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# taz.de -- Dystopische Serie „Station Eleven“: Überleben allein reicht ni…
> In der Pandemie eine Serie über eine Pandemie zu machen, ist gewagt. Doch
> „Station Eleven“ überzeugt, auch weil Platz für Humor und Leichtigkeit
> ist.
Bild: Visuell hebt sich die HBO-Serie von anderen Dystopien ab
Eine Serie über eine [1][Pandemie und ihre Folgen] – will man das wirklich
sehen? Kann die Geschichte eines mutierten Grippevirus, das innerhalb
kürzester Zeit den Großteil der Menschheit ausrottet, als Unterhaltung
dienen, während wir nach zwei Jahren noch immer von einer Coronawelle in
die nächste taumeln und ein Ende nicht abzusehen ist? Um es gleich einmal
vorwegzunehmen: Ja, das funktioniert. Und zwar so gut, dass man sich
„Station Eleven“ unbedingt ansehen sollte.
Aber der Reihe nach. Die zehnteilige Serie, die auf dem gleichnamigen,
[2][in den USA gefeierten Roman von Emily St. John Mandel basiert], beginnt
in unserer Gegenwart mit einem Theaterabend in Chicago. Auf der Bühne steht
Hollywoodstar Arthur Leander (Gael García Bernal) als König Lear, und als
der mitten im Stück einen Herzinfarkt erleidet, ist Journalist Jeevan
(Himesh Patel) der erste im Publikum, der zu helfen versucht.
Wenig später hat er die unbeaufsichtigte Kinderschauspielerin Kirsten
(Matilda Lawler) in seiner Obhut, als ein Anruf seiner Schwester kommt: Als
Ärztin erlebt sie früher als andere, wie fatal sich die Virusmutation
verbreitet, weswegen sich Jeevan und Kirsten kurzerhand mit Vorräten
eindecken und bei seinem Bruder (Nabhaan Rizwan) verbarrikadieren, während
vorm Fenster die ersten Flugzeuge vom Himmel zu stürzen beginnen.
Nach dieser ersten, von [3][Hiro Murai („Atlanta“)] eindrucksvoll
inszenierten Episode springt die Handlung auch in andere Zeitebenen. 20
Jahre nach der Pandemie hat Kirsten (nun gespielt von Mackenzie Davis)
gemeinsam mit Gleichgesinnten die Travelling Symphony gegründet, eine
Schauspiel- und Musiktruppe, die rund um die Großen Seen von einer kleinen
Überlebendenkolonie zur nächsten zieht und Shakespeare-Stücke aufführt.
## Patchworkartiges Erzählmuster
Doch es gibt auch Rückblenden, nicht nur in die Zeit rund um den
Virusausbruch, sondern auch davor, in denen wir mehr erfahren über Kirsten
und Jeevan, aber auch über Arthur und die Menschen in seinem Leben.
Wer die Romanvorlage nicht kennt, wird ein wenig brauchen, um sich
einzufinden in das patchworkartige Erzählmuster von „Station Eleven“. Das
ständige Hin- und Herspringen zwischen den Zeitebenen, das in vielen
anderen Serien als bloßer Manierismus nervt, entwickelt hier durchaus
seinen Reiz. Nicht zuletzt, weil immer wieder ganze Folgen einzelnen
Nebenfiguren wie Miranda (Danielle Deadwyler) gewidmet sind, die mal mit
Arthur liiert war und Schöpferin der Titel gebenden Graphic Novel über
einen einsamen Astronauten ist, an die sich Kirsten noch Jahrzehnte später
klammert.
Nicht zuletzt an Bildsprache und Farbpalette lässt sich meist recht gut
erkennen, wo in der Handlung wir uns gerade befinden. Visuell hebt sich
„Station Eleven“ ohnehin von vergleichbaren Geschichten ab: Wo die meisten
Dystopien in ausgeblichen-düsterem Einerlei versinken, leuchtet hier nicht
nur das satte Grün der Natur. Das passt zum Erzählton, den Schöpfer und
Showrunner Patrick Somerville gewählt hat.
Natürlich setzt auch diese Serie auf Spannung, es gibt Gewalt und brutale
Todesfälle, die nicht nur mit Pandemie und Überlebenskampf, sondern auch
mit einem mysteriösen Sektenführer (Daniel Zovatto) zusammenhängen. Doch
dazwischen ist auch Platz für Humor und Leichtigkeit, für Zitate aus
Emmerichs „Independence Day“ oder Songs von A Tribe Called Quest. Und der
Grundton der Serie ist ein hoffnungsvoller, getreu des Mottos der
Travelling Symphony: survival is insufficient. Überleben alleine reicht
nicht, es braucht auch Freundschaft, Zusammenhalt und Kunst. Was man
natürlich auch in unserer Realität nicht oft genug hören kann.
3 Feb 2022
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## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
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