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# taz.de -- Streit über Radfahr-Unfälle: Keine Entschuldigung
> Die Polizei korrigiert ihre Aussage, ein „großer Teil“ der getöteten
> Radfahrenden habe die Unfälle selbst verursacht – mit einem unklaren
> Tweet.
Bild: Selbst schuld? Opfer von Autofahrenden? Oder der Verkehrspolitik?
Wer letzte Woche „radioeins“ vom RBB einschaltete, [1][konnte Folgendes
hören]: „… hatten wir im letzten Jahr, und das war eine ganz traurige Zahl,
mit 17 unfalltoten Radfahrenden eine sehr hohe Zahl, und da ist dann auch
doch zu einem großen Teil auch das Eigenverschulden unfallursächlich.“
Gesagt hat's Frank Schattling, Leiter des Stabs Verkehr der
Landespolizeidirektion, in einem Interview mit dem Sender. Nicht lustig,
fand der ADFC: Der Fahrradclub, der seit Langem die tödlichen Rad-Unfälle
dokumentiert und weiße „Geisterräder“ am Unfallort aufstellt, nannte die
Behauptung „problematisch und verletzend“ – und forderte eine
Richtigstellung und Entschuldigung durch die Polizei.
„Diese Verdrehung der Fakten, dass Radfahrende selbst Schuld seien, ist
nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen und derer, die täglich auf
dem Rad den Bedrohungen des zu wenig kontrollierten Kfz-Verkehrs ausgesetzt
sind“, so Frank Masurat vom ADFC-Vorstand, „es führt auch zu einer
strukturellen Verursacher-Opfer-Umkehr innerhalb der Polizei. Die Polizei
muss in der Lage sein, Zahlen aus der polizeilichen Unfallstatistik
abzulesen und ihre Kontrollen danach auszurichten.“
Der Großteil der tödlich verunglückten Radfahrenden habe das Leben durch
Fremdverschulden verloren, so Masurat. Der ADFC erinnerte daran, dass im
Jahr 2020 neun der 17 getöteten Radfahrenden von Rechtsabbiegern getötet
wurden, außerdem einer von einem Raser und einer von einem aufgefahrenen
SUV.
Die Bitte der taz um eine Stellungnahme lehnte die Polizei am Mittwoch ab:
Das sei nicht möglich, erklärte eine Sprecherin, weil der ADFC auch eine
formale Beschwerde bei der Polizei eingereicht habe. Nun müsse man erst
abwarten, wie sich die Beschwerdestelle äußere. So kam es dann auch –
nicht. Am Donnerstag setzte die Polizei in der Causa Schattling [2][den
folgenden Tweet] ab:
## „Gesamtlage darstellen“
„In einem Interview sprach unser Kollege davon, dass auch ein großer Teil
der Radfahrenden mit seinem Verhalten unfallursächlich war. Diese Aussage
wurde ausschließlich gewählt, um die Gesamtlage darzustellen und
darzulegen, dass wir als Polizei Berlin im Sinne der
Verkehrsunfallprävention alle Unfallursachen und damit auch diesen Teil
betrachten müssen. Es sollte nicht vermittelt werden, dass es sich um den
überwiegenden Teil handelt.“
Und weiter: „In keiner Weise sollten die Hauptunfallursachen, insbesondere
das gefahrenträchtige und in Teilen tödliche Fehlverhalten beim Abbiegen
verharmlost oder relativiert werden. Noch viel weniger stand es in der
Absicht, das Andenken der Verstorbenen zu beschädigen und den Angehörigen
zusätzlich zu nahe zu treten, sie zusätzlich zu verletzen.“
Von wem genau die als Screenshot geposteten Zeilen stammen, bleibt unklar.
Sie sorgten auch nicht für Beruhigung: „Die Antwort der Polizei per Twitter
enthält weder eine Richtigstellung der Faktenlage noch eine Entschuldigung
bei den Angehörigen“, kommentiert Sprecherin Lisa Feitsch das Statement.
Die Behauptung, die Aussage habe sich auf die „Gesamtlage“ bezogen, stimme
eindeutig nicht, der Satz bezieht sich „sehr konkret auf die 17 tödlich
verunglückten Radfahrenden in 2020“.
Man erwarte, so Feitsch, also weiterhin eine Richtigstellung der Faktenlage
und eine Entschuldigung bei den Angehörigen. Post von der Beschwerdestelle
hat der ADFC übrigens noch nicht erhalten.
6 Aug 2021
## LINKS
[1] https://www.radioeins.de/programm/sendungen/der_schoene_morgen/_/103335.html
[2] https://twitter.com/polizeiberlin/status/1423288716487905291?s=20
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
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