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# taz.de -- Bücher zur politischen Lage der USA: Demokratie am Abgrund
> Zwei neue Bücher von US-Politikbeobachtern sind erschienen. Sie machen
> wenig Hoffnung auf ein endgültiges Ende der Ära Donald Trump.
Bild: Make America great again, again, again: Mit Donald Trump könnte in der P…
Vor einigen Wochen hatten wir Gelegenheit, mit Adam Schiff zu sprechen. Er
ist seit zehn Legislaturperioden hochrangiges Mitglied des
US-amerikanischen Repräsentantenhauses, wo er den 28. Bezirk des
Bundesstaates Kalifornien repräsentiert.
Weit darüber hinaus bekannt wurde er [1][2019 als Vorsitzender des
Ausschusses, der das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump]
betrieb. Aus dem Impeachment wurde bekanntlich nichts, seine
republikanischen Kollegen hatten nicht den Schneid, den permanenten
Amtsmissbrauch ihres Präsidenten zu sanktionieren. Danach hatte der
61-Jährige Zeit und schrieb ein Buch über den Aufstieg und Fall der
Präsidentschaft Trumps.
„Midnight in Washington: How We Almost Lost Our Democracy and Still Could“
stellte er an einem freundlichen Novembernachmittag in einer Buchhandlung
in Brentwood vor; schon der Buchtitel zeichnet ein wenig optimistisch
stimmendes Sittenbild der US-Demokratie, die buchstäblich am Abgrund steht.
Es ist der Report eines Demokraten, der im Zustand wachsender Verzweiflung
den Verrat der Republikanischen Partei miterleben muss. Und die beschränkte
Neigung seiner eigenen Partei, dagegen etwas zu unternehmen.
Unterdessen sitzt Adam Schiff im nächsten Kongress-Ausschuss, der die
[2][Vorgänge am 6. Januar 2021] untersuchen soll. Gerade hatte man Steve
Bannon einbestellt („We’ve got him“), einen der Drahtzieher dieses
Putschversuchs und Motor der gesamten kriminellen Präsidentschaft von
Donald Trump. Daran, dass dieser den Mob vom Oval Office aus gegen die am
6. Januar angesetzte Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden aufgehetzt
hatte, kann nach vielen Zeugenaussagen kein Zweifel mehr herrschen.
## Nicht so sein wie „sie“
Warum wird er dann nicht angeklagt, fragte der Moderator der
Buchvorstellung Adam Schiff, der mir erschöpft und resigniert vorkam. „Weil
wir nach den Regeln spielen. They don’t.“ Und „wir“ wollen nicht so sein
wie „sie“.
Vor Untersuchungsausschüssen und Gerichten bedarf es nämlich hieb- und
stichfester Beweise, wenn man einen Expräsidenten – wie vergangene Woche
einen Unterstützer, Stewart Rhodes, Boss der [3][rechtsradikalen „Oath
Keepers“-Miliz] – wegen „aufrührerischer Verschwörung“ anklagen und i…
nachweisen will, dass er die rechtmäßige Regierung der Vereinigten Staaten
stürzen und beseitigen wollte.
Wenn man Dokumentationen des 6. Januar anschaut und die Rekonstruktion der
dramatischen Tage durch Bob Woodward und Robert Costa studiert – „Peril“
heißt ihr gemeinsames Buch –, erscheint die Rolle des Anstifters
sonnenklar. Trump hatte seine militante Anhängerschaft nach Washington
eingeladen („It’ll be wild!“), er hatte sie in einer Rede unzweifelhaft
animiert, zum Kapitol zu marschieren und dort die reguläre Stimmauszählung
zu verhindern.
Das war ein formaler Akt des Vizepräsidenten Mike Pence, den Trump die Tage
zuvor enorm unter Druck gesetzt hatte, schwere Unregelmäßigkeiten bei der
„gestohlenen Wahl“ zu fingieren und ihm eine Mehrheit zu bescheinigen. Dass
er den einmal aufrechten Pence als Verräter betrachtete, ließen Trumps
Twitter-Botschaften deutlich ahnen; als der Mob die Sitzungssäle des
Capitol erobert hatten, wollten sie ihn aufhängen, der mitgebrachte Galgen
stand draußen bereit.
## Bittere Quintessenz
So wie die beiden Journalisten der Washington Post diese dramatischen
Ereignisse schildern, könnte man meinen, sie wären live dabei gewesen. 200
anonyme Zeugen haben sie befragt und oft wörtlich zitiert, um den genauen
Gang der Dinge zu rekonstruieren. Man mag das glauben oder nicht, doch an
Woodwards Recherchekünsten ist nach seinen vielen Insidergeschichten,
beginnend mit der legendären Watergate-Enthüllung, wenig zu zweifeln.
Bereits seine letzten beiden Bücher – „Furcht“, 2018 und „Wut“, 2020…
haben sich schon mit der Ära Trump befasst.
Dass diese noch gar nicht beendet sein könnte, ist die bittere Quintessenz
des neuen Buches, auch wenn es mit Joe Bidens Amtsantritt und ersten
Initiativen schließt. Von Mar-a-Logo aus bereitet Trump seine Wiederwahl
vor, und aus dem 6. Januar 2021 hat er etwas gelernt: Dass er es bei der
nächsten Wahl nicht auf einen neuerlichen Betrug nach der Wahl und einen
stümperhaft ausgeführten Staatsstreich ankommen lassen will, sondern durch
die vorherige Manipulation des Wahlprozesses und eine ihm nützliche
Zusammensetzung des Wahlmännergremiums in den Bundesstaaten einen Wahlsieg
erzwingen wird.
Adam Schiffs Sorgenfalten kann man gut verstehen, denn kein Republikaner
stemmt sich ernsthaft gegen diesen Coup d’Etat mit Ansage. In letzten
Umfragen lagen die servilen Republikaner durchgängig vor den uneinigen
Demokraten, und Trumps „approval rate“ allen Ernstes über der von Joe
Biden.
24 Jan 2022
## LINKS
[1] /Amtsenthebungsverfahren-gegen-Trump/!5647509
[2] /Bildsprache-im-Sturm-auf-das-Kapitol/!5826575
[3] /Gefahr-durch-Milizen-bei-US-Wahl/!5722432
## AUTOREN
Claus Leggewie
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