# taz.de -- Wahlen in Kolumbien: Klatsche für die Rechte | |
> Kolumbien auf Veränderungskurs: Bei den Kongress- und Vorwahlen für die | |
> Präsidentschaft ist der Linke Gustavo Petro der große Gewinner. | |
Bild: Überstrahlte alle bei der Wahl: der Linke Gustavo Petro | |
BERLIN taz | Der Pacto Histórico (Historischer Pakt) [1][gehört im Senat | |
jetzt zu den stärksten Parteien], im [2][Repräsentantenhaus zu den beiden | |
zweitstärksten]. Insgesamt haben Oppositionsparteien stark zugenommen und | |
die Regierungspartei Centro Democrático von Präsident Iván Duque musste | |
eine Klatsche einstecken. Kolumbiens Expräsident und Senator Álvaro Uribe, | |
einer der mächtigsten Männer im Land und von derselben Partei, ist nicht | |
wieder angetreten. Erstmals waren mehrere Sitze – wie im Friedensabkommen | |
vorgesehen – für Opfer des bewaffneten Konflikts reserviert. Doch einige | |
KandidatInnen hatten ihre Kandidatur aus Angst um ihr Leben vorab | |
zurückgezogen. Die Sicherheitslage in den Regionen hat sich massiv | |
verschlechtert. | |
Gleichzeitig mit den Abgeordneten bestimmten die KolumbianerInnen am | |
Sonntag in Vorwahlen die KandidatInnen der großen Parteibündnisse für die | |
Präsidentschaftswahl am 29. Mai. In Kolumbien gibt es keine | |
Fünfprozenthürde, weshalb das Parlament sehr kleinteilig ist. Die | |
KandidatInnen der Bündnisse Pacto Histórico, Centro Esperanza (Zentrum | |
Hoffnung) und Equipo por Colombia (Team für Kolumbien) haben daher die | |
größten Chancen auf Erfolg. | |
Kandidat Gustavo Petro hat mit knapp 4,5 Millionen Stimmen mit Abstand die | |
meisten abgeräumt – und geht jetzt offiziell am 29. Mai für Pacto Histórico | |
ins Rennen. Der Politiker wird in der ausländischen Berichterstattung oft | |
als „Ex-Guerillero“ tituliert. Unterschlagen wird dabei gern, dass sich das | |
ehemalige Mitglied der M-19 vor mehr als 30 Jahren demobilisierte. Er ist | |
derzeit Senator, war bereits zweimal Präsidentschaftskandidat und führte in | |
seiner Zeit als Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá wichtige Neuerungen | |
ein. | |
Die Überraschung des Tages war aber das Abschneiden von [3][Francia Márquez | |
Mina]. Sie ist die erste afrokolumbianische Präsidentschaftskandidatin und | |
trat wie Petro für Pacto Histórico an. Die 39-jährige Anwältin, Feministin | |
und Aktivistin für Menschenrechte und Umweltschutz stammt aus der | |
Konfliktregion Cauca und wurde wegen ihres Engagements für die Umwelt | |
[4][mit dem international renommierten Goldman-Preis ausgezeichnet]. Sie | |
überlebte mehrere Attentate. Márquez hat eine bodenständige und konkrete | |
Sprache in den Wahlkampf gebracht und gibt den Bevölkerungsgruppen eine | |
Stimme, die im politischen Establishment bisher kaum eine haben – Frauen, | |
Afros, Indigene, Arme. Ohne Ressourcen für einen teuren Wahlkampf erzielte | |
sie am Sonntag 783.000 Stimmen. Das sind 60.000 Stimmen mehr als der | |
Konservative Sergio Fajardo, der jetzt fürs Konkurrenzbündnis Centro | |
Esperanza offiziell bei den Präsidentschaftswahlen antritt. | |
## Cyberattacken und Anschläge am Wahltag | |
Es bleibt abzuwarten, ob Petro nach diesem Ergebnis wie angekündigt mit | |
Francia Márquez als Vizepräsidentin antritt. Sein größter Konkurrent ist | |
Medellíns ehemaliger Bürgermeister Federico Gutiérrez von Equipo por | |
Colombia. Am Sonntag holte er 2,1 Millionen Stimmen. Außerdem treten noch | |
fünf weitere KandidatInnen im Mai an, darunter die im Ausland bekannte, von | |
der Farc jahrelang entführte Ingrid Betancourt. „Wir werden schon in erster | |
Runde gewinnen“, kündigte Petro am Sonntag an. Tatsächlich stehen die | |
Chancen dafür gut. | |
[5][Kolumbien ist im Umbruch]. In den Monaten vor den Wahlen waren | |
KolumbianerInnen immer wieder auf die Straßen gegangen und hatten gegen die | |
Regierung, [6][die Morde an AktivistInnen] und demobilisierten | |
Farc-KämpferInnen sowie soziale Ungerechtigkeit protestiert. Die Proteste | |
wurden von den Sicherheitskräften teils gewaltsam unterdrückt, mehrere | |
Menschen getötet. Die Wahlen galten als politische Fortführung der | |
Proteste. Die Mobilisierung und Aufklärungsarbeit war groß. Denn um die | |
Stimme abgeben zu können, ist ein kompliziertes Registrierungsverfahren | |
nötig, das teils digital stattfindet – eine Herausforderung für Menschen in | |
abgelegenen oder armen Gegenden. | |
Die Wahlen am Sonntag wurden allerdings überschattet: Mindestens zwei | |
Soldaten kamen laut Angaben des kolumbianischen Militärs bei | |
Bombenanschlägen ums Leben, zwei weitere wurden verletzt. Die Internetseite | |
der Wahlbehörde Registraduría war außerdem am Sonntag mehrere Stunden lang | |
gestört. Die [7][Behörde sprach von einem Cyberangriff.] Laut | |
[8][Wahlbeobachtungsmission MOE verzögerte sich dadurch die Stimmabgabe,] | |
die Auszählung fand aber korrekt statt. | |
14 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://resultados.registraduria.gov.co/senado/0/colombia | |
[2] https://resultados.registraduria.gov.co/camara/0/colombia | |
[3] https://twitter.com/franciamarquezm?lang=de | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=DF8NTVV-thc | |
[5] https://www.aljazeera.com/news/2022/3/12/whats-at-stake-in-colombias-upcomi… | |
[6] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/lateinamerika-junge-klimaaktivisten-… | |
[7] https://www.elespectador.com/politica/elecciones-colombia-2022/registraduri… | |
[8] https://www.elespectador.com/politica/elecciones-colombia-2022/moe-fallas-e… | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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