# taz.de -- Scholz' Besuch bei Biden: Sag's doch, Olaf! | |
> In Washington schaffte es Olaf Scholz, schon wieder nicht „Nord Stream 2“ | |
> zu sagen. Das verengt die Sanktionsdebatte unnötigerweise auf die | |
> Pipeline. | |
Bild: Schaffte es, bei seinem Washingtonbesuch nicht einmal Nord Stream 2 zu sa… | |
Je länger [1][Olaf Scholz] um die zwei Worte und die eine Zahl | |
herumtänzelt, desto interessanter werden sie leider. So klar wie noch nie | |
hat der Bundeskanzler bei seinem Besuch in Washington gesagt, dass die | |
Pipeline [2][Nord Stream 2] bei einem neuen russischen Einmarsch in die | |
Ukraine gestorben sein wird – nur den Begriff selbst hat er dabei wieder | |
nicht in den Mund genommen. Bei Scholz' Pressekonferenz mit US-Präsident | |
Joe Biden am Montagabend führte das zur wiederholten Nachfrage, warum er | |
denn nicht ein Mal „Nord Stream 2“ sagen könne, was dem Kanzler die | |
Möglichkeit gab, den Namen der Pipeline ein paar weitere Male nicht zu | |
nennen. | |
Was Scholz mit dieser Marotte bezweckt, ist unklar. Wozu sie aber vor allem | |
führt: Die Diskussion über den aktuellen Ost-West-Konflikt konzentriert | |
sich immer stärker auf die Pipeline-Frage – als ob von ihr alleine abhinge, | |
ob Krieg ausbricht oder nicht. Der Raum für andere Debatten wird daneben | |
enger. Das ist ärgerlich, gäbe es im Bezug auf mögliche Sanktionen des | |
Westens doch noch eine Menge anderes zu besprechen. | |
Am Tag der US-Reise des Kanzlers war die Außenministerin in Kiew zu Besuch. | |
Die möglichen Sanktionen seien „präzedenzlos“, sagte sie dort. Mit Verweis | |
auf die „engen wirtschaftlichen Verflechtungen insbesondere auch meines | |
Landes“ mit Russland fügte sie hinzu: „Ja, wir sind bereit, dafür auch | |
einen hohen wirtschaftlichen Preis zu bezahlen.“ In ähnlichen Worten | |
wiederholte Scholz diese Aussage später im Interview mit CNN. Die | |
Aufmerksamkeit dafür ist geringer als die für die Pipeline-Diskussion. | |
Dabei lassen sich daraus drei spannende Fragen ableiten. | |
Erstens: Tatsächlich könnte Deutschland durch Maßnahmen gegen Russland | |
stärker betroffen sein als manch andere Nato- und EU-Staaten. So ist es | |
auch schon bei den bisher geltenden Sanktionen. Könnte ein neues | |
Strafenpaket so differenziert ausgestaltet sein, dass es diesem | |
Ungleichgewicht entgegenwirkt und die Lasten einigermaßen gerecht verteilt? | |
In dem Fall könnten auch russische Öllieferungen an die USA eine Rolle | |
spielen. Eine Nachfrage dazu ließ [3][Biden] auf der Pressekonferenz am | |
Montag unbeantwortet. | |
## Ungleiche Lastenverteilung | |
Zweitens: Sollten die Kosten von Sanktionen am Ende doch ungleich verteilt | |
sein – wie würden die westlichen Bündnisse das in ihren Berechnungen zur | |
Lastenverteilung abbilden? Innerhalb der Nato steht Deutschland seit Jahren | |
in der Kritik, weil es verhältnismäßig wenig Geld in sein Militär steckt. | |
Andere Faktoren wie die Entsendung deutscher Truppen ins Baltikum bleiben | |
bei dieser Kritik unberücksichtigt. Dabei gehören sie zum Gesamtpaket dazu. | |
Für Sanktionskosten würde das Gleiche gelten. | |
Drittens: Wie groß ist eigentlich die Bereitschaft in der deutschen | |
Bevölkerung, Lasten mitzutragen? Im Umfragen gibt es Mehrheiten gegen | |
Waffenlieferungen an die Ukraine und gegen militärischen Beistand für | |
östliche Nato-Staaten. Vielleicht spiegeln sich darin nur pazifistische | |
Überzeugungen wider, vielleicht aber auch eine gewisse Skepsis dagegen, für | |
die Sicherheit anderer Staaten Opfer zu bringen. Klug wäre es daher, jetzt | |
nicht nur mögliche neue Sanktionspakete zu schnüren, sondern auch schon die | |
Unterstützung der Wähler*innen zu organisieren. Das geht nur über eine | |
offene Debatte. | |
Gelegenheiten dazu gäbe es in den nächsten Tagen mehrfach. Am Dienstagabend | |
empfängt Scholz die Präsidenten Frankreichs und Polens. Im Laufe der Woche | |
will er mit den baltischen Regierungschefs sprechen und am nächsten Montag | |
reist er nach Kiew. Genügend Chancen also für eine breite Debatte über | |
Sanktionen, ihre Chancen und ihre Folgen. Aber nur dann, wenn sich nicht | |
doch wieder nur alles um Nord Stream 2 dreht. | |
8 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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