| # taz.de -- Bremer „Arisierungs“-Mahnmal wird gebaut: Erinnerung bekommt ei… | |
| > In Bremen soll im Sommer das „Arisierungs“-Mahnmal gebaut werden. | |
| > Durchgesetzt hat sich ein Standort in unmittelbarer Nähe von Profiteur | |
| > Kühne+Nagel. | |
| Bild: Das Mahnmal soll nun gleich unterhalb der Firmenzentrale von Kühne+Nagel… | |
| Bremen taz | Das einst von der taz initiierte „Arisierungs“-Mahnmal in | |
| Bremen soll im Sommer dieses Jahres gebaut werden. Das möchte die | |
| rot-grün-rote Landesregierung am Dienstag beschließen. Im Juni soll es | |
| losgehen, heißt es in der Senatsvorlage. Die Kosten werden auf 476.000 Euro | |
| beziffert. | |
| Damit endet eine seit 2015 währende Debatte um den richtigen Ort der | |
| Erinnerung an die komplette Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung | |
| Europas, an der Bremen als Hafen- und Logistikstadt besonderen Anteil | |
| hatte. | |
| Die „Arisierung“, wie der Raub jüdischen Eigentums genannt wurde, hatte in | |
| Bremen – trotz eines nicht sehr hohen jüdischen Bevölkerungsanteils – | |
| besondere Dimensionen. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen flüchteten | |
| zahlreiche jüdische Familien aus ganz Deutschland über Bremerhaven, mussten | |
| dort oftmals ihren Besitz zurücklassen. Der wurde dann auf sogenannten | |
| „Juden-Auktionen“ zugunsten der Finanzbehörde versteigert. Diese Dimension | |
| des Verbrechens teilt Bremen mit anderen Auswanderungshäfen wie Hamburg. | |
| Bremen ist aber auch Stammsitz der Firma [1][Kühne+Nagel], dem heute | |
| weltweit drittgrößten Logistik-Konzern. Die Firma war, ebenso wie andere | |
| Bremer Speditionen, am „Auswanderer-Geschäft“ beteiligt. | |
| ## Kühne+Nagel leugnete und bagatellisierte | |
| Sie „internationalisierte“ ihr Geschäftsfeld durch unmittelbar nach dem | |
| Einmarsch der Wehrmacht errichtete Niederlassungen in den besetzten Ländern | |
| Westeuropas, denen eine zentrale Rolle beim Abtransport jüdischer | |
| Besitztümer zukam. Mit zehntausenden Waggon- und hunderten von | |
| Binnenschiff-Ladungen bewegten sich die dabei erzielten Profite in völlig | |
| anderen Dimensionen als das Auswanderungs-Geschäft, auf das sich die | |
| anderen Bremer Speditionen beschränkten. Der damalige „Gau Weser-Ems“ | |
| erhielt fast ein Drittel der unter den „Gauen“ des NS-Reichs verteilten | |
| jüdischen Habe aus Westeuropa. | |
| Der Konzern feierte 2015 in Bremen sein 125-jähriges Jubiläum – die | |
| NS-Profite des Unternehmens wurden dabei [2][beharrlich bagatellisiert,] | |
| anfangs sogar [3][komplett geleugnet]. | |
| Den Unterstützer:innen des Mahnmals aus der Zivilgesellschaft und der | |
| jüdischen Gemeinde in Bremen war deshalb an einem [4][Standort] gelegen, | |
| der möglichst nahe an der neuen Firmenzentrale von Kühne+Nagel an der Weser | |
| liegt. Im Gespräch waren jedoch Standorte weitab davon, etwa am Europahafen | |
| oder an der weserabwärts gelegenen Bremer Jugendherberge. Als Ergebnis | |
| einer langen nächtlichen Koalitionssitzung der damaligen rot-grünen | |
| Landesregierung sollte das schon [5][2016] von der Bremischen Bürgerschaft | |
| beschlossene Mahnmal schließlich an der Schlachte gebaut werden, mitten in | |
| die Sitzstufen, aber immerhin schon in Sichtweite von Kühne+Nagel. Dort | |
| wäre das Mahnmal aber deutlich teurer geworden – der Senat beziffert die | |
| Kosten auf rund 723.000 Euro. | |
| Nun soll das Mahnmal direkt an den Weserarkaden an der | |
| Wilhelm-Kaisen-Brücke gebaut werden, gleich unterhalb der Firmenzentrale. | |
| Der aus einem Gestaltungswettbewerb als Sieger hervorgegangene Entwurf | |
| stammt von Evin Oettingshausen. Wer oben darüber läuft, sieht ein Loch mit | |
| Panzerglas über einem fast sechs Meter hohen Schacht und unten ein bisschen | |
| Licht. Geht man die Treppenstufen nach unten, zur Weser, wird ein leerer | |
| Raum sichtbar. An dessen Wänden sind die Schattenrisse von Möbeln und | |
| anderen geraubten Einrichtungen zu ahnen. | |
| ## Neuer Standort: billiger, aber besser | |
| „Die Entscheidung für den Brückenstandort ermöglicht eine ungleich bessere | |
| Umsetzung der Mahnmalkonzeption bei erheblich geringerem Kostenaufwand“, | |
| sagt Initiator Henning Bleyl, heute Landesgeschäftsführer der grünennahen | |
| Heinrich-Böll-Stiftung. Das Mahnmal muss vor Beginn der Sturmflutsaison | |
| fertig werden, hermetisch dicht, beheizt und klimatisiert sein. Die | |
| jährlichen Instandhaltungskosten für das Kulturressort werden auf 8.000 | |
| Euro beziffert. | |
| An den Kosten beteiligt werden sollen neben der Stadt auch | |
| Speditionsunternehmen und Privatpersonen – so hat es die Bremische | |
| Bürgerschaft schon 2016 beschlossen. Für die Gestaltung des | |
| Mahnmal-Innenraums sollen [6][mit einer Spendenkampagne des Vereins | |
| „Erinnern für die Zukunft“] etwa 40.000 Euro aus der Zivilgesellschaft | |
| zusammenkommen. | |
| Auch die Profiteure von damals sollen sich beteiligen: „Ich erwarte, dass | |
| die Bremer Speditionsunternehmen wie Kühne+Nagel einen erheblichen Teil der | |
| Baukosten übernehmen“, sagt Miriam Strunge, stellvertretende | |
| Fraktionsvorsitzende der Linkspartei. Das Gedenken selbst beginnt ohnehin | |
| erst danach: „Mit dem Bau des Mahnmals ist das Thema nicht beendet“, sagt | |
| die grüne Kulturpolitikerin Kai Wargalla. „Die Erinnerungsarbeit kann nun | |
| endlich forciert werden.“ | |
| 1 Feb 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Archiv-Suche/!5773220&s=Arisierung+Mahnmal&SuchRahmen=Print/ | |
| [2] /Standort-des-Arisierungs-Mahnmals/!5644402 | |
| [3] /Die-Kuehne-Story-Wie-ein-Traditions-Unternehmen-Jubilaeum-feiert/!5214922 | |
| [4] /Bremer-Arisierungs-Mahnmal/!5781861 | |
| [5] https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp19/stadt/drucksache/D19S… | |
| [6] http://www.erinnernfuerdiezukunft.de/der-verein/spenden | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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