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# taz.de -- Bildungssenatorin Busse unter Druck: Schule in den Wechseltagen
> Nachdem die Präsenzpflicht aufgehoben wurde, sind die Schulen verstimmt.
> Sie monieren die Handhabung von Kontaktnachverfolgung und
> Quarantäne-Regeln.
Bild: Verteidigt die Aussetzung der Präsenzpflicht und lehnt längere Winterfe…
Berlin taz | Impfziel verpasst, Stress mit den Amtsärzten und in den
Schulen Ärger über die abrupte Änderung bei der Präsenzpflicht: Für
Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) ballten sich zum Wochenstart die
Probleme. Grund genug für sie, am Dienstag zum vierten Mal nacheinander in
die Pressekonferenz nach der Senatssitzung zu kommen und dazu noch zwei
Senatorinnen mitzubringen, „weil ich glaube, dass schon einige Fragen offen
sind“. Antworten gab es dabei durchaus – aber manche warfen gleich wieder
neue Fragen auf.
Eine Quote von 80 Prozent bei den Erstimpfungen bis Ende Januar hatte sich
Giffey vor drei Wochen zum Ziel gesetzt. Doch [1][die Quote] stieg in
dieser Zeit nur von 75,3 auf 76,6: Um die 80 Prozent noch zu erreichen,
müsste der Anstieg nun in weniger als einem Drittel der Zeit dreimal so
hoch sein. Giffey verwies stattdessen darauf, dass Berlin beim den über
60-Jährigen, unter denen rund 80 Prozent geimpft seien, beim Boostern und
bei Kinderimpfungen vorne liegt.
Tags zuvor hatte die Verwaltung von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse
(SPD) überraschend die [2][Präsenzpflicht an Schulen] aufgehoben. Das hieß:
Alle Eltern – und nicht nur wie zuvor schon solche, die selbst oder deren
Kinder besonders durch Corona gefährdet sind – können selbst entscheiden,
ob sie ihr Kind zur Schule schicken oder nicht.
In den Schulen reagierte man am Dienstag überrascht und vielerorts mit
Unverständnis auf diese Kehrtwende in Sachen Präsenzpflicht. Damit habe man
„nicht gerechnet“, sagte Renate Krollpfeiffer-Kuhring vom Kreuzberger
Leibniz-Gymnasium. Aus ihrer Sicht funktioniert der Stufenplan für die
Schulen bisher gut, mit dessen Hilfe Schulleitungen, Schulaufsicht und die
bezirklichen Gesundheitsämter am Ende jeder Woche das Infektionsgeschehen
an den einzelnen Schulen beurteilen – und die Schulen dann gegebenenfalls
in den Wechselunterricht schicken.
„Auch pauschalen Wechselunterricht für alle hätte ich eine klarere Ansage
gefunden als dass man jetzt den Eltern die Entscheidung zumutet, ob sie
Schule noch für einen sicheren Ort halten sollen oder nicht“, sagte
Krollpfeiffer-Kuhring.
## Probleme mit Quarantäneregeln
Unklar sei jetzt auch, was eigentlich gelte, findet die Schulleiterin. Die
Quarantäneregeln des Senats besagten immerhin etwas anderes als die Linie,
die die AmtsärztInnen jetzt für die Schulen ausgegeben hätten – was am
Dienstagmorgen auch für zahlreiche Anrufe von verwirrten Eltern gesorgt
habe: „Unser Sekretariat macht gerade quasi nichts anderes, als Eltern zu
beraten.“ Busse und Giffey stellten am Dienstag klar: In Isolation müssen
die, deren Test positiv ausfällt, nicht aber die Kontaktpersonen in der
Klasse, also meist die Sitznachbarn.
Auch bei der Berliner Vereinigung der Oberstudiendirektorinnen und –
direktoren ist man erbost: Die Kontaktdatennachverfolgung liege nun
komplett bei den Schulen – wie übrigens zuvor auch schon, sagt
Verbandsvorsitzender Arnd Niedermöller. Schon seit Monaten führten die
Schulsekretariate Kontaktlisten, telefonierten Kontaktpersonen ab und
schickten die Listen an die Gesundheitsämter: „In manchen Bezirken haben
die Schulen die Quarantäneschreiben an die Kontaktpersonen verschickt.“
Nun müssten die Schulen damit weitermachen – und außerdem noch dafür Sorge
tragen, dass sich die ermittelten Kontaktpersonen in der Schule täglich
testen. Das haben die Amtsärzte als Vorgabe gesetzt, damit die
Kontaktpersonen weiter zur Schule gehen können. Es müsse „endlich aufhören,
dass die Gesundheitsämter nach Belieben über die Ressourcen im Schulbereich
verfügen können und über schulische Abläufe bestimmen“, so der Schulleiter
eines Lichtenberger Gymnasiums.
