# taz.de -- TV-Nostalgie in Comicform: Wunderbare Jahre | |
> Von Lassie bis MacGyver: In 150 kitschfreien Strips lässt die Schweizer | |
> Comiczeitschrift „Strapazin“ legendäre Fernsehserien wieder aufleben. | |
Bild: Judith Mall: „Alf“ (USA, 1986-1990; das letzte Panel fehlt). | |
Fernsehserien spielen in der Heile-Welt-Rekonstruktion der eigenen Kindheit | |
für die heute 30- bis 70-Jährigen eine extrem wichtige Rolle. Die | |
gemeinsamen Stunden vor der Wunderkiste rundeten, so geht zumindest die | |
Erzählung, erfüllte Tage ab, die voll waren mit Dingen, die Kinder heute | |
angeblich gar nicht mehr kennen: Frösche aufblasen, Baumhäuser bauen und | |
Brauner Bär essen. | |
Zugleich schufen die Serienmacher nie alternde Helden, die dank der | |
Kanalarmut des Präinternet-Zeitalters wirklich jeder kannte, selbst die | |
armen Teufel, die wegen ihrer Bildungsbürgereltern gar keinen Fernseher | |
hatten: Fury und Flipper, Al Bundy und MacGyver, die Bezaubernde Jeannie | |
und Mila Superstar. | |
Längst ist das alles Teil einer eher anstrengenden Nostalgiewelle, und so | |
ist es umso bemerkenswerter, welch wunderbaren Weg einer kitsch- und | |
„Früher war alles besser“-freien Erinnerung das Strapazin gefunden hat: In | |
der 112. Ausgabe [1][des Schweizer Indiecomicmagazins] setzen sich 150 | |
Zeichnerinnen und Zeichner mit ihren Lieblingsserien auseinander, im Heft | |
als Reise durch die Zeit nach vorne angeordnet, von 1954 („Lassie“!) bis in | |
die Gegenwart. | |
Nicht mehr als den schmalen Platz eines Comicstrips haben die Autoren, aber | |
das lösen sie, dem Strapazin-Standard entsprechend, mit einer enormen | |
stilistischen und narrativen Vielfalt. So zeigen manche Zeichner nur | |
Impressionen oder ikonische Augenblicke, andere erzählen einzelne | |
Serienszenen, oftmals nie gedrehte oder aus ungewohnter Perspektive. | |
Da läuft ein Meister Eder durch den Park, spricht scheinbar mit der Luft | |
und alle schütteln heimlich den Kopf über den brabbelnden Alten. Man sieht, | |
wie ein Zylone aus „Kampfstern Galactica“ sein Raumschiff verkauft und mit | |
dem Bus nach Hause fährt („Man braucht allerdings eine Vorheizung, es wurde | |
eben nicht für den finnischen Winter gebaut“), wie Barbapapa und Barbamama | |
Sex haben oder wie Biene Maja Willis Spekulationen über ein mysteriöses | |
Bienensterben in der nahen Zukunft mit „So ein Quatsch“ abtut. | |
Andere Zeichner nähern sich dem Serienstoff über Erinnerungen an das eigene | |
Erleben der Serie, vielfach gibt es Abrisse einer prototypischen Folge auf | |
kleinstem Raum. Denn anders als die komplexen Fernsehserien des | |
Breaking-Bad-Zeitalters waren die meisten der früheren ja noch ehrlicher | |
Pulp, B-Movie-Welten mit klarem Rahmen und plakativen Figuren, in denen am | |
Ende alles wieder so war wie zu Beginn und auch die Sprüche immer die | |
gleichen sind: „Ich weiß genau, was Sie jetzt denken, und Sie haben recht.“ | |
- „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.“ – „Gute Nacht, Jim-Bob!“ | |
Das alles macht sehr viel Spaß, natürlich noch mehr, wenn man die Figuren | |
auch kennt, etwa wenn man versteht, dass ein Dialog zwischen Batman und | |
Robin auf die – Heilige Drehbuchschreiber! – grenzdebilen Wortbeiträge von | |
Robin anspielt. Aber es funktioniert auch bei unbekannten Serien gut, etwa | |
den vielen asiatischen, die durch den internationalen Zeichnerpool mit im | |
Heft sind. | |
Doch keine Sorge: Fast alle alten Helden sind vertreten, Klassiker wie | |
„Magnum“ oder „Knight Rider“ kommen gleich doppelt und dreifach vor und | |
„Twin Peaks“ sogar viermal. | |
16 Oct 2013 | |
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[1] http://michaelbrake.de/2010/10/30/%E2%80%9Esie-verstehen-es-nicht/ | |
## AUTOREN | |
Michael Brake | |
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