| # taz.de -- Berliner Kinos vor der Berlinale: Man muss hier nicht rotsehen | |
| > Die Kinos in der Krise wegen der Pandemie? Eigentlich nicht. In den | |
| > kleinen Kinos will man jedenfalls nicht klagen. | |
| Bild: Rotes Polster im Dunkeln, so geht Kino | |
| Berlin taz | Die Zeiten, in denen man einfach mal spontan ins Kino ging, um | |
| sich einen Film anzusehen, für den man sich kurz vorher entschieden hat, | |
| sind bekanntlich eine Weile her. Seit fast zwei Jahren gilt der pandemische | |
| Ausnahmezustand samt wechselnden Coronaregeln, und der Kinobesuch will | |
| entsprechend vorbereitet sein. Die Lage ist unübersichtlich genug. | |
| Wenn man etwa anfängt, sich die aktuell geltenden [1][Einlassbestimmungen] | |
| für die Kinos der Berliner Yorck-Gruppe durchzulesen mit dem 2G+ sowie den | |
| Sondererläuterungen für Leute mit Genesenenstatus, den | |
| Geboostert-Regelungen für die Johnson-&-Johnson-Impflinge und dem ganzen | |
| Pipapo, ist man eigentlich schon wieder geneigt, das verrückte Abenteuer | |
| Kinobesuch doch lieber sein zu lassen und stattdessen gemütlich daheim | |
| bleibend zu schauen, was einem Netflix zu bieten hat. | |
| Zudem seit Mitte Januar in den Berliner Kinos auch noch eine | |
| FFP2-Masken-Pflicht am Platz gilt. Für den Verzehr von Speisen und | |
| Getränken darf die Maske aber abgenommen werden. Wahrscheinlich würde man | |
| im Kinosaal also auch noch von Popcornjunkies und XXL-Cola-Schlürfern | |
| umgeben sein, die sich so ein wenig Erleichterung von dem Gesichtslappen | |
| verschaffen wollen. Von der Angst davor, dass Omikron besonders gerne | |
| Menschen in geschlossenen Räumen durchseucht, war jetzt noch nicht einmal | |
| die Rede. Wer möchte unter diesen Umständen also wirklich gerade ins Kino | |
| gehen, und wer freut sich tatsächlich auf die Berlinale? | |
| Scheinbar eine ganze Menge Leute. | |
| Christian Suhren vom Kreuzberger Arthousekino FSK gibt an, dass man | |
| aufgrund geltender Abstandsregeln zwar nur halbe Kapazitäten in den beiden | |
| Kinosälen fahren könne, die Vorstellungen aber dann auch meist gut gefüllt | |
| seien. Und Verena von Stackelberg [2][vom Neuköllner Programmkino Wolf] | |
| sagt: „Die Leute nehmen das Kinoangebot sehr dankbar wahr.“ | |
| ## Die Überbrückungshilfen | |
| Eigentlich könnte man meinen, nach den zähen Coronamonaten, den | |
| Unsicherheiten und all den Lockdowns würden die Kinobetreiber langsam auf | |
| der letzten Rille fahren. Aber so ist es gar nicht. „Die | |
| Überbrückungshilfen laufen gut, da kann man sich nicht beschweren“, so | |
| Christian Suhren. Und Verena von Stackelberg sieht die Situation so: „Seit | |
| zwei Jahren kann unser Geschäft nicht mehr Geschäft genannt werden, weil | |
| alles komplett gefördert ist. Wir haben gerade keine reale | |
| Geschäftssituation. Alles ist sehr fiktiv. Wir haben auf, zeigen Filme, | |
| aber das Geld, das wir damit einnehmen, hat eigentlich nichts mit unserer | |
| echten Existenz zu tun.“ | |
| Weitgehend von wirtschaftlichen Zwängen befreit, machen die Kinobetreiber | |
| gerade also das, was sie am liebsten tun: Sie zeigen Filme. Man könnte fast | |
| meinen, es wäre während der Pandemie nicht etwa schwieriger geworden, ein | |
| Kino am Laufen zu halten, sondern einfacher. | |
| Aber so ist es natürlich nicht. Das Kinogeschäft sei gerade „finanziell | |
