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# taz.de -- Schutz für Frauen in Schleswig-Holstein: Mit Vernetzung gegen Femi…
> Der Informationsaustausch zwischen Polizei und Beratungsstellen wird
> vereinfacht. Durch Gewalt gefährdete Frauen sollen besser geschützt
> werden.
Bild: Absperrband am Tatort: In Dänischenhagen kam die Polizei zu spät
Bremen taz | Schleswig-Holstein möchte Frauen besser vor [1][häuslicher
Gewalt] schützen. Eine Gesetzesänderung soll dafür sorgen, dass zwischen
Polizei und Beratungsstellen, also zwischen öffentlichen und
nicht-öffentlichen Stellen, mehr Informationen ausgetauscht werden können.
Die Hoffnung: Durch ein vollständigeres Bild der Lage sollen mögliche
zukünftige Eskalationen verhindert werden. Voraussetzung ist, dass die
Betroffene dem ausdrücklich zustimmt.
Es geht um eine Änderung des Polizeirechts, das in Schleswig-Holstein Teil
des Landesverwaltungsgesetzes ist, wie Tim Radtke, Sprecher des
Innenministeriums, erklärt. Die Regierung der Jamaika-Koalition hat dies
beschlossen; der Landtag muss der Gesetzesänderung noch zustimmen. Sie soll
noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten.
Aktuell sei der Austausch zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen
Stellen nur sehr eingeschränkt erlaubt, sagt Radtke. Eine Ausnahme: Wenn
die Polizei einen Täter nach Paragraf 201a des Landesverwaltungsgesetzes
für maximal vier Wochen [2][aus der Wohnung der Betroffenen verweist], sind
die Daten der Betroffenen an „geeignete Beratungsstellen zu übermitteln“.
So steht es im Gesetz. Doch das ist oft sehr spät, Prävention dadurch kaum
möglich. Zumal die Daten wieder gelöscht werden müssen, wenn die Betroffene
kein Gespräch in Anspruch nimmt.
„Im Zweifel geht es darum, Tötungsdelikte zu verhindern“, sagt Radtke. Bei
sogenannten Fallkonferenzen mit den beteiligten Kooperationspartnern wie
Beratungsstellen, Polizei und auch Jugendämtern, wenn Kinder beteiligt
sind, solle geklärt werden, ob es wieder zu Gewalt kommen könnte oder ob es
sich sogar um einen sogenannten Hochrisikofall handelt. Die Einschätzung
der Situation werde leichter, wenn die beteiligten Institutionen ihre Daten
austauschen könnten.
## Beratungsstelle hofft auf Sensibilisierung der Behörden
Und nicht nur über Täter:innen aus derselben Wohnung: „Mit der
Erweiterung können auch Daten von Personen übermittelt werden, die nicht
mit den Opfern oder möglichen Opfern in einer Wohnung leben.“
Der Gesetzentwurf sei Teil der Verbesserung des gesamten sogenannten
Hochrisikomanagements, der Datenaustausch eine Grundlage für alles weitere:
die Analyse eines Falls und das Entwickeln von Lösungen – von einem Platz
im Frauenhaus, dem Austauschen von Türschlössern bis hin zu einem
Schutzkonzept, an dem die verschiedenen Kooperationspartner mitwirken,
erklärt Radtke.
Was das in der Realität verändern kann, erklärt Katharina Wulf,
Geschäftsführerin des Landesverbands Frauenberatung Schleswig-Holstein:
„Viele Fälle von häuslicher Gewalt, bei denen es in den letzten Jahren zu
Tötungsversuchen oder Tötungen gekommen ist, waren den Behörden bekannt.“
Sie teilt die Hoffnung der Behörde, dass in den Fallkonferenzen nun früher
über Fälle gesprochen und gehandelt werden kann. Und auch, dass die
Behörden dadurch sensibilisiert werden.
Zum Beispiel für Fälle wie den von Dänischenhagen: Im Mai des vergangenen
Jahres hatte ein Mann seine von ihm getrennt lebende Frau, ihren neuen
Partner und einen weiteren Mann erschossen. „Die Frau hat alles gemacht,
was ihr zur Verfügung stand“, so Wulf: sich getrennt, Anzeige wegen
schwerer Körperverletzung erstattet, ein Näherungsverbot erwirkt. Die
Polizei hatte dem Mann bereits vor der Tat registrierte Waffen abgenommen,
die Tatwaffe gehörte wohl nicht dazu.
„Wenn man sich regelmäßig trifft, kommen aktuelle Fälle auf den Tisch“, …
Wulf. Es gebe polizeiliche Instrumente, die dann eingesetzt werden könnten,
wenn sich Menschen nicht an ein Näherungsverbot hielten oder
Wiederholungsgefahr drohe, sollten sie schon einmal gewalttätig geworden
sein.
## Die Ausstattung ist auch ein Problem
Auch Ulrike Scheen und Carolin Thomsen vom Frauennotruf Flensburg halten
die Veränderung für einen „Riesenschritt“. Damit man in den Institutionen
entsprechend handeln kann, müsse die Gesetzesänderung aber mit mehr
Ressourcen hinterlegt werden, so Thomsen: mit gut geschultem Personal. Das
gelte beispielsweise für das Jobcenter. Aber auch für ihre eigenen
Beratungen wünschen sie sich mehr Möglichkeiten zur Prävention.
Besonders wichtig finden Scheen und Thomsen, dass die Grenzen der
Betroffenen gewahrt werden; sie also entscheiden kann, ob sie die
angebotene Hilfe wirklich haben möchte.
Für die, die das nicht wollen, bringt die Gesetzesänderung nichts. Weil
auch die Beratung im Rahmen von Paragraf 201a nicht immer angenommen werde,
sagt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für
Gleichstellung, Beate Raudies, könne sie sich vorstellen, dass die
Umsetzung „schwierig“ werde. Datenschutzrechtlich gehe es zwar nicht
anders, aber deswegen werde man als Fraktion auch mit der Zeit abfragen,
wie und wie oft die Neuerung angewandt werde. „Wenn es so weit ist, wird
man sehen, ob die Frau ihre Zustimmung gibt.“
Raudies findet den geplanten Datenaustausch grundsätzlich gut. Denn häufig
sei es „die Summe der Vorfälle“, die etwa die Polizei auf häusliche Gewalt
aufmerksam macht. Mit der Änderung hätte sie mehr Handlungsspielraum. Das
reicht Raudies aber nicht. Darüber hinaus fordert sie die Möglichkeit,
Täter länger als vier Wochen aus ihrer Wohnung verweisen zu können, so wie
es in Hamburg gehe. Auch bei der Finanzierung und Ausstattung der
Frauenhäuser sieht sie mehr Bedarf: „Es ist eine Menge Arbeit zu leisten,
um die [3][Istanbul-Konvention] umzusetzen.“
22 Jan 2022
## LINKS
[1] /Prozess-um-versuchten-Femizid/!5821599
[2] /Haeusliche-Gewalt-in-Pandemiezeiten/!5750917
[3] /10-Jahre-Istanbul-Konvention/!5766207
## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
Schwerpunkt Femizide
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Gewalt gegen Frauen
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Frauen
Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
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