# taz.de -- Datenschützer über Impfen: „Kein pauschales Register“ | |
> Österreich hat ein Impfregister, in Deutschland wird darüber diskutiert. | |
> Der Datenschützer Thomas Lohninger über Risiken und die Vertrauensfrage | |
> in der Gesellschaft. | |
Bild: Ein Impfmarathon in Hessen, Dezember 2021 | |
taz am wochenende: Herr Lohninger, in Deutschland wird gerade [1][über die | |
Notwendigkeit eines Impfregisters diskutiert], Österreich hat schon eines. | |
Was kann Deutschland von Österreich lernen? | |
Thomas Lohninger: Ich glaube, dass man von Österreich eher lernen sollte, | |
wie man es nicht macht. Das hat mehrere Gründe: Erstens ist das | |
Impfregister hier an die elektronische Gesundheitsakte angedockt. Bei der | |
Gesundheitsakte kann man widersprechen, wenn man nicht mitmachen möchte, | |
was auch absolut richtig so ist – aber im Impfregister landen die eigenen | |
Daten trotzdem. Das verwirrt viele Menschen. Jetzt kann man natürlich in | |
einer Pandemie argumentieren, dass so ein Register notwendig ist, um diese | |
Pandemie zu bekämpfen. Aber da kommt der zweite Kritikpunkt dazu: Es werden | |
auch Daten zu Impfungen gespeichert, die keine Auswirkungen auf | |
Ansteckungsgefahren haben, wo es also ausschließlich um die | |
Selbstgefährdung geht. | |
Tetanus zum Beispiel. | |
Genau. Oder jede Zeckenimpfung. Wenn das Argument für so ein Register ist, | |
dass man es zur Pandemiebekämpfung braucht, dann sind so umfassende Daten | |
nicht nötig. Außerdem gibt es etwas, das man bei Datensammlungen generell, | |
aber ganz besonders wenn es um derart Sensibles wie Gesundheitsdaten geht, | |
immer überlegen muss, nämlich: Muss ich das wirklich personenbezogen | |
machen? Oder will ich eigentlich nur eine Statistik? | |
Sie meinen, ob es tatsächlich darum geht, wer geimpft wurde oder nur um die | |
Zahl der Geimpften? | |
Genau. In Österreich haben wir seit neuestem eine Impfpflicht, das Register | |
soll da zur Kontrolle dienen. Aber wenn es nur darum geht, beispielsweise | |
die Impfstofflogistik zu planen, dann muss man ja nicht wissen, wer geimpft | |
ist, sondern nur, wie viele Menschen, vielleicht noch nach Region. Auf das | |
Speichern persönlicher Daten kann und sollte man daher verzichten. | |
Was müsste also die Bundesregierung hierzulande gegebenenfalls besser | |
machen? | |
Ich tue mich da sehr schwer einen Vorschlag zu machen, denn als | |
Datenschützer bin ich nicht überzeugt davon, dass es so ein Register | |
braucht. Ich finde, wenn eine Regierung sagt, ja, das muss sein, dann ist | |
es ihre Aufgabe, einen Vorschlag zu machen, der so minimal wie möglich in | |
die Privatsphäre der Menschen eingreift. Öffentliche Gesundheit ist sicher | |
ein Ziel, mit dem sich viel rechtfertigen lässt und die | |
Datenschutz-Grundverordnung gibt da auch entsprechende Spielräume. Aber man | |
muss schon einmal gründlich nachdenken. Und zwar vorher. | |
Welche Möglichkeiten gibt es denn, den Eingriff gering zu halten? | |
Zunächst mal sollte es kein pauschales Register sein. Es sollte also nicht | |
alle Impfungen umfassen, sondern nur so wenige wie unbedingt nötig. Das ist | |
der Grundsatz der Datensparsamkeit, den wir auch aus anderen Bereichen | |
kennen. Dann könnte man auch über eine zeitliche Befristung nachdenken. | |
Diese Pandemie wird ja hoffentlich irgendwann vorbei sein und wir müssen | |
schauen, dass wir dann wieder auf den Stand von vorher kommen. | |
Warum ist das so wichtig? | |
Das klingt so umständlich, ist aber zentral, um schon vorab zu klären, wie | |
tief der Grundrechtseingriff wird, welche Risiken es gibt. Die | |
Datenschutz-Grundverordnung schreibt so eine Folgenabschätzung sogar vor, | |
in der Praxis wird sie trotzdem gerne einfach nicht gemacht oder erst so | |
spät, dass alle Fakten schon geschaffen sind. Aber wir sprechen ja in der | |
