| # taz.de -- Justiz in Serbien: Ja zu einer Reform der Verfassung | |
| > Die Mehrheit der Wähler*innen stimmt bei einem Referendum für eine | |
| > unabhängigere Justiz. Die Reform ist Voraussetzung für Serbiens | |
| > EU-Beitritt. | |
| Bild: Der serbische Präsident und weniger als 30 Prozent der Wahlberechtigten … | |
| Belgrad taz | War es Ermüdung, Politikverdruss oder einfach nur | |
| Desinteresse? Bei einem Referendum über Änderungen der Verfassung im | |
| Bereich der Justiz in Serbien lag die Wahlbeteiligung unter 30 Prozent. Das | |
| hatten die Gesetzgeber offenbar geahnt und deshalb unmittelbar vor dem | |
| Volksbegehren das Referendumsgesetz geändert. Bislang mussten sich mehr als | |
| 50 Prozent beteiligen, damit die Abstimmung gültig ist. Am Sonntag galt | |
| dieses Quorum nicht mehr. Am Ende stimmten 57,6 Prozent für und 41,4 | |
| Prozent gegen die Verfassungsänderung. | |
| Doch hinter diesen nackten Ergebnissen, die die allermeisten Serb*innen | |
| ebenfalls nicht wirklich interessierten, verbirgt sich der ganze | |
| europäische Zwiespalt in der serbischen Gesellschaft. Bei der | |
| Verfassungsänderung ging es nämlich um die Art und Weise, wie | |
| Richter*innen und Staatsanwält*innen gewählt werden – das heißt, um | |
| Kapitel der Beitrittsverhandlungen Serbiens mit der Europäischen Union, die | |
| auch Rechtsstaatlichkeit und Justiz umfassen. | |
| Brüssel hatte von der serbischen Regierung eine größere verfassungsmäßig | |
| garantierte Unabhängigkeit für Richter*innen und Staatsanwält*innen | |
| gefordert. Mit diesem Referendum lieferte Serbien. EU-Vertreter*innen in | |
| Serbien, auch der deutsche Botschafter, hatten das Vorhaben der Regierung | |
| gelobt und die Bürger*inn Serbiens ermutigt, wählen zu gehen und „Ja“ | |
| anzukreuzen. | |
| Paradoxerweise schenkten die ehrlichsten und authentischsten Befürworter | |
| der EU und der europäischen Werte von der links-grünen Bewegung Ne davimo | |
| Beograd (NDMGBD) der EU keinen Glauben und forderten die Bürger auf, | |
| dagegen zu stimmen. | |
| ## Andere Methoden | |
| „Nun sollen Richter*innen und Staatsanwält*innen statt im Parlament | |
| in entsprechenden Hohen Räten gewählt werden. Das bedeutet nichts anderes, | |
| als eine politische Disziplinierung des Rechtssystems mit anderen | |
| Methoden“, sagte Biljana Đordjević von NDMGBD. In der | |
| Zwei-Millionen-Hauptstadt Belgrad, wo NDMGBD hauptsächlich agiert, stimmten | |
| 54,6 gegen die Verfassungsänderung. | |
| Für einige Rechtsexpert*innen ist diese Justizreform völlig ungenügend | |
| und nur ein Feigenblatt, eine optische Täuschung, die nichts Wesentliches | |
| am Einfluss der Politik auf die Justiz ändert. Und Menschen in der EU | |
| würden entweder nicht verstehen, was in Serbien passiere – oder sie wollten | |
| das nicht sehen. Mit dem Referendum und der daraus folgenden Justizreform | |
| könne die Regierung jetzt einen Erfolg vorweisen. | |
| Die einen behaupten, dass der politische Einfluss auf diese hohen Räte | |
| erhalten bleiben würde. Andere wiederum meinen, dass die Probleme viel | |
| tiefer gingen und diese Verfassungsänderung nur in ein Teil eines ganzen | |
| Sammelsuriums rechtsstaatlicher Ungereimtheiten sei. Das größte Problem für | |
| Rechtsprofessor Miodrag Jovanović ist, dass Exekutive und Legislative in | |
| der Praxis nicht voneinander getrennt seien. | |
| Der Chef der proeuropäischen Partei Sloboda i Pravda (Freiheit und | |
| Gerechtigkeit), Dragan Đilas, hatte zum Boykott des Referendums aufgerufen. | |
| Für Verfassungsänderungen sei eine Zweidrittelmehrheit im Parlament | |
| notwendig, erklärte Đilas. Serbiens Parlament sei ein Einparteiengremium, | |
| in dem die Opposition nicht vertreten sei. Daher sei das ganze Prozedere | |
| ohnehin nicht legitim. | |
| Die gesamte Opposition behauptet immer wieder, Serbien sei [1][eine | |
| Autokratie], Staatspräsident Aleksandar Vučić habe fast alle staatlichen | |
| Institutionen ausgeschaltet und alle Entscheidungen würden in seinem | |
| engsten Umfeld getroffen. | |
| 17 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andrej Ivanji | |
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