# taz.de -- taz.berlin-Adventskalender (23): Wie ein netter Wal | |
> Eigentlich mag unsere radfahrende Autorin Lkws nicht. Wenn doch nur alle | |
> so umsichtig fahren würden wie der Fahrer neulich auf der Danziger | |
> Straße! | |
Bild: Biegt der Lkw jetzt rechts ab, wird es für den Radfahrer potenziell gef�… | |
Vorweihnachtshektik, unter coronabedingten Masken noch anonymer, | |
Begegnungen finden in Eile und mit Sicherheitsabstand statt. Und dann | |
öffnet sich plötzlich doch manchmal eine Tür: eine freundliche Geste, eine | |
Hilfeleistung, ein Gespräch. Die taz.berlin berichtet in ihrem | |
[1][Adventskalender 2021] von solchen Türchen, die die Anonymität einen | |
Moment vergessen lassen. | |
In Gedanken bin ich schon bei meiner Verabredung in Prenzlauer Berg, | |
während ich locker die Warschauer Straße entlangstrample. Das Rad rollt | |
gut, der Radweg ist glatt und eben. | |
Plötzlich nehme ich von hinten einen Schatten wahr. Ein riesiger Lkw rollt | |
zügig heran. Sein Motorenlärm übertönt den der Autos. Vor mir verengt sich | |
der Radweg wegen einer Baustelle. Hektisch gucke ich mich um: Was, wenn die | |
Radfahrer*innen vor mir nicht schnell genug abbremsen? Was, wenn es | |
zwischen Lkw und Baustellenzaun zu eng wird? | |
„Lkw sollten in der Stadt einfach verboten sein“, denke ich. Erst letztens | |
hatte einer [2][schon wieder eine Radfahrer*in überrollt]. Doch der | |
Lkw-Fahrer nimmt sein Tempo zurück und bremst fast sanft ab. Er lässt uns | |
Platz, sodass wir Radfahrer*innen alle eine*r nach der*die anderen | |
vor ihm an der Baustelle vorbeikommen. An der Ampel am Frankfurter Tor | |
kommt er neben mir zu stehen. Ich winke erst, habe dann Angst, dass er | |
meine Geste falsch verstehen könnte. Daher lege ich schnell meine | |
Handflächen aneinander und forme mit meinen Lippen ein „Danke“ zu der | |
Fahrerkabine hoch. | |
## Wir zwinkern uns zu | |
Der Fahrer lächelt mir zu. Die ganze Petersburger und dann die Danziger | |
Straße entlang fahren wir mehr oder weniger parallel. Mal bin ich vor ihm, | |
dann wieder ist er vor mir, zwischendurch wechseln wir Blicke, zwinkern uns | |
zu. Das Motordröhnen klingt nun beruhigend in meinen Ohren. Ich freue mich, | |
wenn sein Schatten wieder aufholt. Als ein Autofahrer auf der rechten Seite | |
beim Ausparken einfach auf dem Radstreifen stehen bleibt, hupt der | |
Lkw-Fahrer ihn mit fast sanft tönender Hupe auffordernd an und wechselt die | |
Spur. | |
Der Autofahrer setzt zurück, wir Radfahrer*innen fließen ungestört auf | |
dem Radstreifen weiter. Der Lkw hat nichts Bedrohliches mehr, im Gegenteil. | |
„Wie so ein großer, mächtiger Wal in einem Kinderbuch, der einen Schwarm | |
kleiner, flinker Fische begleitet und auf sie acht gibt“, denke ich. Aber | |
denke auch, dass Wale trotzdem nicht zu viel im seichten Gewässer unterwegs | |
sein sollten. An der nächsten Ampel winke ich ihm noch mal zu und biege ab. | |
23 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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