„Die Schulen fühlen sich zu Recht völlig alleingelassen“, sagt Tom Erdmann
von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Die GEW plädiert seit
längerem dafür, den Schulen frei zu stellen, ob sie in den
Wechselunterricht gehen wollen oder nicht. „Die Präsenzpflicht auszusetzen
halte ich aber für falsch“, sagt Erdmann. Damit würden genau die Kinder
wieder aus dem Blick geraten, die ohne feste Struktur weder in die Schule
kommen noch zu Hause lernen. Ähnlich kritisierte auch der Deutsche
Lehrerverband die Berliner Entscheidung.
## Nur wenige schickten ihre Kinder nicht
Ratlos ist man bei der GEW auch angesichts des Kommunikationschaos und
eines „desaströsen Krisenmanagements“ seitens der Bildungsverwaltung. Bei
der Gesamtpersonalratssitzung am Montagvormittag sei noch keine Rede davon
gewesen. Auch der Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid sprach am
Montag von einer „entsetzlichen Dummheit“ und einer „einsamen Entscheidun…
von Bildungssenatorin Busse. Er kritisierte die Aufhebung der
Präsenzpflicht scharf: Die soziale Spaltung der Kinder werde sich
verschärfen. Busse sagte dazu in der Pressekonferenz nach der
Senatssitzung, dass sie den Kritikern ihre Wortwahl nachsehen würde.
Der Zeitpunkt für ihre Entscheidung ist aus Busses Sicht besonders günstig,
weil in den Tagen bis zur Zeugnisausgabe am Freitags als letztem Tag vor
den Winterferien nicht mehr viel passiere. Sie ging zudem davon aus, dass
die Mehrheit der Kinder in der Schule sein werde. Auf Nachfrage der taz,
wie viele Eltern ihr Kind am Dienstag zu hause ließen, nannte Busse Zahlen
für den Bezirk Neukölln, wo sie bis Dezember eine Grundschule leitete: Nach
einer ersten Abfrage hätten nur ein bis drei Prozent dieses Möglichkeit
genutzt. Die Schulleiter Niedermöller und Krollpfeiffer-Kuhring berichteten
von vereinzelter Inanspruchnahme an ihren Schulen.
GEW-Vorsitzender Erdmann sagte: „Auch nach fast zwei Jahren Pandemie werden
die Schulen an einem Nachmittag über Maßnahmen informiert, die ab dem
nächsten Morgen umzusetzen sind.“ Die Eltern würden nun erwarten, dass die
Schulen wieder Aufgaben und Material das Lernen zu Hause organisieren. Das
gehe aber nicht „von heute auf morgen“.
Bildungssenatorin Busse sah das anders: Die Lehrer würden diese Situation
seit zwei Jahren kennen. Außerdem müssten in den letzten Tagen vor den
Ferien „nicht mehr so dicke Aufgabenpakete geschnürt werden.“ Die Zeit
danach lasse sich in den Ferien vorbereiten – „das machen gute Lehrer so“.
Eine von der mitregierenden Linkspartei geforderte Verlängerung der Ferien
lehnte sie klar ab. „Das geht auf keinen Fall“, sagte Busse und begründete
das mit dann wegfallender Kinderbetreuung. Giffey setzt darauf, dass die
Präsenzpflicht ab Anfang März wieder gilt.
Zweifel kamen in der Pressekonferenz zudem daran auf, wie die
Hospitalisierungsinzidenz – die Auslastung der Kliniken mit
Corona-Patienten – erhoben wird. Giffey hatte zuvor gesagt, manche Leute
kämen mit und nicht wegen einer Corona-Infektion ins Krankenhaus. Auf die
Frage, ob sich die Einstufung nicht eindeutig durch einen Grund auf einem
Einweisungsschein oder einem Aufnahmeformular ergebe und dadurch klar sei,
gaben weder Giffey noch die ebenfalls anwesende Gesundheitssenatorin Ulrike
Gote (Grüne) eine schlüssige Antwort.
25 Jan 2022
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/corona/lagebericht/
[2] /Schulen-in-der-Omikronwelle/!5827765
## AUTOREN
Stefan Alberti
Anna Klöpper
## TAGS
Franziska Giffey
Schwerpunkt Coronavirus
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Ulrike Gote
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