| # taz.de -- Filmklassiker auf DVD: Weihnachten mit David Lynch | |
| > In der dunklen Jahreszeit ist Wärme wichtig, Schauer haben aber auch | |
| > ihren Platz. Filmklassiker wie „Mulholland Drive“ bieten beides. Ein | |
| > Überblick. | |
| Bild: „A Dark Song“, ein Film über Magie und eine trauernde Mutter | |
| Zur Weihnachtszeit rücken die behaglichen Dinge und der Schrecken gern nah | |
| aneinander. Weiß man von Familienzusammenkünften. Nicht umsonst erfreuen | |
| sich Weihnachtshorrorkomödien wie „Gremlins“ (1984) unverminderter | |
| Beliebtheit. Hinzu kommt, dass sich die langen Winternächte seit jeher für | |
| Schauergeschichten anbieten. | |
| Seit das heimische Feuer, um das herum man sich Unheimliches erzählte, | |
| hierzulande selten oder eine Frage von Privilegien geworden ist, ersetzt | |
| der Bildschirm mit buntem Licht-und-Schatten-Spiel die tanzenden Flammen. | |
| Zur festlichen Saison seien daher einige neuere DVD- und | |
| Blu-ray-Erscheinungen genannt, digital restaurierte Klassiker zum | |
| Wiedersehen. Warum braucht man heute überhaupt noch optische Datenträger? | |
| Nun, Filmstreams sind ihres datenmengenbedingten hohen Energiebedarfs wegen | |
| alles andere als ökologisch, und sie zu verschenken hat dann doch etwas | |
| Uncharmantes. | |
| Was sind die Filme für diese Tage? Brauchen verwirrte Zeiten, zu denen auch | |
| die Gegenwart gern gerechnet wird, ebenso verwirrte Filme? Schwer zu sagen, | |
| zumindest aber gibt es so etwas wie die Freude, das Chaos im begrenzten | |
| Bildrahmen auf Abstand zu genießen, etwa bei einem Film wie [1][David | |
| Lynchs] „Mulholland Drive“ von 2001, der ein großes Durcheinander auf | |
| verschiedenen Ebenen durchspielt. | |
| ## Satire auf Hollywood nebenbei | |
| In seiner Geschichte aus Los Angeles um zwei kontrastierende Frauenfiguren, | |
| die eine blond, optimistisch und angehende Schauspielerin (Naomi Watts), | |
| die andere dunkelhaarig, verstört und auf der Flucht vor ominösen | |
| Verfolgern (Laura Harring), werden viele Fäden gesponnen, ohne am Ende | |
| zusammengeführt zu werden. Sie verheddern sich einfach zusehends, beide | |
| Darstellerinnen wechseln mittendrin und unvermittelt ihre Rolle, auch | |
| andere Figuren tauchen in verschiedenen Zusammenhängen auf, ohne dass | |
| geklärt wird, ob sie dieselbe Person bleiben oder nicht. | |
| Das sorgt für erfreutes Stirnrunzeln. Nebenbei ist „Mulholland Drive“ auch | |
| eine Satire auf die Grausamkeiten von Hollywood und hat unvergessliche | |
| Szenen wie den Besuch der beiden Protagonistinnen in einem Theater, in dem | |
| die Bühne sich als eine einzige Illusionsmaschine erweist, ganz wie das | |
| Kino selbst. | |
| Ein Klassiker mit ebenfalls verwirrter Geschichte [2][ist Fritz Langs | |
| spukhafter Thriller „Das Testament des Dr. Mabuse“ von 1933,] der | |
| seinerzeit nicht in seiner ursprünglichen Fassung gezeigt werden durfte. | |
| Die „Herrschaft des Schreckens“, die sein Antiheld propagiert, gespielt vom | |
| wildmähnigen, in seiner starren Geisterpose durchaus furchteinflößenden | |
| Rudolf Klein-Rogge, ist auch heute unschwer als Anspielung auf die damals | |
| beginnende Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus zu erkennen. | |
| Leider wird der Film seltener gezeigt als die schwächere, die Vorlage wenig | |
| originell imitierende Neuverfilmung von 1962. Gut also, dass die | |
| rekonstruierte und restaurierte Fassung des Originals jetzt so leicht | |
| zugänglich ist. | |
| ## Solidarität unter Ausgegrenzten | |
| Gut ist auch, dass [3][Francis Ford Coppolas] nostalgisches Drama „The | |
| Outsiders“ (1983) in seiner erweiterten Fassung neu restauriert vorliegt. | |
| Die Hommage an die sechziger Jahre um zwei rivalisierende Jugendgangs, die | |
