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# taz.de -- „Welcome to Chippendales“: Sex, Geld und Macht
> Die Serie „Welcome to Chippendales“ erzählt die Geschichte der
> Striptease-Gruppe in den 70ern. Auf hohem Niveau bleibt sie teilweise
> leider flach.
Bild: Kostüme, Kulissen und das Ensemble der Serie „Welcome to the Chippenda…
Wer an männliche Stripper denkt, hat heutzutage vermutlich meistens
Channing Tatum und seinen „Magic Mike“ im Kopf. Doch es gab eine lange
Zeit, da war eine Truppe namens Chippendales absoluter Vorreiter auf diesem
Gebiet – und weckte vor allem in den achtziger und neunziger Jahren mit
Tour-Plakaten voll halbnackter Tatsachen auch in deutschen Fußgängerzonen
die Neugier nicht nur weiblicher Passant*innen. Nun erzählt die [1][Serie
„Welcome to Chippendales“, die bei bei Disney+ zu sehen ist], leicht
fiktionalisiert die hierzulande vermutlich eher wenig bekannte Geschichte
dieser Showtanz-Gruppe.
Gegründet werden die Chippendales Ende der Siebziger Jahre von Somen
„Steve“ Banerjee (Kumail Nanjiani), der kein Interesse am väterlichen
Druckereibetrieb in Indien hat und es lieber in Amerika schaffen will. In
Los Angeles kauft er sich vom mühsam Ersparten einen Nachtclub, doch es
fehlt zunächst ein überzeugendes Konzept. In der Backgammon-Lounge bleiben
die Gäste aus, bloß eine weitere Disco braucht auch niemand. Doch beim
unfreiwilligen Besuch in einem Schwulenclub bringt ihn der Anblick der
Go-go-Boys auf die zündende Idee: Eine Gruppe tanzender Stripper mit einer
Show nur für Frauen soll den Erfolg bringen.
Tatsächlich geht der Plan auf, vor allem als Steve und sein vorübergehender
Partner Paul Snider (Dan Stevens) den Choreografen Nick de Noia (Murray
Bartlett) engagieren, um den sich entkleidenden Herren eine gewisse
Professionalität zu verleihen. Bald stehen die Damen Schlange, nach den
Shows dürfen auch Männer rein, der Rubel rollt.
Steve verliebt sich in die Buchhalterin Irene (Annaleigh Ashford), derweil
sich Nick mit der lebenslustigen Denise (Juliette Lewis) für Kostüme,
Show-Konzepte und manchmal auch mehr zusammentut. Doch es bleibt nicht aus,
dass sich künstlerische und finanzielle Kontrolle irgendwann in die Quere
kommen und die Egos aneinandergeraten. Denn spätestens als schließlich auch
mediale Aufmerksamkeit ins Spiel kommt, wird klar, dass es nur einen „Mr.
Chippendale“ geben kann.
## Dramaturgische Freiheiten
Das eigentlich Spannende an der über acht Folgen erzählten Geschichte sind
natürlich nicht die knapp bekleideten Muskelpakete, die dank Kalender und
Tourneen bald weiter über ihren Club hinaus bekannt sind. Sondern vor allem
die Tatsache, dass sie mit einem Auftragsmord endet: De Noia wurde 1987 in
Manhattan (wo er irgendwann einen zweiten Chippendales-Sitz etabliert
hatte) erschossen, sechs Jahre später wurde Banerjee als Anstifter der Tat
verhaftet. Als Vorlage für die Serie diente das Sachbuch „Deadly Dance: The
Chippendale Murders“, ein paar dramaturgische Freiheiten gegenüber der
Realität hat man sich aber nicht zuletzt beim Privatleben der beiden Männer
gegönnt.
Neben True Crime setzen die Showrunner*innen Robert Siegel („Pam &
Tommy“) und Jenni Konner („Girls“) auch sonst auf Zutaten, die sich zulet…
in Sachen Serien oft bewährt haben. Ein [2][poppiges, von Retro-Nostalgie
geprägtes 70s- & 80s-Setting] kommt dieser Tage immer besonders gut und
öffnet vor allem den Raum für einen coolen Soundtrack (wobei in diesem Fall
der eigens komponierten Disco-Titelmusik besondere Ehre gebührt). Und auch
der Blick auf die wenig glamourösen Randzonen des Showbusiness ist seit
geraumer Zeit angesagt, von „Better Things“ bis „Reboot“.
All das ist in „Welcome to Chippendales“ auf hohem Niveau umgesetzt, von
den Kostümen und Kulissen bis hin zu den Leistungen des Ensembles sieht man
sich das gerne an. Und doch bleibt die Serie dabei ein wenig flach und
letztlich irgendwie unbefriedigend. Viel zu selten versucht sie mehr als
das Naheliegende zu erzählen, sei es über die Figuren oder das altbekannte
Dreieck aus Sex, Geld und Macht.
Viel zu oft kommt nicht nur der der Geschichte aller Tragik zum Trotz
innewohnende Humor zu kurz. Sondern auch interessante Aspekte wie Banerjees
sich aus eigenen Erfahrungen speisender und dem Geschmack seines weißen
Zielpublikums gehorsam vorauseilender Rassismus.
Die Frage, wie aus einem ehrgeizigen wie naiven Einwanderer, der dem
American Dream hinterherjagt, am Ende ein von Eifersucht zerfressener
Mörder wird, wird auch nur bis zu einem gewissen Grad beantwortet.
17 Jan 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
Serie
Tanz
USA
Soap
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TV-Serien
Netflix
Streaming
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