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# taz.de -- Ausstellung Gefährliche Nachbarschaften: Belastende Polizeipräsenz
> Der Park Fiction auf St. Pauli wird von den Behörden als „gefährlicher
> Ort“ eingestuft. Nun spiegelt eine Ausstellung das Verhalten der Polizei.
Bild: Nachts im Park: Die Polizei lässt den Torso auf Hans Christs Poster wie …
Hamburg taz | Schaut man die Außenwand des Golden-Pudel-Clubs hoch, fällt
der Blick auf sechs auf eine Plane gedruckte Polizisten, die fast
bedrohlich von der Fassade des Hauses auf einen runterblicken. Beinahe hat
man das Gefühl, sie würden jeden Moment aus dem Bild treten, auf einen
zukommen und fragen, was man hier eigentlich treibt.
Auf die Illustration von Nabila Malalai Attar können interessierte Besucher
derzeit auf dem Park-Fiction-Gelände einen Blick werfen. Sie ist Teil der
Open-Air-Ausstellung mit dem Namen „Gefährliche Nachbarschaften“, bei der
17 internationale Künstler der Frage nachgehen: „Wie verändert sich die
Skulptur, wenn ein Polizist danebensteht?“
Die Skulptur ist hierbei der [1][Park Fiction] am Hamburger Hafen. Hinter
der Frage verbirgt sich ein künstlerischer und politischer Protest gegen
[2][das rigorose Eingreifen der Behörden am sogenannten „gefährlichen
Ort“], als der die Grünfläche seit 2016 bezeichnet wird. Man wolle aber
auch zeigen, wie sich zum Beispiel ein Gespräch verändert, wenn ein
Polizist anwesend ist. „Ein Anruf wie ‚Hey, Sie da!‘ aus dem Mund eines
Polizisten kann eine ganz andere Bedeutung bekommen“, so der Co-Kurator und
Künstler Christoph Schäfer.
Im Jahr 1995 wurde das Park-Fiction-Kunstprojekt von St.
Paulianer*innen auf die Beine gestellt. Unter monatelanger Beteiligung
einer ganzen Nachbarschaft entstand 2005 eine Art Wohnzimmer unter freiem
Himmel. Mit seinen Palmen aus Plastik, begrasten, fliegenden Teppichen und
einem Tartanfeld hat sich der Park Fiction schnell zu einem beliebten
Treffpunkt entwickelt.
## Kollektives Wunschprojekt
Eigentlich sollte hiermit ein kollektives Wunschprojekt in Erfüllung gehen.
Unmittelbar darauf stufte der damaligen Innensenator Udo Nagel, ein
parteiloser Hardliner, das angrenzende Gelände als „Gefahrengebiet“ ein.
Damit wurde eine ganze Nachbarschaft pauschal unter Verdacht gestellt.
„Das Gefahrengebiet wurde 2015 sogar für verfassungswidrig erklärt“,
berichtet die [3][Künstlerin Margit Czenki], die schon seit der Gründung
1995 Teil des Park-Fiction-Komitees ist. „Tatsächlich aber hat sich das
Ganze unter anderem Namen fortgesetzt.“ Das Gefahrengebiet heißt nun
„gefährlicher Ort“.
Obwohl inzwischen ein begründeter Verdacht vorliegen muss, kontrollieren
die Beamten der Task Force „Drogen“ am Park Fiction in alter Manier weiter
und unterwerfen Anwohner und Besucher ihren willkürlichen Verdächtigungen.
„Die Polizisten befinden sich oft noch in der Ausbildung und kommen
meistens aus dem Umkreis von Hamburg. Sie kennen sich mit dem Leben auf St.
Pauli also gar nicht aus“, sagt Czenki. Es gab noch Zeiten, in denen Beamte
noch gewusst hätten, wo ihr Eingreifen erforderlich sei. Das wäre jetzt
anders, schlussfolgert die Künstlerin.
Auf insgesamt 17 Latexdrucken können sich die Besucher verschiedene Formen
der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema „Polizeipräsenz“
anschauen. Die meisten Werke nehmen Bezug auf das Geschehen rund um den
Park Fiction.
Eigentlich sollte die Ausstellung schon vor vier Wochen beginnen. Zunächst
hätte die Polizei aber verlangt, die Motive der Ausstellung kontrollieren
zu wollen. Dieser Zensurversuch „verdeutlicht eben auch noch mal, wie
gefährlich die Situation geworden ist“, so Czenki. Die Polizisten wüssten
ihren Aufgabenbereich nicht mehr einzuschätzen und würden ganz klar ihre
Befugnisse überschreiten.
Pina Distelmeyer und Sidney Logan illustrieren zum Beispiel das Erlebnis
der Anwohnerin Birgit Hornung, die während des Lockdowns ihren Hund
ausgeführt hatte. Dabei wurde sie gleich von fünf Polizisten beobachtet.
„Ich habe mich wie bei Asterix und das gallische Dorf gefühlt“, sagt
Hornung, die zur Eröffnung der Ausstellung gekommen ist. Dass man nur noch
Gruppen von Polizisten sehe, die einen argwöhnisch mustern, löse ein
starkes Unsicherheitsgefühl aus.
Ein ähnliches Bild zeichnet das Panorama der Filmemacherin Margit Czenki
nach. Neben einigen Momentaufnahmen nachbarschaftlichen Zusammentreffens
dominieren Bilder der Polizei. Ein Foto aus dem Panorama zeigt Beamte
dabei, wie sie eine Frau gewaltsam zu Boden drücken. „Die Frau hat gar
nichts gemacht. Sie hat den Polizisten nur widersprochen. Das ist dann in
dieser Szene geendet, wo sie von Beamten aufs Pflaster gedrückt wird“, sagt
Czenki.
Für einen kurzen Lacher sorgt die Fotografie von [4][Hinrich Schultze], der
die sonst so ordnungsliebende Polizei beim Wildpinkeln erwischt hat. „Das
Bild spricht, denke ich, mal für sich selbst“, sagt Czenki schmunzelnd.
Während man an den Illustrationen vorbeigeht, kann man selbst Zeuge der
allgegenwärtigen Polizeipräsenz werden.
13 Nov 2022
## LINKS
[1] https://park-fiction.net/
[2] /Polizeistrategie-in-Hamburg/!5835206
[3] /Kuenstlerin-ueber-Stadtplanung-von-unten/!5651955
[4] /Fotojournalist-im-Irak-festgenommen/!5774307
## AUTOREN
Tatjana Smudzinski
## TAGS
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
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Ausstellung
St. Pauli
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Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Stadtland
St. Pauli
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