| weniger ein Problem als logistisch“, so von Stackelberg, „ständig fallen | |
| Mitarbeiter aus, müssen in Quarantäne“. Dazu müsse beim Einlass bei jedem | |
| Gast umständlich und zeitraubend der Impfstatus geprüft werden. Zu | |
| bedenken gibt sie auch, dass jetzt eigentlich die Zeit wäre, wo man | |
| ordentlich Umsatz machen sollte, um mit dem Plus auf dem Konto die | |
| Saure-Gurken-Zeit in den Sommermonaten kompensieren zu können, in der | |
| traditionell weniger ins Kino gegangen wird. | |
| Dabei würde helfen, „dass normalerweise im Januar und Februar die ganzen | |
| Oscarfilme herauskommen“, sagt sie, „aber derzeit warten die Filmverleiher | |
| lieber auf bessere Zeiten. Gerade ist nicht so viel da an Arthousefilmen, | |
| die auch Geld bringen.“ Und Christian Suhren blickt mit gesunder Skepsis in | |
| die nahe Zukunft, wenn er sagt: „Die Leute, die jetzt ins Kino gehen, | |
| wollen auch unbedingt ins Kino. Damit der Saal aber wieder wirklich voll | |
| werden soll, müssen auch andere kommen, die sich vielleicht das Kino | |
| inzwischen etwas abgewöhnt haben.“ | |
| ## Berlinale goes Kiez | |
| Dass man sich wieder an das Kino erinnert oder es nicht vergisst, dafür | |
| wird sicherlich die in ein paar Tagen startende Berlinale sorgen. Sven | |
| Loose, Programmverantwortlicher für das Friedrichshainer Kino Intimes, ist | |
| jedenfalls voller Vorfreude. Das Intimes ist erstmalig mit dabei bei der | |
| Reihe „Berlinale goes Kiez“, bei der nun zum zwölften Mal auch kleinere | |
| Kinos, vor denen kein roter Teppich ausgelegt wird, Teil des großen | |
| Filmfestivals werden können. Er wisse „die mit der Einbindung in das | |
| Festivalprogramm verbundene höhere Aufmerksamkeit sehr zu schätzen“, sagt | |
| er, und freue sich, an der beliebten Kiez-Festivalreihe teilzunehmen. | |
| Das Intimes kann einen Publicity-Booster gerade besonders gut gebrauchen. | |
| Es wird mitbetrieben von dem Friedrichshainer Kinokollektiv der Tilsiter | |
| Lichtspiele, das auch den Kulturort Zukunft am Ostkreuz unterhält, [3][wo | |
| es ein weiteres Kino gibt]. Doch das Zukunft könnte bald Geschichte sein, | |
| der Mietvertrag, der bis Ende März dieses Jahres läuft, wurde nicht | |
| verlängert. Und obwohl sich auch die kommunale Politik vehement für den | |
| Erhalt des Ortes einsetzt, bleibt der Eigentümer, auf dessen Gelände sich | |
| das Zukunft befindet, bislang stur. | |
| Manuel Godehardt vom Tilsiter-Kollektiv sagt zum aktuellsten Stand: „Wir | |
| stecken in Verhandlungen mit dem Vermieter. Ob es eine Verlängerung gibt, | |
| steht noch in den Sternen. Mehr können wir dazu leider gerade nicht sagen.“ | |
| Das Ende des Zukunft am Ostkreuz, gerade jetzt während der Pandemie, „würde | |
| dann auch das Kino Intimes und die Tilsiter Lichtspiele und die an diesen | |
| Standorten arbeitenden Mitarbeiter hart treffen“. | |
| Corona konnte den Berliner Kinos bislang nichts anhaben. Es ist ein | |
| drohender Investor, der drei Friedrichshainer Lichtspielhäusern gefährlich | |
| werden könnte. Klingt wie ein schlechter Film. | |
| 4 Feb 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://yorck.de/corona | |
| [2] /Szene-Kinos-und-die-Berlinale-in-Berlin/!5377638 | |
| [3] /Friedrichshainer-Kulturort-gekuendigt/!5791385 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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