| # taz.de -- Hass gegen Fußballer: Welker Mohn | |
| > Weil sich Profifußballer James McClean weigert, das Gedenken an gefallene | |
| > britische Soldaten mitzutragen, wird der Nordire heftig angefeindet. | |
| Bild: Ziel anti-irischer Anfeindungen: James McClean (l.) im Trikot von Stoke C… | |
| DUBLIN taz | Es wäre wünschenswert, dass seine Frau und seine drei kleinen | |
| Kinder zusehen müssen, wie er verbrenne. Diese Nachricht erhielt der in | |
| England spielende nordirische Fußballer James McClean. Solche anti-irischen | |
| und rassistischen Hassbotschaften bekomme er fast täglich, sagte McClean in | |
| einem Interview im irischen Radiosender RTÉ am Mittwoch. „Die Nachricht | |
| stammte von einem Kind, der Knabe sieht auf dem Foto nicht älter aus als 13 | |
| oder 14“, sagte er. „Diese Art von Hass sollte niemand in diesem Alter | |
| haben. Wo hat er das gelernt?“ | |
| McClean stammt aus dem nordirischen Derry, spielt aber in der | |
| Nationalmannschaft der Republik Irland. Vor knapp zehn Jahren wechselte er | |
| von seinem Heimatverein Derry City zum FC Sunderland, kickte dann für Wigan | |
| und West Bromwich Albion. Inzwischen ist er 31 und spielt für Stoke City in | |
| der zweiten englischen Liga. | |
| Er gibt den englischen Medien eine Mitschuld an den Drohungen und | |
| Beschimpfungen. „Sie müssen sich nie rechtfertigen für das, was sie | |
| schreiben“, sagt er. „Sie stellen mich in England immer als antibritisch | |
| dar. Selbst wenn sie über meine Wohltätigkeitsarbeit berichten, kommen | |
| immer auch ein paar Absätze über die Sache mit der Mohnblume.“ | |
| Die Sache ist neun Jahre her. Damals hatte McClean sich geweigert, bei | |
| einem Spiel am November-Gedenktag für die Angehörigen der britischen | |
| Streitkräfte, die im Dienst gestorben sind, die [1][traditionelle | |
| Mohnblume] zu tragen. Die eigenen Fans hielten ihn danach für einen | |
| Schurken. Einer schrieb, er werde eine Pistole zum nächsten Spiel | |
| mitbringen. Als McClean einem Kind nach einem Spiel sein Trikot schenken | |
| wollte, riss der Vater dem Kind das Trikot aus der Hand und warf es dem | |
| Fußballer ins Gesicht. | |
| In einem Brief an den Vereinsboss Dave Whelan erklärte McClean seine | |
| Weigerung, die Mohnblume zu tragen: „Die Blume hat für Menschen aus | |
| Nordirland und besonders aus Derry, wo 1972 das [2][Massaker am Bloody | |
| Sunday] stattgefunden hat, eine andere Bedeutung.“ Damals hatte eine | |
| Fallschirmjägereinheit der britischen Armee 14 unbewaffnete Demonstranten | |
| ermordet. „Es wäre für mich eine Respektlosigkeit gegenüber den | |
| unschuldigen Opfern gewesen, die Mohnblume zu tragen“, schrieb McClean. | |
| ## Patronen und Drohbriefe | |
| Neun Jahre später erhält er immer noch Morddrohungen. Er habe sämtliche | |
| Drohbriefe und Patronen, die per Post kamen, an die Polizei weitergegeben. | |
| „Die hat nie etwas unternommen“, sagt er und beklagt sich, dass er auch von | |
| der antirassistischen Fußballorganisation „Kick It Out“ kaum Unterstützung | |
| erhalten habe. „Sie behaupten, sie hätten mich einmal unterstützt“, sagt | |
| James McClean. „Aber die Beleidigungen sind nicht einmalig, sie gehen ja | |
| immer weiter.“ | |
| Auf einem Flug nach Newcastle zum Beispiel saß McClean neben einem | |
| englischen Soldaten. „Er schien nett zu sein“, sagt er. „Er fragte mich, … | |
| er ein Foto machen dürfe. Dann lud er es auf Twitter hoch und schrieb dazu, | |
| er habe gerade ein Foto von diesem Drecksack gemacht.“ Es sei nun schon so | |
| weit, dass er sich frage, ob es jemand ehrlich meine, wenn er um ein Foto | |
| bitte, sagt James McClean. | |
| Er sei jetzt an die Öffentlichkeit gegangen, damit die nächste Generation | |
| irischer Fußballer in England nicht unter ähnlichen Bedingungen leiden | |
| müsse. Ihr fünfjähriger Sohn sei fußballverrückt, sagt McCleans Frau Erin. | |
| Er wolle später für Stoke City spielen. „Man will doch nicht, dass der | |
| eigene Sohn und andere junge Iren, die nach England kommen, demselben | |
| Rassismus ausgesetzt sind“, sagt Erin McClean. „Wenn wir mal ausgehen, | |
| werden wir beschimpft und bespuckt.“ | |
| Nach James McCleans Radiointerview am Mittwoch meldete sich der irische | |
| Premierminister Micheál Martin zu Wort. McClean und seine Familie haben | |
| seine volle Unterstützung, sagte er: „Soziale Medien geben im besten Fall | |
| jedem eine Stimme. Im schlimmsten Fall sind sie giftig und grausam. Es ist | |
| gut, dass er die jahrelangen entsetzlichen Beschimpfungen öffentlich | |
| gemacht hat.“ | |
| Das sei aber kein Schrei nach Mitleid, sagt James McClean: „Mitleid hilft | |
| hier gar nicht. Ich habe massenhaft Nachrichten von Spielern, Ex-Spielern | |
| und einem breiten Publikum bekommen, die erklären, dass sie in | |
| Großbritannien täglich anti-irischen Beschimpfungen ausgesetzt sind, aber | |
| lieber nicht den Mund aufmachen. Es geht mir nicht nur um mich, es geht | |
| auch um diese Menschen. Wir dürfen diesen Rassismus nicht länger | |
| hinnehmen.“ | |
| 20 Feb 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Remembrance_Poppy | |
| [2] https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/241526/bloody-sunday | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
| ## TAGS | |
| Premier League | |
| Nordirland | |
| Irischer Fußball | |
| Fußball | |
| Boris Johnson | |
| Nordirland | |
| Irland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| 50 Jahre Bloody Sunday in Nordirland: Kämpferisches Gedenken in Derry | |
| In nordirischen Derry erinnern Tausende an den 50. Jahrestag des Bloody | |
| Sunday 1972. Viele sind wütend, dass niemand zur Verantwortung gezogen | |
| wurde. | |
| Großbritanniens Nordirland-Ministerin: Nur noch den Kopf schütteln | |
| Die britische Ministerin Karen Bradley behauptet, dass fast alle Morde im | |
| Nordirlandkonflikt von Terroristen verübt wurden. Das sorgt für Aufruhr. | |
| Fußball-EM-Qualifikation: Inflationsopfer aus Irland | |
| Gegen Deutschland muss Irland einige Ausfälle verkraften. Schwerer wiegt, | |
| dass die Jungprofis in ihren Klubs nicht zum Einsatz kommen. | |
| Kommentar Bloody Sunday: Spätes Eingeständnis | |
| Lange mussten sich die Angehörigen der Opfer Lügenmärchen über die Vorfälle | |
| am Bloody Sunday anhören. Der Untersuchungsbericht macht damit nun endlich | |
| Schluss. |