| „Greaser“ und die „Socs“, ist zugleich eine Erzählung über | |
| Klassenunterschiede und Solidarität unter Ausgegrenzten. Besonders toll ist | |
| es, die juvenilen Gesichter von Matt Dillon, Tom Cruise, Patrick Swayze und | |
| Diane Lane mit knapp 40 Jahren Abstand vor sich zu haben. | |
| Ein ganz klein bisschen weihnachtlich geht es schließlich in Liam Gavins | |
| Horrorfilm „A Dark Song“ zu, wenn auch bloß am Rande. Vordergründig ist | |
| dies Kammerspiel von 2016, das im Herbst kurz im Kino zu sehen war, ein | |
| Film über Magie, schwärzeste Magie, zu der sich eine Mutter flüchtet, um | |
| Kontakt zu ihrem ermordeten Sohn aufzunehmen. In einem gemieteten | |
| ländlichen Anwesen verschanzt sich die verzweifelte Sophia | |
| (entschlossen-fragil: Catherine Walker) in Gesellschaft des Magiers Joseph | |
| (mit breitem Cockney-Akzent: Steve Oram), um ihren Schutzengel anzurufen. | |
| Mit akribischer Detailgenauigkeit folgt der Film dem okkultistischen Ritus | |
| und den persönlichen Hindernissen der Beteiligten, die Sache wirklich | |
| „ernst“ auszuführen. „A Dark Song“ ist dabei im Kern eine Geschichte �… | |
| das Trauern und das Alleinsein mit der Trauer, von Gavin sogar mit einigem | |
| trockenen Humor anreichert. Die Begegnung mit dem Schutzengel, zu der es, | |
| so viel sei verraten, am Ende kommt, ist einer der surrealen Höhepunkte des | |
| Films. Und spätestens seit Rilke gilt: „Ein jeder Engel ist schrecklich.“ | |
| 22 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Dokumentarfilm-im-Kino/!5440602 | |
| [2] /Archiv-Suche/!1189174&s=Fritz+Lang+Retrospektive&SuchRahmen=Print/ | |
| [3] /Neue-Fassung-von-Der-Pate-III/!5730628 | |
| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
| ## TAGS | |
| DVD | |
| Kino | |
| Klassiker | |
| David Lynch | |
| Nachruf | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| taz Plan | |
| taz.gazete | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| USA | |
| Horrorfilm | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nachruf auf Regisseur David Lynch: Meister des derangierten Kinos | |
| Der Regisseur David Lynch schuf Albtraumwelten, in denen es sich bestens | |
| leben lässt. Das lag nicht zuletzt an seinem Witz. Ein Nachruf. | |
| Neue Musik aus Berlin: Wenn Klänge sich häuten | |
| Es raschelt, knackt und heult: Auf ihrem neuen Album „Moult“ tastet sich | |
| Clara Iannotta erneut an die Grenzen von Geräusch und Komposition vor. | |
| Kinotipp der Woche: Neue Indies aus den USA | |
| Das Festival „Unknown Pleasures“ im Kino Arsenal bietet eine Reihe von | |
| ausgesucht dringlichen amerikanischen Produktionen. | |
| Kinotipps der Woche: Manieriert geschnüffelt | |
| Viel Spaß auf dem Nil im Sputnik. Das schöne Leben für Nutztiere im | |
| Filmmuseum – und, was sich Menschen darunter vorstellen, im Zeiss | |
| Großplanetarium. | |
| Gedanken zum Jahreswechsel: Alte und neue Geister | |
| Das Jahr 2021 ist so gut wie vorbei, 2022 steht kurz bevor. In der | |
| Zwischenzeit erscheint manches anders. Ein paar Gedanken dazu aus der | |
| taz-Kulturredaktion. | |
| Die besten Filme des Jahres 2021: Was von 2021 bleibt | |
| 2021 spielten Ritter, Tiere und Schüler eine wichtige Rolle. Auch die | |
| Harlem Ballroom Culture und die Beatles begeisterten. Eine taz-Rückschau | |
| auf das Filmjahr. | |
| Genderbewusste Horrorkomödie „Freaky“: Die Slapstick-Slasherin | |
| Die Horrorkomödie „Freaky“ nimmt sich das Genrekino aus | |
| geschlechterpolitischer Sicht vor. Sie treibt damit vergnüglich-queere | |
| Zeichenspiele. | |
| Horrorkurzfilme und Diversität: „Böse Geister wohnen im Abfluss“ | |
| Farah Bouamar und Nabila Bushra vom Filmkollektiv Lost über Diversität in | |
| der Filmbranche und den Reiz des Horrorgenres. |