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# taz.de -- 50 Jahre Bloody Sunday in Nordirland: Kämpferisches Gedenken in De…
> In nordirischen Derry erinnern Tausende an den 50. Jahrestag des Bloody
> Sunday 1972. Viele sind wütend, dass niemand zur Verantwortung gezogen
> wurde.
Bild: Tausende waren aus ganz Irland angereist, um des Bloody Sunday zu gedenken
Derry taz | Es war ein Heimspiel. Als der frühere Chef der britischen
Labour Party, [1][Jeremy Corbyn], die Bühne in der Guildhall in Derry,
Nordirlands zweitgrößter Stadt, betrat, wurde er mit minutenlangem Beifall
empfangen. Am Ende seiner Rede zum [2][50. Jahrestag des Bloody Sunday]
bekam er stehende Ovationen.
Corbyn sagte, es sei ein Skandal, dass keiner der Soldaten des 1.
Fallschirmjägerregiments, die am 30. Januar 1972 in eine
Bürgerrechtsdemonstration feuerten und 14 Menschen ermordeten, jemals zur
Rechenschaft gezogen wurde. Darüber hinaus prangerte er das geplante
Amnestiegesetz an, das verhindern soll, dass britische Soldaten für Taten,
die sie vor 1998 begangen haben, strafverfolgt werden.
Irlands Präsident [3][Michael D. Higgins] sagte in einer Online-Rede, die
auch nach Derry übertragen wurde, dass der Bloody Sunday selbst nach 50
Jahren fest im Gedächtnis der Nation verankert sei. Das war in Derry am
Wochenende zu spüren. In jedem Geschäft in der Innenstadt, auch in den
Filialen britischer Ladenketten, hingen Plakate, die auf die
Veranstaltungen zum Jahrestag hinwiesen. In den Läden und Pubs diskutierten
auch jüngere Leute über das Massaker und die Gedenkfeiern.
## Das Motto: One World, One Struggle
Fast jede Familie am Westufer des Foyle ist irgendwie mit dem Bloody Sunday
verbunden, weil ein Familienmitglied an der Demonstration teilgenommen hat
oder dabei gar verletzt worden ist. Der Fluss teilt die Stadt, die direkt
an der Grenze zur Republik im Nordwesten der Insel liegt, in eine
protestantisch-unionistische und eine katholisch-republikanische Hälfte
– mit Ausnahme einer protestantischen Enklave auf der Westseite.
Derry ist von britischen Politikern vernachlässigt worden, weil die Stadt
schon immer mehrheitlich katholisch war. Investitionen gingen in die
protestantischen Gegenden. So nahm auch die Bürgerrechtsbewegung Ende der
sechziger Jahre in Derry ihren Anfang.
Ihre Forderungen waren moderat: gerechte Job- und Wohnungsvergabe,
Wahlrecht für alle. Bei Kommunalwahlen durften nämlich nur Hauseigentümer
wählen, was bedeutete, dass manch protestantischer Ladenbesitzer bis zu 40
Stimmen hatte, während viele Katholiken leer ausgingen. Trotz einer
Zweidrittelmehrheit von Katholiken wurde die Stadt mehr als ein halbes
Jahrhundert lang von Protestanten regiert.
Das Wochenende stand unter dem Motto „[4][One World, One Struggle]“. Die
Wut ist immer noch spürbar, vor allem, weil aus der Untersuchung einer
Kommission, die 2010 zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Soldaten
unrechtmäßig gehandelt haben, keine Anklagen oder wenigstens eine
Entschuldigung des Fallschirmjägerregiments gefolgt sind.
Kay Duddy, die Schwester von Jackie Duddy, dem 17-Jährigen, der damals als
Erster erschossen worden war, sagte, sie wünsche sich, dass der Soldat, der
die Kugel abgefeuert hat, den Anstand aufbringen könne, es zuzugeben.
## Jeremy Corbyn: Zeit für ein Referendum über Irlands Einheit
Am Sonntagmorgen nahm Kay Duddy an dem Gedenkmarsch der Verwandten der
Ermordeten teil. Er folgte derselben Strecke, die der Demonstrationszug
damals genommen hatte. Am Bloody Sunday Monument in der Rossville Street,
wo die meisten der Opfer erschossen worden waren, legten sie einen Kranz
nieder. Menschen aus allen Teilen Irlands waren in Sonderbussen angereist
und säumten die Straße.
Auch [5][Bernadette McAliskey], die 1969 als 21-jährige ins Londoner
Unterhaus gewählt worden war, war gekommen. Am Tag nach dem Bloody Sunday
hatte sie den damaligen britischen Innenminister Reginald Maudling im
Unterhaus geohrfeigt. Im Januar 1981 wurden sie und ihr Mann durch Schüsse
eines loyalistischen Mordkommandos in ihrem Haus, das unter Beobachtung der
Armee stand, schwer verletzt. Sie ist überzeugt, dass der Anschlag von der
britischen Regierung angeordnet worden war.
Jeremy Corbyn sagte in seiner Rede in der Guildhall, dass die britische
Regierung endlich erläutern müsse, was die Voraussetzungen für ein
Referendum über die Vereinigung Irlands seien. Im Belfaster Abkommen von
1998 heißt es schwammig, dass der britische Nordirlandminister ein solches
Referendum anordnen könne, wenn er der Meinung sei, dass es eine Mehrheit
für eine Vereinigung gebe.
Kurz nach Corbyns Rede meldete sich auch der britische Premier Boris
Johnson zu Wort. „Der Bloody Sunday war ein tragischer Tag in unserer
Geschichte“, twitterte er. „Wir müssen daraus lernen, versöhnen und für
eine friedliche Zukunft für Nordirland sorgen.“
30 Jan 2022
## LINKS
[1] /Jeremy-Corbyn-in-der-Labourpartei/!5725638
[2] /Bloody-Sunday-und-Brexit/!5828800
[3] /Praesidentschaftswahl-in-Irland/!5108760
[4] https://chuffed.org/project/bloodysundayoneworldonestruggle
[5] /Archiv-Suche/!1283877
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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