Pandemie gerade ganz viel über Vertrauen und gute Kommunikation. Und so | |
eine Datenschutz-Folgenabschätzung, die dann auch veröffentlicht wird, | |
würde das Vertrauen in den Prozess und das Ergebnis deutlich stärken. | |
In Deutschland gibt es bislang kein zentrales Melderegister, die | |
entsprechenden Daten werden dezentral erfasst. Mit einem zentralen | |
Impfregister würde sich das ändern. Welche Risiken sehen Sie dabei? | |
Zunächst einmal birgt ein solches Register, ganz gleich wie es gestaltet | |
ist, immer Missbrauchspotenzial bei allen zugriffsberechtigten Stellen. Die | |
Zugriffsmöglichkeiten auf die Meldedaten sind ja in Deutschland durch die | |
dezentrale Speicherung begrenzt und hier ist der Föderalismus mal ein | |
echter Vorteil. Doch wenn neue Daten aggregiert werden oder Sammlungen | |
erstellt, dann weckt das auch immer neue Begehrlichkeiten. | |
Strafverfolger:innen beispielsweise könnten hier ein großes Interesse | |
daran haben. Aber die Daten könnten auch mit denen von anderen Behörden | |
zusammengeführt werden. Und natürlich birgt ein zentrales Register ein | |
immenses Risiko für Angriffe von außen. | |
Ließen sich solche Gefahren nicht abfedern, etwa dadurch, dass die Daten | |
nicht im Klartext gespeichert werden, sondern gehasht, also in Form einer | |
kryptografischen Prüfsumme? Dann würden Angreifer:innen ins Leere | |
laufen. | |
Kryptografische Verfahren würden sicher helfen in Sachen Datensicherheit, | |
ja. Aber missbräuchliche Abfragen von zugriffsberechtigten Personen könnten | |
sie nicht ausräumen, ebenso wenig wie das Zusammenführen mit Daten von | |
anderen Stellen. | |
Kommt es zu einer Impfpflicht, sind hierzulande neben einem zentralen | |
Register auch andere Überprüfungswege in der Diskussion: Etwa könnten die | |
Arbeitgeber befugt werden, bei Selbstständigen die Gewerbe- oder | |
Gesundheitsämter. Was sagen Sie zu solchen Ideen? | |
Eine Überprüfung seitens der Arbeitgeber halte ich für sehr problematisch. | |
Nicht umsonst bekommen die beispielsweise keine Informationen darüber, | |
warum ein:e Arbeitnehmer:in krankgeschrieben ist. Davon ist man in der | |
Pandemie einen großen Schritt abgerückt – zumindest in Österreich dürfen | |
Arbeitgeber den Impfstatus abfragen. Begründet wurde das mit dem Schutz von | |
anderen Mitarbeitenden. Gut möglich, dass das gerechtfertigt war, aber auch | |
hier gilt: Wichtig ist, dass wir diese Schritte nach der Pandemie wieder | |
rückgängig machen und nicht dauerhaft die Grundrechte aushöhlen. | |
In skandinavischen Ländern, in denen Impfregister und elektronische | |
Patientenakten gängig sind, schaut man bei diesen Debatten häufig etwas | |
verwundert auf den deutschsprachigen Raum. | |
Zunächst einmal: Auch in Dänemark etwa gibt es deutliche Kritik an der | |
zentralisierten Speicherung von Gesundheitsdaten und auch an der Forschung | |
mit Informationen aus diesen Datenbanken. Es ist also nicht so, dass in | |
Ländern, die so etwas schon haben, alles unwidersprochen hingenommen wird. | |
Aber grundsätzlich gilt: Datenschutz und Privatsphäre sind | |
kulturspezifische Konzepte. Jede Kultur hat sie, aber überall sind sie | |
unterschiedlich. Genauso wie etwa die Abstände, die man instinktiv zu | |
anderen Personen einhält, kulturell unterschiedlich sind. Da muss nicht das | |
eine besser oder richtig und das andere schlechter oder falsch sein, es | |
geht hier einfach um unterschiedliche gesellschaftliche Konsense, | |
Vereinbarungen und Rechtstraditionen. Und die lassen sich nicht einfach so | |
überstülpen. | |
4 Feb 2022 | |
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[1] /Diskussion-um-Impfregister/!5824225 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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