# taz.de -- Militärabkommen Deutschland-Kolumbien: Mauern um ein Abkommen | |
> Deutschland und Kolumbien haben ein Militärabkommen unterzeichnet, Inhalt | |
> geheim. Kolumbiens Militär ist für Menschenrechtsverletzungen bekannt. | |
Bild: Während der monatelangen Protesten gegen die Regierung wurden mehrere Me… | |
BOGOTÁ taz | Anfang November vermeldete das kolumbianische | |
Verteidigungsministerium die Unterzeichnung eines Militärabkommens zwischen | |
Kolumbien und Deutschland. Seitdem versuchen Menschenrechtsorganisationen | |
und Journalist*innen herauszufinden, was in diesem Abkommen eigentlich | |
steht – und scheitern. Die Linke-Fraktion im Bundestag hat eine | |
entsprechende Kleine Anfrage gestellt. Die Antwort der Bundesregierung | |
liegt der taz exklusiv vor, aber die entscheidenden Antworten sind als | |
Verschlusssache eingestuft. | |
Die kolumbianische Armee und Polizei stehen regelmäßig wegen | |
Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Das war auch Anfang November 2021 | |
so, als bei [1][monatelangen Protesten] gegen die Regierung mehrere | |
Menschen getötet worden waren und mehrere Menschenrechtsorganisationen | |
Berichte veröffentlichten, die den Sicherheitskräften [2][große Brutalität] | |
vorwarfen. | |
Und genau in diesem Moment gab [3][das kolumbianische | |
Verteidigungsministerium] am 3. November kund, bei einem Treffen des | |
deutschen Botschafters, des Verteidigungsattachés und des kolumbianischen | |
Verteidigungsministers sei ein Verteidigungsabkommen unterzeichnet worden: | |
„Kolumbien ist das erste Land in Lateinamerika, das auf ein solches | |
Abkommen mit der Bundeswehr zählen kann.“ | |
Es würde die Beziehung in Bereichen wie der Bildung, des militärischen | |
Trainings, der Rüstungstechnologie, der Operationen zur Friedenssicherung, | |
der maritimen Sicherheit, der Minenräumung, Cyberabwehr und | |
[4][Cybersicherheit] stärken. Der deutsche Botschafter Peter Ptassek | |
bekräftigte die Euphorie aus dem Verteidigungsministerium [5][auf Twitter]. | |
## Die wichtigsten Antworten bleiben unter Verschluss | |
Organisationen von Mitgliedern der [6][Deutschen Menschenrechtskoordination | |
Kolumbien (Kolko)] nannten die militärische Kooperation mit Kolumbien ein | |
„fatales Signal“. Deutsche Menschenrechtsvereinigungen, die in Kolumbien | |
aktiv sind, fragten auf Twitter nach den genauen Inhalten des Abkommens und | |
erhielten keine Antwort. | |
Der taz erging es ähnlich. Eine Sprecherin der Botschaft verwies ans | |
Verteidigungsministerium. Ein Sprecher des Ministeriums wollte sich wie | |
sein kolumbianischer Kollege zum genauen Inhalt nicht äußern. Und was genau | |
nun vereinbart ist, erfährt die Öffentlichkeit auch durch die [7][Kleine | |
Anfrage] der Linke-Fraktion zum Militärabkommen nicht – die Antworten auf | |
die beiden Fragen dazu sind Verschlusssache. Die Antworten auf die | |
restlichen 42 Fragen zu Vorwürfen gegenüber Armee und Polizei, darunter | |
Tötung, Folter und Verschwindenlassen, lesen sich widersprüchlich. | |
Einerseits begründet die Bundesregierung die verstärkte Zusammenarbeit mit | |
Kolumbien damit, dass Kolumbien das einzige Land in Lateinamerika mit dem | |
Status eines „Nato Global Partner“ sei und sich als solches unter dem | |
Nato-Mandat an internationalen Missionen beteilige. Kolumbien sei im | |
übrigen „eine stabile Demokratie, deren Regierung einen | |
Transformationsprozess im Verteidigungsbereich eingeleitet hat, um die | |
