# taz.de -- Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Die Auferstehung | |
> Nach Jahren treffen sich die Regierungschefs von Deutschland, Polen und | |
> Frankreich wieder zum Weimarer Dreieck. Das Ziel: Krieg verhindern. | |
Bild: Separat reisen, gemeinsam auftreten: das neue Motto von Scholz, Macron un… | |
BERLIN taz | Dass es ausgerechnet die derzeit größte Krise in Europa ist, | |
die Deutschland, Frankreich und Polen erstmals seit Jahren wieder im Trilog | |
zusammenbringt – wer hätte das gedacht. Am Dienstagabend trafen sich der | |
deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, Polens Präsident Andrzej Duda und | |
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Berliner Kanzleramt im Rahmen des | |
sogenannten Weimarer Dreiecks. Es war das erste Treffen auf dieser Ebene | |
seit elf Jahren. | |
Dass Gastgeber Scholz es als ein „bisschen historisch“ bezeichnete, kann | |
man als hanseatisches Understatement verbuchen. Denn das Dreieck, welches | |
vor über 30 Jahren als ambitioniertes Gesprächsformat für ein neues Europa | |
gegründet worden war, führte in den letzten Jahren nur noch [1][ein Dasein | |
als Relikt]. | |
Nun also die Wiederbelebung, und was für eine: Scholz, Macron und Duda, | |
alle drei stellten das gemeinsame Ziel in den Vordergrund: einen Krieg in | |
Europa zu verhindern. Angesichts eines Aufmarsches von 100.000 russischen | |
Soldaten an der russisch-ukrainischen Grenze, dem immer fordernder | |
vorgetragenen Wunsch der Ukraine nach Waffenlieferungen aus Deutschland, | |
amerikanischen Truppenverstärkungen in Polen und schriller werdenden Tönen | |
auf allen Seiten keine Selbstverständlichkeit mehr. | |
Dennoch betonte vor allem Macron, der am Tag zuvor fünf Stunden mit Putin | |
zusammengesessen hatte: „Dialog und Verantwortung sind der einzige Weg, den | |
Frieden sicherzustellen.“ | |
## Demonstrative Einigkeit | |
Macron war von Osten angereist, [2][hatte am Dienstag noch Gespräche mit | |
dem ukrainischen Präsidenten Wolodomir Selenski] geführt und versucht | |
Russlands Präsidenten Wladimir Putin Zugeständnisse abzuverhandeln. | |
Letzteres leider vergeblich. Scholz kam von Westen, hatte noch die | |
mahnenden Grußbotschaften von US-Präsident Joe Biden im Ohr, der keinen | |
Zweifel daran gelassen hatte, dass Nordstream 2 tot sei, sollte Russland in | |
die Ukraine einmarschieren. Duda kam aus Brüssel – wo es einerseits um die | |
Ukraine, aber mehr noch um die polnischen Strafzahlungen wegen der | |
andauernden Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit ging. | |
Separat reisen, gemeinsam handeln, war dennoch das gemeinsame Motto, auf | |
welches alle drei sich im Kanzleramt beriefen. Dass Macron und Scholz Polen | |
an ihrem Austausch über ihre jeweiligen Gespräche diesseits und jenseits | |
des Atlantik teilhaben ließen, war nicht nur ein Zeichen von Vertrauen, | |
sondern auch der Wunsch, den rechtskonservativ regierten Nachbarn wieder | |
mit ins Boot zu holen. | |
Denn die gemeinsame Botschaft lautet: Wir lassen uns nicht auseinander | |
dividieren. Alle drei betonten unsiono, in welch engem Austausch man | |
permanent stehe. Das Signal, vor allem gegenüber Russland, ist klar: Die so | |
oft als zerstritten wahrgenommene EU ist sich diesmal einig und will | |
geschlossen handeln. | |
Auch das ist überhaupt nicht selbstverständlich. Sowohl Frankreich als auch | |
Deutschland hatten seit dem Amtsantritt der PiS-Partei, Recht und | |
Gerechtigkeit, ihre Schwierigkeiten mit Polen. Die nationalkonservative | |
Regierung in Warschau hatte einen Deal mit Frankreich über | |
Kampfhubschrauber platzen lassen und arbeitet sich, wann immer es | |
innenpolitische Schwierigkeiten gibt, am deutschen Feindbild ab, inklusive | |
