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# taz.de -- Bürger intervenieren gegen Bürgerprojekt: Streit um Park Fiction
> Park Fiction ist ein künstlerisches Nachbarschaftsprojekt in St. Pauli.
> Nun droht es zu scheitern, weil Anwohner zur Ordnung rufen.
Bild: Ergebnis kollektiver Wunschproduktion: Der Park Fiction am Hamburger Hafen
Hamburg taz | In Hamburg St. Pauli droht ein [1][künstlerisches
Stadtentwicklungsprojekt] am eigenen Erfolg zu Grunde zu gehen. Ein von
Anwohnern in einem Akt kollektiver Wunschproduktion gestalteter Park hat
sich zu einem derart beliebten Treffpunkt entwickelt, dass ein Teil der
Nachbarschaft jetzt vom Bezirk eine Regulierung verlangt. Aus Sicht der
verantwortlichen Künstler widerspricht das dem Geist des Projekts Park
Fiction.
Direkt an der Hafenkante, mit Blick auf die Werft von Blohm+Voss, ist 2005
eine Art Wohnzimmer des Viertels eröffnet worden. Hier gibt es eine runde
Insel mit Blechpalmen, einen fliegenden Teppich aus Rasen, einen
Hundegarten, ein Holzdeck und ein Tartanfeld, auf dem Basketball gespielt
wird. Das Ganze liegt auf dem Dach einer Schulsporthalle und strahlt auch
auf den benachbarten Kirchgarten aus, wo es jetzt Mieterbeete gibt und ein
Boulefeld.
All das entstand mit Hilfe eines monatelangen Beteiligungsprozesses, bei
dem die Leute aus der Nachbarschaft – vom Kind bis zum Greis – mit Hilfe
von Pappe, Stift und Knete ihre Phantasie spielen lassen konnten. Das
Projekt Park Fiction, das dessen Schöpfer Christoph Schäfer und [2][Margit
Czenki] 2002 auf der Kasseler Documenta ausstellten, machte Schule. Auch
das Quartier anstelle der berühmten Esso-Tankstelle auf der Reeperbahn
wurde so entwickelt.
Doch aus Sicht der Anwohnerinitiative „Lärm im Park“ hat sich die gute
Idee zu einem Alptraum entwickelt. „Aus dem Ort zum Seele baumeln lassen
ist ein Ort der Gewalt, des Exzesses und der totalen Rücksichtslosigkeit
geworden“, zitiert die Hamburger Morgenpost eine Anwohnerin. Wer auf die
Straße gehe und um Ruhe bitte, riskiere „aufs Maul zu kriegen“, wird ein
weiterer Anwohner zitiert.
Auf Anregung der Initiative beantragte die Bezirksversammlung Altona beim
Senat „sozial- und ordnungspolitische Maßnahmen gegen Partylärm und offene
Drogenszene“ am „Brennpunkt Park Fiction“. Leider habe sich dort eine
ungute Szene entwickelt, heißt es in dem Antrag von CDU und Grünen:
„Gruppen von Touristen mischen sich dort mit Partyvolk und
Drogenabhängigen.“ Der Park werde rund um die Uhr genutzt, Nacht für Nacht
werde bis zum Morgen gefeiert – und irgendwann die kostenlose öffentliche
Toilette nicht mehr benutzt.
Der Bezirk forderte deshalb, die Reinigungsintervalle zu verdoppeln, einen
Sozialarbeiter für Park Fiction abzustellen, Hinweisschilder mit
Verhaltensregeln aufzustellen und die Polizei um Kontrollen zu bitten. Für
eine häufigere Reinigung gebe es kein Geld, teilte der Senat mit, und es
gebe bereits genug Straßensozialarbeiter im Viertel, die sich um
Drogenkranke kümmerten.
Die starke Präsenz der Polizei ist einem anderen Teil der Anwohner schon
jetzt zu viel. Sie werfen ihr Racial Profiling vor: Beim Versuch, den
Drogenhandel zu unterbinden, greift die Polizei regelmäßig junge Männer mit
dunkler Hautfarbe auf.
Das [3][Park-Fiction-Komitee sieht das ähnlich]. Die Bestreifung durch die
Polizei habe seit 2016 ein erschreckendes Niveau erreicht, heißt es in
einer Stellungnahme an die Bezirksversammlung. „Die absurde Einsatzdichte
hat die Lebensqualität für Schwarze Menschen in St. Pauli extrem
verschlechtert.“
Dabei setze die Polizei die falschen Prioritäten: „Während tags und abends
zu viel Polizei im Park ist, kommt sie anscheinend im akuten Bedarfsfall
nicht“, dann nämlich, wenn sie gegen eine sowieso verbotene Ruhestörung
einschreiten sollte.
## Selbermachen vs. staatliche Intervention
Doch die Kritik des Komitees ist grundsätzlicherer Art: Die staatliche
Intervention schwäche die selbst organisierte Problembewältigung, die
„trotz der Nähe zum rauhen Pflaster der Reeperbahn“ noch erstaunlich gut
funktioniere. „Konnten in der Nachbarschaft früher umfassende
Beschränkungen der Zeiten und Orte des Handels abgesprochen werden, ist
dies mit der steigenden Polizeipräsenz schwieriger geworden.“
Dabei sei ja die [4][informelle Kultur des Selbermachens „der eigentliche
Kern von Park Fiction,] als politisches Projekt, als Planungsprozess und
als Alltagskultur“. Das Funktionieren dieser Kultur sei immer fragil und
seit einiger Zeit gefährdet. Doch statt Abhilfe zu schaffen, attackiere der
Bezirk mit seinen ordnungspolitischen Forderungen nach Verbotsschildern und
„Sozialarbeit für die nicht vorhandenen Drogenabhängigen“ gerade die
selbstorganisierte Kultur.
19 Jan 2022
## LINKS
[1] /Streit-um-den-Golden-Pudel-Club/!5067781
[2] /Kuenstlerin-ueber-Stadtplanung-von-unten/!5651955
[3] https://park-fiction.net/
[4] /Kunstprofessor-ueber-Technokraten/!5056406
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
St. Pauli
Stadtplanung
Beteiligung
Hamburg
Racial Profiling
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
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