# taz.de -- Filmemacher über Homöopathie: „Eine Pseudowissenschaft“ | |
> In seiner Doku „Homöopathie unwiderlegt?“ stellt Filmemacher Erik Lemke | |
> nur Fragen. Das Ergebnis ist für die Homöopathie-Anhänger*innen | |
> verheerend. | |
Bild: Der Promi unter den homöopathischen Mitteln: kleine weiße Kügelchen na… | |
taz: Herr Lemke, Sie haben einen Film über Homöopathie gemacht, in dem nur | |
Menschen zu Wort kommen, die daran glauben, es praktizieren. Was mich | |
überrascht hat: Im Ergebnis wirkt der Film verheerender für diese | |
Befürworter*innen, als wenn Sie schön ausgewogen auch Kritiker*innen | |
befragt hätten. Wie ist Ihnen dieses Kunststück gelungen? | |
Erik Lemke: [1][Homöopathie] ist ein klassisches Beispiel für eine | |
Pseudowissenschaft. Kratzt man nur an der Oberfläche, wirkt alles irgendwie | |
logisch. Es mangelt nicht an beeindruckenden theoretischen Überlegungen, | |
die sehr wissenschaftlich daherkommen. | |
Zum Beispiel? | |
Da ist von Lebenskraft die Rede, von Konstitutionstypen, Miasmen, Energie, | |
Information und Quantendenken. Doch je umfangreicher solche Begriffe | |
werden, desto inhaltsleerer werden sie auch. Hier setzt mein Film an und | |
geht in die Tiefe. Es ist natürlich legitim, [2][Homöopathiekritiker] | |
erklären zu lassen, dass das alles keinen Sinn ergibt. Aber besser ist es, | |
die Homöopathen erledigen diesen Job selbst. | |
Nun sind Ihre Protagonist*innen allesamt Akademiker*innen, einige haben | |
wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. Wie kommt es, dass sie | |
Behauptungen aufstellen, die gar nicht haltbar sind? | |
Das tun nicht alle. Den Medizinhistoriker Martin Dinges habe ich im März | |
2019 drei Tage vor seiner Pensionierung im Institut für Geschichte der | |
Medizin der Robert Bosch Stiftung interviewt. Diese Institution mit | |
Schwerpunkt Homöopathiegeschichte ist tief verwoben mit | |
Homöopathie-Institutionen und der ganzen Szene. Fragen nach Sinn und Unsinn | |
einzelner Therapievarianten umschifft Dinges elegant mit Antworten wie: | |
„Das müssen die Praktiker entscheiden.“ Die problematischsten Aussagen in | |
meinem Film stammen von homöopathischen Ärzten. | |
Sie selbst stellen ja nur Fragen und verzichten auf jeden expliziten | |
Kommentar. Ist das nicht die klassische Methode des Sokrates? | |
Ja, das stimmt. Zwar habe ich mich mit einer gesunden kritischen | |
Grundhaltung meinem Thema genähert. Dennoch stehen am Beginn einer | |
Auseinandersetzung immer Fragen und der Wunsch, das Gegenüber zu verstehen. | |
Kommentare oder Kritik von mir hätten meine Protagonisten in die Defensive | |
gedrängt – und unsere Gespräche in ein sich gegenseitiges Bewerfen mit | |
Argumenten verwandelt. | |
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, diesen Film zu machen? | |
Die Existenz einer Parallelwelt innerhalb unseres Gesundheitswesens, in der | |
promovierte Ärzte von sich behaupten, überwissenschaftliche Erkenntnis zu | |
besitzen, macht mir Sorgen. Auch wenn die meisten Homöopathen keinen großen | |
Schaden anrichten, decken sie mit ihrer wissenschaftsfeindlichen | |
Einstellung jene, die das tun. Ich habe die Diskussionen über die | |
Homöopathie immer mit Interesse verfolgt, hatte jedoch nie vor, eine | |
weitere Doku darüber zu machen. Es gibt bereits genug. | |
Aber? | |
Erst die Beschäftigung mit der sokratischen Methode hat die Neugier bei mir | |
geweckt, was wohl dabei herauskäme, wenn man sie auf die Homöopathie | |
anwendet. | |
Einige Ihrer Protagonist*innen sprechen davon, dass es Scharlatanerie | |
in ihren eigenen Reihen gibt. Sie widersprechen einander teils so | |
grundlegend, dass dies geradezu komisch wirkt. Hatten Sie das so erwartet? | |
Ich hatte es geahnt. Hat ein Homöopath einen Kollegen als Scharlatan | |
identifiziert, ergründet man mit ihm gemeinsam, worauf dieser Kollege | |
seinen Glauben stützt. In der Regel berufen sich alle auf ihre „ärztliche | |
Erfahrung“. | |
Wie das? | |
Was sie an ihren Patienten beobachten, entspricht dann immer genau den | |
Dogmen, die ihnen ihre spezielle Variante der Homöopathie diktiert, die sie | |
vertreten. | |
9 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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