# taz.de -- Working-Class-Sitkom „Die Conners“: Humor arbeitet | |
> Der Neuauflage der Serie „Die Conners“ bietet mehr als reine | |
> Hollywood-Nostalgie. Der Blick ins Working-Class-Milieu ist warmherzig | |
> und realistisch. | |
Bild: Ein gelungenes Revival der Familie Conner | |
Aus Alt mach Neu, nach diesem Motto verfährt Hollywood seit einiger Zeit | |
immer wieder. Gerade im Serienbereich hat eine Mischung aus Ideenlosigkeit | |
und mangelnder Risikobereitschaft gepaart mit einer dem Publikum | |
attestierten [1][immensen Nostalgie] nach allem, was aus den Achtziger und | |
Neunziger Jahren stammt, dazu geführt, dass in schöner Regelmäßigkeit | |
Geschichten von damals fortgesetzt, wiederbelebt oder sonst irgendwie neu | |
aufgelegt werden. | |
Nach dem Motto: Was damals gut funktioniert hat, kann heute so verkehrt | |
nicht sein. Zumindest schalten die Menschen vielleicht eher bei einem | |
Programm ein, dessen Titel sie an ihre Jugend erinnert als bei etwas | |
komplett Neuem. | |
In vielen Fällen haben die Neuauflagen mit dem Original außer dem Titel und | |
einer leicht modernisierten Variante der grundlegenden Prämisse kaum etwas | |
gemein. Mitunter handelt es sich um Serien, die selbst in Tonfall und Genre | |
kaum mehr an früher erinnern, siehe das kurzlebige „Queer as Folk“-Remake. | |
Doch nicht selten versuchen die Macher*innen, so viele Bestandteile des | |
einstigen Erfolgs wie möglich in die Neufassung zu retten und im Idealfall | |
direkt dort anzuknüpfen, wo einst aufgehört wurde. So der Fall nicht nur | |
bei „Will & Grace“ oder „Murphy Brown“, sondern auch bei „Dexter: New | |
Blood“. Und natürlich bei „Die Conners“. | |
## Einer der ungewöhnlichsten Reboot-Fälle | |
Dass die Serie, deren beide erste Staffeln nun (wieder) bei Sky zu sehen | |
sind, bevor es im Mai mit den hierzulande noch nie gezeigten Folgen der | |
Staffeln 3 und 4 weitergeht (in den USA geht dieser Tage bereits die fünfte | |
zu Ende), einen Titel trägt, den man von früher gar nicht kennt, ist dabei | |
nur eine Besonderheit in einem der ungewöhnlichsten Reboot-Fälle der | |
letzten Jahre. | |
Als die Familie Conner 2018 auf die Bildschirme zurückkehrte, tat sie das | |
noch unter dem Namen ihrer Matriarchin. [2][„Roseanne“], eine Schöpfung der | |
Komikerin Roseanne Barr, war von 1988 bis 1997 neun Staffeln lang eine der | |
erfolgreichsten Sitcoms der Welt, deren Alleinstellungsmerkmal es war, mit | |
bissigem Witz, aber auch viel Authentizität aus dem Alltag einer | |
Arbeiterklasse-Familie in einer Kleinstadt im Mittleren Westen zu erzählen. | |
Für das Revival mehr als 20 Jahre später ignorierte man bewusst einige | |
weniger gelungene Plot-Details der späteren Staffeln, machte ansonsten aber | |
genauso weiter wie früher. Die Kulisse des schlichten Einfamilienhauses war | |
die gleiche, das gesamte Ensemble kehrte zurück und das Publikum ebenfalls. | |
Aus dem Stand wurde die „Roseanne“-Neuauflage zum größten Comedy-Hit des | |
Jahres, doch als wenige Wochen später Barr – nicht zum ersten Mal – durch | |
rassistische Ausfälle auf Twitter für einen Skandal sorgte, zogen die | |
Verantwortlichen die Reißleine. Der namensgebende Star wurde gefeuert (und | |
wagte kürzlich erst ein Comeback mit einem Stand- up-Special beim | |
konservativen Streamingdienst Fox Nation). Doch statt damit auch den Rest | |
ihrer Serien-Familie zurück in den Ruhestand zu schicken, ließ man sich auf | |
den Versuch ein, einfach ohne die Mutter im Zentrum weiterzumachen. | |
## Helfen und trinken | |
Tatsächlich funktioniert „Roseanne“ ohne Roseanne erstaunlich gut. Zu | |
Beginn von „Die Conners“ ist das Familienoberhaupt ein paar Wochen zuvor | |
verstorben. Ehemann Dan (John Goodman) muss damit klarkommen, dass sein | |
Fels in der Brandung fehlt, seine Schwägerin Jackie (Laurie Metcalf) | |
versucht zu helfen, wo sie kann, derweil Becky (Lecy Goranson) zu viel | |
trinkt, Darlene (Sara Gilbert) als meist alleinerziehende Mutter eines | |
pubertierenden Mädchens sowie eines queeren 12-Jährigen versucht, in die | |
Fußstapfen ihrer Mutter zu treten, und D. J. (Michael Fishman) als Figur | |
mitsamt Frau und Kind nach wie vor eher nebenbei mitläuft. | |
Wo von „And Just Like That“ oder „The L-Word: Generation Q“ bis zu „F… | |
House“ und „Die wilden Neunziger“ das Wiedersehen mit einst geliebten | |
Serien-Held*innen fast immer zur (mal mehr, mal weniger großen) | |
Enttäuschung wurde, weil man sich entweder zu stark an veraltete Muster | |
klammerte oder im Gegenteil zu krampfhaft dem Zeitgeist nachjagte, gelingt | |
„Die Conners“ trotz der kniffeligen Produktionsgeschichte eine erstaunliche | |
Gratwanderung. | |
Der Nostalgiefaktor wird nicht überreizt, das Erfolgsrezept von damals aber | |
auch nur behutsam modernisiert: Das Ensemble funktioniert noch immer als | |
glaubwürdige, nach und nach behutsam um neue Mitglieder ergänzte Familie, | |
selbst ohne Roseannes beißende Sprüche sitzen die Gags, und die | |
Ernsthaftigkeit, mit der hier im Sitcom-Format ernste Themen wie Trauer, | |
Medikamentenabhängigkeit oder Homophobie verhandelt werden, überrascht | |
einmal mehr. | |
Auch weil ein derart warmherziger und vor allem realistisch wirkender Blick | |
auf das „Working Class“-Milieu auch 30 Jahre nach dem Erfolg von „Roseann… | |
im Mainstream-Fernsehen nach wie vor eher selten zu finden ist. | |
13 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Patrick Heidmann | |
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