Nazi-Vergleiche. Für PiS-Medien zählt Scholz zum „linken Lumpenpack“ und | |
[3][gilt als „Putin-Versteher“.] | |
## Oberstes Ziel: Krieg verhindern | |
Gerade hat das polnische Parlament, der Sejm, ein Gesetz verabschiedet, | |
welches den Deutschunterricht für die deutsche Minderheit drastisch kürzt, | |
mit der Begründung, das deutsche Bundesbildungsministerium tue das Gleiche | |
ja bei den in Deutschland lebenden Polen. Eine glatte Lüge. | |
Trotz des gemeinsamen Auftritts im Kanzleramt wurden auch die Unterschiede | |
deutlich: Während Duda das Nicht-Nato-Land Ukraine als Verbündeten | |
bezeichnete und darauf pochte, dass man einen Verbündeten auch aus Furcht | |
vor einem Krieg nicht im Stich lassen dürfe, brachte Macron die russische | |
Perspektive mit ins Spiel: Elemente von Sicherheitsgarantien müssten als | |
Ansätze weiterverfolgt werden. | |
Doch der Wunsch, als Europäer zusammenzustehen und einen Krieg vor der | |
Haustür zu verhindern, überwog. In [4][einer gemeinsamen | |
Abschlusserklärung] aller drei Staats- und Regierungschefs tauchen die | |
Schlüsselwörter auf: Sicherheit, Dialog mit Russland, aber auch massive | |
Konsequenzen. Das Weimarer Dreieck will weitermachen und sich dafür | |
einsetzen, „die Sicherheit und Stabilität in der Region und die | |
territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine aufrechtzuerhalten.“ | |
Wenn es mit Hilfe eines totgeglaubten Formats für das neue Europa gelänge, | |
den Frieden im alten Europa zu sichern, wäre das ein Erfolg. | |
9 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Merkels-Besuch-in-Polen/!5492462 | |
[2] /Macron-Besuch-in-Moskau-und-Kiew/!5831770 | |
[3] /Polens-Reaktion-auf-Bundestagswahl/!5803817 | |
[4] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/berliner-erklaerung-des-we… | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Russland | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Andrzej Duda | |
GNS | |
Olaf Scholz | |
Emmanuel Macron | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Russland | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Ukraine | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
USA | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Estland und sein großer Nachbar: Hart an der Grenze | |
Im Osten Estlands treffen die EU und Russland aufeinander, viele Menschen | |
dort haben russische Wurzeln. Wie blicken sie auf den Ukraine-Konflikt? | |
Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Polen hofft auf Geschäft mit Gas | |
Das Ende von Nord Stream 2 käme dem Land gelegen. So könnte es gemeinsam | |
mit den USA den Gasmarkt in Europa neu aufrollen. | |
Treffen des „Weimarer Dreiecks“: Zurück nach Minsk | |
Die Kriegsgefahr bringt unvermutete Einigkeit zwischen Berlin, Paris und | |
Warschau. Den Gesprächen muss nun die Rückkehr zum Minsker Abkommen folgen. | |
Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Reden, reden, reden | |
Bei seiner US-Visite musste Kanzler Scholz Zweifel an Deutschlands Rolle | |
aus dem Weg räumen. Die schwierigen Verhandlungen stehen aber noch bevor. | |
Macron-Besuch in Moskau und Kiew: Minsk heißt das Zauberwort | |
Beim Besuch in der Ukraine drängt Frankreichs Präsident auf die Umsetzung | |
der Minsker Vereinbarungen. Kiew spricht von roten Linien. | |
Frankreichs Präsident Macron in Moskau: Dialog ohne Zugeständnisse | |
Mehr als fünf Stunden spricht Macron mit seinem russischen Amtskollegen | |
Wladimir Putin über die Ukraine. Zu sagen haben sie lediglich Bekanntes. | |
Olaf Scholz trifft Joe Biden: Erzwungene Einigkeit in Washington | |
Der US-Präsident und der Bundeskanzler demonstrieren ihre Einigkeit. Doch | |
gerade in Fragen der Ukrainekrise und Nord Stream 2 gibt es Reibereien. |