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# taz.de -- „Sex and the City“-Reboot: Schlecht gealtert
> 17 Jahre nach dem Serienfinale sind Carrie und ihre Freundinnen zurück.
> Sie sind faltiger geworden – und verklemmter.
Bild: Leider nur noch zu dritt: Sarah Jessica Parker (m.), Cynthia Nixon (l.) u…
Samantha fehlt, der Sex auch
„Irgendwie ist es fast so, als sei sie tot“, sagt Miranda zu Beginn der
ersten neuen Folge von „And Just Like That“. Samantha ist nach einem Streit
mit Carrie nach London gezogen. So wird es erzählt. In Wirklichkeit hatte
Schauspielerin Kim Cattrall, die Samantha verkörperte, einfach keine Lust
auf die Produktion.
Übrig bleiben also noch drei Freundinnen, Carrie, Miranda und Charlotte,
die man nach 15 Jahren Serienpause erneut in New York City begleitet. Mit
Samantha fehlt nur leider das Wesentliche der Serie (jedenfalls in den
ersten zwei Folgen, die bisher zu sehen waren): nämlich der Sex. Alle
Charaktere sind alt geworden, sie haben graue Haare und Falten. Das wirkt
dann manchmal ziemlich überzeichnet, wie im Fall von Mirandas Mann Steve.
Auf dem einen Ohr hört er nur noch 60 Prozent, auf dem anderen 40 Prozent.
Kommunikation zwischen Miranda und Steve findet also einige Dezibel lauter
statt. Man fragt sich unweigerlich, warum Steve sich nicht einfach ein
Hörgerät besorgt.
Sex haben in der Fortsetzung nur die Jungen, zum Beispiel Mirandas Sohn. Er
hat so lauten Sex mit seiner Freundin, dass die Wände nebenan wackeln und
seine Mutter den Fernseher lauter stellen muss, was kein Problem ist, Steve
hört ja sonst nichts vom Programm. Freude an Lust und Ekstase, das war
Samantha. Mit ihrer selbstbewussten und selbstbestimmten Art steckte sie
ihre oft etwas zu verklemmten Freundinnen an.
In der Fortsetzung fühlt sich Carrie von der Frage überfordert, an welchen
öffentlichen Orten sie schon einmal masturbiert hat. Sie kichert nur
verlegen. In solchen Momenten wünscht man sich Samantha zurück, die auch
mit Anfang 50 ihrer Freundin entgegnet hätte: Schätzchen, ich weiß gar
nicht, was du hast, ich mach es mir überall, wenn ich will, und das
solltest du auch.
In „And Just Like That“ wird ein trauriges Bild von Menschen gezeichnet,
die mit dem Alter langweilig und verklemmt geworden sind. Charaktere, die
in ihren Paarbeziehungen nebeneinander im Bett liegen und deren Kinder nun
das Zentrum bilden. Seinen Höhepunkt findet das, Achtung, Spoiler, mit dem
Tod von Mr. Big Ende der ersten Folge. In der Dusche erleidet er einen
Herzinfarkt. Spätestens da haben alle verstanden: „Sex and the City“ ist
alt geworden.
## Diverse Nebenrollen ohne eigene Storys
„I couldn’t help but wonder …“ Kaum eine Folge von SATC verging, in der
Carrie nicht vor ihrem Laptop saß, ihre neue Kolumne schrieb und dabei
sexuellen, modischen oder gesellschaftlichen Trends auf den Grund ging.
Jetzt schreibt Carrie keine Sexkolumne mehr, sondern ist Teil eines
sexpositiven Podcasts. Dort soll sie als „cishet Frau“ mit einem „cishet
Mann“ über Sex sprechen – doch vor lauter Unbehagen weiß Carrie nur
unbeholfen vor sich hin zu kichern, sobald es um das Thema Masturbation
geht.
Unbeholfen ist auch Miranda, die beschlossen hat, noch einmal zu studieren.
Doch schon an ihrem ersten Tag schickt sie versehentlich die Schwarze junge
Professorin von ihrem Platz weg, misgendert ein:e Kommiliton:in und
redet sich danach um Kopf und Kragen. Später sagt sie zu Carrie: „Ich
wusste in dem Kontext gar nicht mehr, was ich sagen soll.“ Diese
Unbeholfenheit von Miranda wird dabei so auf die Spitze getrieben, dass
sie, als ihre Professorin Opfer eines Raubüberfalls wird, nicht weiß, ob
sie ihr helfen soll und sich damit als White Saviour aufspielt.
Dass Miranda und Carrie nicht mehr bei jeder Debatte und sprachlichen
Veränderung mitkommen und dabei trotzdem alles richtig machen wollen,
ergibt Sinn. Diese Form der Überforderung darzustellen könnte gleichzeitig
politisch und lustig sein – doch leider ist sie vor allem eins, furchtbar
peinlich. Eine ähnliche Holzhammermethode fährt die Serie auch bei der
neuen Besetzung der Serie. Denn jede der drei Protagonist:innen hat nun
eine BIPoC an ihre Seite gestellt bekommen – um auf den jahrelangen
Vorwurf, die Serie sei zu weiß, zu reagieren.
Miranda bewundert ihre Professorin Dr. Nya Wallace (Karen Pittmann),
Charlotte hat in Lisa (Nicole Ari Parker) eine neue Freundin gefunden, und
Carries Chef:in Chez Dia (Sara Ramirez) beim Podcast bezeichnet sich
selbst als „queer, non-binary, Mexican-Irish diva“. Und damit auch die
letzte Zuschauer:in verstanden hat, wie „divers“ der neue Cast ist,
brüllen die Charaktere es wahllos in den Raum.
Doch gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht: Bislang gibt es die
Charaktere nur in Verbindung mit den Protagonistinnen. Sie bekommen keine
eigene Geschichte, sondern sind bislang nur dafür da, die drei weißen
Frauen zu trösten, aufzuklären und ihnen auf die Schulter zu klopfen.
## Das altbekannte Reboot-Problem
Das mag nun vielleicht wehtun, aber: Die neuen Folgen von „Sex and the
City“ haben nichts von dem alten Zauber. Die Serie machte einmal aus, dass
sie wenig mit der Realität zu tun hat. Vier junge Freundinnen, die in
Designerkleidung durch New York City spazieren, in teuren Restaurants
frühstücken und sich über ihr Sexleben unterhalten und die Abende auf
schicken Partys verbringen.
„And Just Like That“ hat diese Traumwelt leider verlassen. Carrie, Miranda
und Charlotte hat die Traumwelt eingeholt – und die Zuschauer:innen
gleich mit. Vielleicht ist das das Problem mit Fortsetzungen. Sie versuchen
das Unmögliche: Das Gefühl von damals ins Heute zu transportieren. Weil das
nicht klappt, müssen Reboots immer schlecht sein. Echte Fans wissen das,
deshalb stört es sie nicht zu sehr.
Man weiß schließlich, was man zu erwarten hat, vielleicht ist man ein wenig
enttäuscht, aber verkraftet es am Ende doch. Das macht ja auch einen echten
Fan aus. Egal wie schlecht eine Fortsetzung ist, man bleibt Fan für alle
Zeit und ist für jeden Stoff dankbar, der sich neu konsumieren lässt.
Hauptsache, es gibt Nachschub.
12 Dec 2021
## AUTOREN
Carolina Schwarz
Erica Zingher
## TAGS
sex-positiv
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Feminismus
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