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# taz.de -- Grünen-Konflikt über Homöopathie: Kampf um Kügelchen entschärft
> Grünen-Chef Robert Habeck legt im Homöopathie-Streit einen pragmatischen
> Vorschlag vor: Wer einen Zusatztarif bucht, soll Kügelchen bezahlt
> bekommen.
Bild: Waren kurz davor, sich das Kügelchen zu geben: Grüne im Streit über Ho…
Berlin taz | Die Grünen scheinen eine Lösung ihres Streits über Homöopathie
gefunden zu haben. Bislang ist nichts in trockenen Tüchern, ein Beschluss
steht noch aus. Doch die Parteiführung zeigt sich zuversichtlich, einen
pragmatischen Kompromiss gefunden zu haben: Krankenkassen sollen
homöopatische Leistungen bezahlen dürfen – aber nur jenen, die einen
entsprechenden Sondertarif gewählt haben.
So sieht es ein unter Federführung von Parteichef Robert Habeck
erarbeitetes Papier vor, das jetzt an die innerparteilichen
Kontrahent:innen verschickt wird. Nach abschließenden Beratungen soll es
dann innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen vom Bundesvorstand
beschlossen werden und schließlich ins Bundestagswahlprogramm einfließen.
Das bestätigte ein führender Grüner der taz.
Wie es die Grünen mit der Homöopathie halten, gehört zu den wenigen Fragen,
über die in der Partei noch leidenschaftlich gestritten wird. Viele
Wähler:innen und Mitglieder der Grünen vertrauen auf Globuli und sehen in
den Zuckerkügelchen eine sanfte Alternative zur Schulmedizin. Andere sind
mehr als skeptisch – und berufen sich dabei auf zahlreiche Studien, die
keine Wirksamkeit homöopathischer Verfahren nachweisen konnten.
Auf dem Bielefelder Bundesparteitag im vergangenen November konnte eine
offene Schlacht zwischen Anhänger:innen und Kritiker:innen des
Kügelchenkultes nur knapp verhindert werden. [1][250 Mitglieder hatten im
Vorfeld einen Antrag unterschrieben], in dem sie forderten, die
Finanzierung der Homöopathie über die Krankenkassen zu beenden. Dagegen
regte sich der erbitterte Widerstand von Homöopathie-Befürworter:innen.
Um den Konflikt zu entschärfen, [2][schlug der Bundesvorstand die Gründung
einer Kommission] aus Gesundheits- und Wissenschaftspolitiker:innen sowie
Parteiführung und Antragsteller:innen vor. Doch daraus wurde nichts.
[3][Im Januar stoppte die Grünen-Spitze das geplante Gremium]. Der
Bundesvorstand sei „einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass eine
vertrauensvolle und erfolgreiche Arbeit dieser Kommission nicht möglich
ist“, begründete er seine Entscheidung.
## Zur Chefsache gemacht
Stattdessen nahm sich Habeck persönlich der Sache an. Mit Unterstützung von
Fachleuten aus grüngeführten Landesgesundheitsministerien erarbeitete er
über den Sommer hinweg einen Kompromissvorschlag. Dessen Grundzüge
skizzierte Habeck am Sonntag im [4][ARD-Sommerinterview]. Kernpunkt ist,
dass die Möglichkeit von Wahltarifen zur Erstattung homöopathischer
Behandlungen geschaffen werden soll. Wer einen solchen Tarif wählt, kann
dann die homöopathische Behandlung von der Gesetzlichen Krankenkasse
erstattet bekommen.
„Dann gibt es ein Solidarsystem innerhalb der
Homöopathiemedikamentenliebhaber, aber die Allgemeinheit zahlt dann nicht
dafür“, sagte Habeck. Generell gelte allerdings, dass homöopathische Mittel
nicht bei lebensgefährlichen Erkrankungen empfohlen oder eingesetzt werden
dürften.
Die Globuligegner:innen zeigen sich zufrieden: Habecks Vorschlag sei
„deutlich homöopathiekritischer als alles, was SPD und CDU zu dem Thema
aktuell fordern“, [5][twitterte die Leipziger Ärztin Paula Piechotta], eine
der Wortführer:innen. „Homöopathie und damit Placebo mit Eso-Aufpreis wird
zur Privatsache.“
Die homöopathische Behandlung ist eigentlich keine reguläre Kassenleistung.
Es besteht deshalb auch kein gesetzlicher Anspruch auf Kostenübernahme.
Allerdings erstattet inzwischen ein Großteil der Krankenkassen Versicherten
trotzdem die Kosten. Die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche
Bundesvereinigung haben sich mehrfach für ein Ende der Erstattungen
ausgesprochen.
Schwer genervt von dem Thema hoffen Habeck und seine Co-Chefin Annalena
Baerbock, es nun endlich abschließen zu können. Dass diese „vergleichsweise
kleine und detailverliebte Frage“ eine solche Aufmerksamkeit erregt habe,
„gehört sich nicht“, findet Habeck. „Wir haben andere Probleme im
Gesundheitssystem.“
17 Aug 2020
## LINKS
[1] /Gruene-und-Homoeophatie/!5629256
[2] /Parteiinterner-Streit-ueber-Homoeopathie/!5639052
[3] /Gruene-und-Homoeopathie/!5652485
[4] https://www.tagesschau.de/inland/habeck-sommerinterview-105.html
[5] https://twitter.com/PaulaPiechotta/status/1295350945266765824?s=20
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Homöopathie
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