# taz.de -- Getötete Radfahrerin in Berlin: Ein Unfall mit Vorgeschichte | |
> Hätte die Verkehrsverwaltung den Tod einer Radfahrerin verhindern können? | |
> Zumindest gab es konkrete Hinweise auf Gefahren an der Unfallstelle. | |
Bild: Klare Ansage, keine Umsetzung in Sicht | |
BERLIN taz | Nach einem schweren Unfall am Dienstag, bei dem eine | |
Radfahrerin am Volkspark Friedrichshain von einem Lkw getötet wurde, hat | |
die Berliner Senatsverwaltung für Verkehr angekündigt, innerhalb weniger | |
Wochen Schutzstreifen für RadfahrerInnen anzulegen. Gleichzeitig liegen der | |
taz Informationen vor, nach denen es die von der grünen Senatorin Regine | |
Günther geführte Verkehrsverwaltung es 2020 abgelehnt hatte, am Unfallort | |
eine Ampel-Vorrangschaltung für den Radverkehr einzurichten. Eine Petition | |
hatte dies unter Verweis auf Gefahrensituationen an genau dieser Stelle | |
gefordert. | |
Am Dienstagvormittag war die 58-Jährige auf dem Fahrrad von einem Lastwagen | |
überrollt worden, der wie sie in Richtung Innenstadt fuhr. Der Unfall | |
ereignete sich an der Bezirksgrenze zwischen Pankow und | |
Friedrichshain-Kreuzberg, [1][auf der Straße Am Friedrichhain gegenüber der | |
Abzweigung der Friedenstraße]. Die Frau starb noch vor Ort. Sie war in | |
diesem Jahr [2][das zehnte Opfer] eines Verkehrsunfalls, das auf dem Rad | |
unterwegs war. | |
Am Mittwochnachmittag fand an der Kreuzung eine Mahnwache von | |
Mobilitätsverbänden statt. An ihr nahmen auch die amtierende | |
Verkehrssenatorin und ihre designierte Nachfolgerin Bettina Jarasch (beide | |
Grüne) teil. | |
Wie der Verein Changing Cities mitteilte, wurden er und weitere Verbände | |
von Günthers Verwaltung am Mittwoch zu einem Gespräch eingeladen. Dabei sei | |
vereinbart worden, dass in wenigen Wochen 2,5 Meter breite Radfahrstreifen | |
auf der Kreuzung angelegt werden. Sollte sich herausstellen, dass der | |
Kfz-Verkehr diese ignoriert, würden später auch noch „Leitboys“ aus | |
Kunststoff aufgestellt. Bereits vorhandene Radstreifen rund um den | |
Kreuzungskomplex an der Greifswalder Straße sollten verbreitert und rot | |
markiert werden. | |
## Es geht auch schnell | |
„Wir bedanken uns für die schnelle Reaktion der scheidenden Senatorin | |
Günther“, so Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sørensen. Die Ankündigung | |
sei eine „ermutigende Geste“ und zeige: „Verkehrssicherheit geht auch | |
schnell.“ Die Umsetzung des Berliner Mobilitätsgesetzes müsse nun „deutli… | |
an Geschwindigkeit aufnehmen“. | |
Tatsächlich hätte die Verwaltung in diesem konkreten Fall offenbar schon | |
für mehr Sicherheit sorgen können – wenn sie Warnungen aus der | |
Anwohnerschaft im Sommer 2020 ernster genommen hätte. Nach einer | |
Inspektions-Tour zu Gefahrenpunkten zusammen mit VertreterInnen von Polizei | |
und ADFC hatte sich Carsten Meyer für die AG Verkehr des Vereins „Pro Kiez | |
Bötzowviertel“ an den Petitionsausschus des Abgeordnetenhauses gewandt. | |
Unter anderem wies seine Petition auf genau den Ort hin, an dem nun die | |
Radfahrerin starb. | |
## Am Ende der Busspur | |
Wie Meyer der taz erläuterte, erreichen Radfahrende das Ende der Straße Am | |
Friedrichshain auf einer Busspur. Wollen sie auf die Otto-Braun-Straße in | |
Richtung Alexanderplatz abbiegen, müssen sie sich über zwei Fahrspuren | |
hinweg nach links auf eine der Abbiegerspuren bewegen. Die Straße selbst | |
beschreibt eine leichte Rechtskurve und weitet sich vierspurig auf. | |
Laut Meyers Petition ein riskantes Manöver – zumindest in der Hälfte der | |
Fälle. Jedes zweite Mal, wenn die Fahrradampel auf Grün schalte, sei es | |
nämlich für den Kfz-Verkehr noch Rot und nur der BVG-Bus erhalte ein | |
gesondertes Signal. Zur Sicherheit für die Radfahrenden müsse dies auf alle | |
Ampelphasen ausgeweitet werden. | |
## War der Unfall vermeidbar? | |
Auch wenn die Polizei noch kein Ermittlungsergebnis mitgeteilt hat – es | |
könnte gut sein, dass es mit einer veränderten Ampelschaltung nicht zu dem | |
fatalen Unfall gekommen wäre. Allerdings sah die Senatsverwaltung in ihrer | |
Antwort auf die Petition vom September 2020 keinen Handlungsbedarf. | |
Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese teilte dem Petitionsausschuss mit: | |
„Wer als Radfahrender direkt in die Otto-Braun-Straße einbiegen will, kann | |
sich bereits vor Beginn des Stauraums in der Straße Am Friedrichshain | |
entsprechend nach links einsortieren und hat dann auch keine | |
Schwierigkeiten, die Linksabbiegerspur im Stauraum zu erreichen.“ | |
Für Carsten Meyer von „Pro Kiez Bötzowviertel“ ist dieser Vorschlag | |
„realitätsfremd“. Das von Streese vorgeschlagene Manöver werde „von Rad… | |
zu Recht als gefährlich wahrgenommen, die meisten fahren daher auf der | |
sicherer erscheinenden Busspur“. | |
Im Übrigen hatte der Staatssekretär in seiner Antwort angegeben, die Ampel | |
zeige gar nicht im festen Wechsel vorzeitiges Grün nur für Radfahrende und | |
Busse, sondern reagiere auf Anforderung durch Fahrzeuge der BVG. „Sachlich | |
grundfalsch“, sagt Meyer, die Schaltung sei „nachprüfbar völlig unabhäng… | |
davon. | |
„Zynisch“ findet er schließlich die ebenfalls in Streeses Antwort | |
enthaltene Aussage, diese Schaltung sei ohnehin gar nicht zur Unterstützung | |
für die Radfahrenden gedacht. „Deren Schutz wird offenbar nicht für nötig | |
gehalten“, konstatiert Meyer. | |
10 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://goo.gl/maps/YehpiXxRL7QfJEBq9 | |
[2] https://adfc-berlin.de/radverkehr/sicherheit/information-und-analyse/145-un… | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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