Streitkräfte zu modernisieren und ihre demokratische Rolle zu stärken“. | |
Später räumt die Bundesregierung jedoch ein, dass es „vielfach zu | |
faktischer Straflosigkeit“ komme. Dafür, dass keine Einheiten oder Personen | |
bei der Kooperation mitmachten, die der Menschenrechtsverletzungen | |
verdächtigt würden, sei Kolumbien verantwortlich. | |
Sevim Dağdelen, Obfrau der Linke-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss, hat | |
eine klare Bewertung: Das Militärabkommen „ist angesichts der massiven | |
Menschenrechtsverletzungen und brutalen Gewalt gegen [8][friedliche | |
Demonstranten] durch Kolumbiens Polizei und Militär schlicht | |
verantwortungslos und gehört umgehend aufgekündigt“. „Indem das Auswärti… | |
Amt von Annalena Baerbock die von Rechtsaußen-Präsident Iván Duque | |
angeordneten staatlichen Gewaltexzesse kleinredet, verhöhnt sie die | |
kolumbianische Zivilbevölkerung.“ | |
Auch Kristina Birke Daniels, Leiterin des Büros der SPD-nahen | |
Friedrich-Ebert-Stiftung in Kolumbien, verweist auf die bisher straflosen | |
Menschenrechtsverletzungen durch Militärs während der sozialen Proteste und | |
bezeichnet den Kontext des Abkommens daher als „sehr herausfordernd“. | |
Eine umfassende Reform des Sicherheitssektors sei nötig, um die | |
strukturellen Probleme des Militärs zu lösen – darunter eine | |
Militärdoktrin, die weiterhin davon ausgehe, dass „der Feind im Inneren | |
sitzt“, die Polizei als Teil des Militärs und ein künstlich aufgeblähtes | |
Militärbudget. „Ein paar Trainings der mittleren Ebene in Deutschland | |
werden dazu nicht beitragen“, sagt sie. | |
3 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Soziologe-ueber-Proteste-in-Kolumbien/!5807742 | |
[2] /Proteste-gegen-die-Regierung-Duque/!5774858 | |
[3] https://twitter.com/mindefensa/status/1455908655333879816?s=20&t=OPKLG0… | |
[4] https://www.riffreporter.de/de/international/kolumbien-polizei-fake-news-so… | |
[5] https://twitter.com/alemEmbajador/status/1455948062485008392?s=20&t=Bkz… | |
[6] https://www.kolko.net/krieg-und-frieden/5-jahre-friedensabkommen-kolumbien-… | |
[7] https://dserver.bundestag.de/btd/20/002/2000291.pdf | |
[8] /Proteste-und-Polizeigewalt-in-Kolumbien/!5788619 | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
## TAGS | |
Kolumbien | |
Außenpolitik | |
Bundeswehr | |
Verteidigungspolitik | |
Militär | |
Polizeigewalt | |
Die Linke | |
Sevim Dagdelen | |
Menschenrechte | |
GNS | |
Gustavo Petro | |
Kolumbien | |
Kolumbien | |
Bogotá | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahlen in Kolumbien: Klatsche für die Rechte | |
Kolumbien auf Veränderungskurs: Bei den Kongress- und Vorwahlen für die | |
Präsidentschaft ist der Linke Gustavo Petro der große Gewinner. | |
Doku-Serie über Narco-Netzwerk: Auf den Spuren des Unantastbaren | |
In „Matarife“ möchte Journalist Daniel Mendoza Leal den mächtigsten Mann … | |
Kolumbien enttarnen. Es ist niemand geringeres als Ex-Präsident Uribe. | |
Soziologe über Proteste in Kolumbien: „Ein Akt der Solidarität“ | |
Im Frühjahr erlebte Kolumbien die größten Proteste seit über 50 Jahren. | |
Soziologe Luis Carlos Castillo erklärt, wie die Soziale Bewegung entstand | |
und was sie fordert. | |
Protestwelle in Kolumbien: Auf der Straße | |
Nach massiven Protesten nimmt Kolumbiens Präsident Iván Duque eine geplante | |
Steuerreform zurück. Gleichzeitig schickt er die Armee in die Städte. |