident Wladimir Putin einzusetzen. Nun war es der US-Präsident selbst,
der zur umstrittenen Pipeline ein Machtwort sprach.
„Sollte Russland eine Invasion starten, das heißt, erneut mit Panzern oder
Truppen die Grenze der Ukraine überschreiten, dann wird es kein Nord Stream
2 mehr geben. Dafür werden wir sorgen“, sagte Biden.
Scholz versicherte derweil, dass es zu keinen Maßnahmen kommen werde, in
denen Deutschland und die USA nicht einer Meinung seien. Konkret zur
[5][Zukunft der Ostsee-Pipeline] wollte sich der SPD-Kanzler allerdings
nicht äußern. Auf die Frage eines US-Journalisten, wie Deutschland seine
Abhängigkeit von russischem Erdgas reduzieren wolle, antwortete Scholz mit
einem Verweis auf die anhaltende Energiewende.
Einig sind sich die beiden Regierungen hingegen darin, dass Diplomatie
weiterhin der beste Weg sei, um einen potenziellen Konflikt in der Ukraine
abzuwenden. „Diese Doppelstrategie aus [6][klaren Ankündigungen im Hinblick
auf Sanktionen], die ergriffen werden, falls es zu einer militärischen
Aggression kommt und gleichzeitig allen Gesprächsformaten, die wir nutzen,
ist die vielversprechendste, die man in dieser Situation überhaupt
ergreifen kann. Das tun wir gemeinsam und da stehen wir fest zusammen“,
sagte Scholz.
## Planen für den Fall der Fälle
Russland werde „einen hohen Preis zahlen“, sollte es Moskau wagen, eine
militärische Offensive gegen die Ukraine zu starten, so Scholz. Trotz der
mehr als 120.000 russischen Truppen, die sich entlang der
russisch-ukrainischen Grenze befinden sollen, glaubt Biden noch immer an
einen friedlichen Weg aus der Krise. Doch auch für den Fall der Fälle wird
geplant.
Neben der alles überschattenden Ukrainekrise haben sich Biden und Scholz
laut dem Weißen Haus auch über China, die Klimakrise, die Coronapandemie
und die diesjährige G7-Präsidentschaft Deutschlands unterhalten.
Wie sich die deutsch-amerikanische Beziehung in Zukunft weiter entwickelt,
hängt von vielen Faktoren ab. Doch das erste Treffen zwischen Biden und
Scholz darf als guter Start bewertet werden. An den Zweifeln, die auf
beiden Seiten des Atlantiks existieren, konnte auch das Bekenntnis zur
transatlantischen Beziehung nichts ändern. Es müssen Taten folgen.
8 Feb 2022
## LINKS
[1] /Juso-Chefin-ueber-Russland-Ukraine-Konflikt/!5830618
[2] /Ein-ProContra/!5829150
[3] /Nord-Stream-2/!5797391
[4] /SPD-ringt-um-neue-Ostpolitik/!5827367
[5] /Kanzler-Scholz-besucht-Joe-Biden/!5830510
[6] /Deutschland-und-EU-gegen-Russland/!5818081
## AUTOREN
Hansjürgen Mai
## TAGS
USA
Olaf Scholz
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Joe Biden
Nord Stream 2
GNS
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Nord Stream 2
Olaf Scholz
Lesestück Recherche und Reportage
Wladimir Putin
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