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# taz.de -- Streit um Abstandsregel für Windräder: Habeck hofft auf Rückenwi…
> Robert Habeck wagt sich in die Höhle des bayerischen Löwen. In München
> will er Markus Söders Widerstand gegen Windräder brechen.
Bild: Kann sehr überzeugend sein: Robert Habeck
München taz | Um 8.30 Uhr wird der Missionar aus dem Norden in der
bayerischen Staatskanzlei erwartet. Robert Habeck heißt er. Seine Mission:
die ungläubigen Bayern auf den rechten Glaubenspfad, sprich den Weg der
Windkraft, zu bringen. Wobei: Die Bayern trifft es nicht ganz, vor allem
bei deren Oberstem, Markus Söder, will und muss Habeck Überzeugungsarbeit
leisten. Von einem „stolzen Ministerpräsident“ sprach der neue grüne
Bundesminister für Wirtschaft und Klima denn auch, am Kaffeetisch wolle er
mit ihm über dieses und jenes reden, vor allem aber über Söders sture
Haltung in Sachen Windkraft.
Am Kaffee solle es nicht scheitern, machte Söder vorab klar. „Höflichkeit
ist Teil des bayerischen Charmes. Natürlich wird in der Staatskanzlei
freundlich bewirtet“, sagt er dem Münchner Merkur, darüber hinaus scheint
der bayerische Ministerpräsident dem Gast aus dem Norden jedoch wenig
anbieten zu wollen. Konkret geht es um [1][die 10-H-Regel.] Eine
Abstandsregel, die es in dieser Schärfe nur in Bayern gibt. Der Abstand
einer neuen Windkraftanlage zum nächsten Wohnhaus müsse mindestens zehnmal
die Höhe des Windrades betragen, besagt diese. Bei modernen Anlagen sind
das gut und gerne zwei Kilometer und mehr.
Die Regel, die unter Ministerpräsident Horst Seehofer 2014 eingeführt
wurde, hat den Ausbau der Windkraft in Bayern extrem abgebremst und steht
Habecks Ziel, [2][zwei Prozent der Landesfläche für den Ausbau der
Windkraft bereitzustellen], diametral entgegen. „Da, wo Abstandsregeln
vorgehalten werden, um Verhinderungsplanung zu betreiben, können sie nicht
länger bestehen bleiben“, kündigte der Minister daher in der vergangenen
Woche an.
„An der 10-H-Regel wird nicht gerüttelt“, schimpfte hingegen Söders
Lautsprecher, CSU-Generalsekretär Markus Blume. Und auch Söder selbst
machte deutlich, dass er keineswegs von der Anti-Wind-Haltung seines
Vorgängers abkehren wolle.
## Ausbau der Windkraft liegt darnieder
„Topografie“ und „Akzeptanz“ sind dann meist die Schlüsselworte in der
Söderschen Argumentation. Will heißen: Bayern sei halt nun mal kein
Windland. Überall liege man bei den erneuerbaren Energien an der Spitze,
nur eben beim Wind nicht. In Baden-Württemberg sei das im Übrigen nicht
anders. Im Norden dagegen sei es genau umgekehrt.
„Im Kern heißt das: Stärken stärken, nicht alles gleichmachen und Bayern
nicht nur durch eine norddeutsche Brille betrachten“, so Söders Forderung
im Merkur. „Unsere Potenziale sind Sonne, Wasser und Geothermie.“ Außerdem
habe die Windkraft in Bayern ein großes Akzeptanzproblem bei der
Bevölkerung. Die Sorgen der windkraftskeptischen Bürgerinnen und Bürger
waren seinerzeit auch zur Begründung der 10-H-Regel angeführt worden.
Kurz zur Erinnerung: Markus Söder, das ist der Mann, der 2011 zur Zeit der
Reaktorkatastrophe von Fukushima Umweltminister in Bayern war. Unter dem
Eindruck des Atom-Unfalls kündigte er damals einen radikalen Kurswechsel
bei der Windkraft an. Weniger Bürokratie wollte der Minister, kürzere
Genehmigungsverfahren und Lärmgutachten nur noch, wenn das Windrad weniger
als 800 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt sei. Und überhaupt:
Neue Windräder brauche das Land. Mindestens 1.500.
Und jetzt? Liegt der Ausbau der Windkraft in Bayern darnieder. Erst vor
wenigen Tagen hat das Wirtschaftsministerium auf Anfrage der Grünen im
Landtag Zahlen für das vergangene Jahr vorgelegt: Sechs neue Anlagen wurden
in den ersten drei Quartalen immerhin noch genehmigt, neue Anträge jedoch
gar nicht mehr gestellt. Auch im Jahr zuvor waren es lediglich drei
Anträge. 2013 waren es noch 400. Zahlen, die deutlich auf einen
Zusammenhang mit der 10-H-Regel hindeuten.
Die 10-H-Befürworter weisen zwar immer wieder darauf hin, dass der
geforderte Abstand von den Kommunen durch entsprechende Bauleitpläne
unterschritten werden kann, diese Hürde ist allerdings sehr hoch. Maximal
27 Gemeinden haben laut Bauministerium zwischen 2014 und 2020 von diesem
Instrument Gebrauch gemacht.
## Habeck braucht Bayerns Unterstützung
Robert Habeck hätte es nun in der Hand, die 10-H-Regel einfach von Berlin
aus zu kippen. Der Freistaat hat hier trotz Blumes vollmundiger Ankündigung
gar kein Mitspracherecht. Dass der Minister dennoch auf Überzeugungsarbeit
setzt, dürfte auch daher rühren, dass er an anderer Stelle durchaus auf den
bayerischen Kooperationswillen angewiesen ist. So ist die für Habecks
Zwei-Prozent-Ziel wichtige Ausweisung von Windvorranggebieten wiederum
Ländersache. Es könnte also beim Kaffee in der Staatskanzlei kräftig
gefeilscht werden.
Der Grünen-Politiker hatte ohnehin schon betont, es gehe bei den zwei
Prozent um den Gesamtwert. So sei es kein Problem, wenn sich Bundesländer
etwa darauf verständigten, dass in einem Land 1,5 Prozent der Fläche
bereitgestellt würden und in einem anderen 2,5 Prozent, solange die
Gesamtsumme stimme.
Habeck könnte im Gespräch mit Söder zumindest darauf verweisen, dass die
harte CSU-Haltung in Bayern keinesfalls Konsens ist. Jüngst forderte etwa
die eigentlich CSU-nahe Vereinigung der bayerischen Wirtschaft eine
Abschaffung der 10-H-Regel. Auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und
Umweltminister Thorsten Glauber (beide Freie Wähler) zeigten sich Habecks
Ansinnen gegenüber deutlich offener als ihr Kabinettschef. Nach dem
Stelldichein in der Staatskanzlei wird Habeck auch ihnen einen Besuch
abstatten.
19 Jan 2022
## LINKS
[1] /Habeck-macht-Windkraftgegnern-Beine/!5825753
[2] /Die-Energiewende-voranbringen/!5825786
## AUTOREN
Dominik Baur
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Windkraft
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