# taz.de -- Streit um Quartiersentwicklung: Real wird Wunsch | |
> Initiativen starten kollektive Wunschproduktion für Ex- Rindermarkthalle | |
> in St. Pauli. Vorbild für die Planung von unten ist das Projekt Park | |
> Fiction. | |
Bild: Ort zum Mitreden: Planungswürfel vor Ex-Real-Markt. | |
Verschiedene Bürgerinitiativen haben beschlossen, die Planung für die | |
ehemalige Rindermarkthalle in St. Pauli selbst in die Hand zu nehmen. Seit | |
kurzem stehen auf dem Parkplatz vor der Halle fünf große Würfel aus Holz. | |
In dieser begehbaren Skulptur sollen Anwohner und Interessierte | |
zusammenkommen, um aus ihren Wünschen und Phantasien ein Konzept für das | |
stadtteilprägende Areal zu machen. | |
Die Halle, in der bis 1971 Rinder darauf warteten, im nahen Schlachthof | |
verwurstet zu werden, steht seit Mai vergangenen Jahres zum größten Teil | |
leer. Damals zog die Supermarktkette Real aus. Der Bezirk Mitte schlug eine | |
Konzerthalle für 4.000 Besucher als neue Nutzung vor. Viele Anwohner | |
fühlten sich überrannt und gingen auf die Barrikaden: Sie finden, dass ihr | |
Viertel keinen weiteren Besuchermagneten braucht, weil der Dom und die | |
Spiele des FC St. Pauli ohnehin schon massenhaft Leute anlocken. | |
Dem Bürgerbeteiligungsverfahren, das die Finanzbehörde als Eigentümerin und | |
der Bezirk Mitte angestoßen haben, misstrauen viele. Vor allem glauben sie | |
nicht, dass das Ergebnis wirklich offen sei. Dabei hatten GAL und SPD im | |
Bezirk zuletzt betont, dem erreichten Zwischenstand müsse ein offener | |
Beteiligungsprozess nach dem Vorbild der Messeerweiterung folgen. | |
Vorfestlegungen auf eine Musikhalle könne es nicht geben. | |
Bei diesem Verfahren lägen Vorschläge auf dem Tisch auf die sich die | |
BürgerInnen konzentrieren sollten, sagt die Anwohnerin Dagmar Richter. Bei | |
der Wunschproduktion "Unser Areal" hingegen gehe es darum, "erstmal eigene | |
Vorstellungen zu entwickeln und dann mit den Interessenunterschieden und | |
verschiedenen Herangehensweisen in den Planungsprozess zu gehen". | |
Vorbild dafür ist das Kunstprojekt "Park Fiction", aus dem der kleine Park | |
am Pinnasberg neben dem Golden-Pudel-Club hervorgegangen ist. Statt in | |
einem Container wie am Pinnasberg können die AnwohnerInnen im Falle der | |
Rindermarkthalle ihre Phantasie in den Würfeln des Künstlers Till F. E. | |
Haupt spielen lassen. Haupt hatte die Würfel als "Real Life L.A.B." schon | |
einmal in der City Nord ausgestellt und bewohnt. Nun werden sie sozusagen | |
für eine weitere soziale Plastik recycelt. | |
Die Wunschproduktion begann im Herbst mit einem Fragebogen, der an 10.000 | |
Haushalte verteilt wurde. 600 kamen zurück. "Es gibt eine wahnsinnige | |
Bandbreite an Wünschen", sagt Niels Boeing, der die Fragebögen ausgewertet | |
hat. Von einem Garten, über einen Spielplatz, Sportstätten, einer | |
Markthalle und Gewerberäumen bis zur Konzerthalle sei alles dabei gewesen. | |
Die fünf Würfel geben der Diskussion über diese Wünsche einen Ort. "Es ist | |
nicht dasselbe, ob man sowas im Web oder mit Plakaten vorantreibt oder ob | |
es einen Ort hat", sagt Boeing. In einem der Würfel ist das Ergebnis der | |
Umfrage ausgehängt; in einem anderen hängen Grundrisse, die ausgemalt | |
werden können, in einem dritten lässt sich etwas bauen, um die Träume | |
konkretisieren zu können. | |
Nach Auskunft der Finanzbehörde steht die Sprinkenhof AG, die die Halle für | |
die Stadt bewirtschaftet, in weit fortgeschrittenen Gesprächen über eine | |
Zwischennutzung. Das Würfel-Projekt sei eine"kreative Einzelaktion", die | |
sich auf einem privaten Grundstück abspiele. "Wir behalten uns vor, die | |
Würfel räumen zu lassen", sagte ein Sprecher. Entschieden sei das noch | |
nicht. | |
22 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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