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# taz.de -- Demokratie weltweit auf dem Rückzug: Regierungen immer autoritärer
> Der Demokratiereport kritisiert „unverhältnismäßige, unnötige oder
> illegale“ Maßnahmen beim Umgang mit der Covid-19-Pandemie. Auch in
> Deutschland.
Bild: 450 Menschen werden in Grevenbroich auf Corona getestet, weil sich zwei F…
Stockholm taz | Zieht sich über demokratische Gesellschaftsordnungen ein
„perfekter Sturm“ zusammen? Davor warnt jedenfalls ein am Montag
veröffentlichter [1][Report] über den globalen Zustand der Demokratie. Sein
Fazit: Die Welt werde [2][zunehmend autoritärer], nichtdemokratische Regime
würden in ihrer Repression „immer dreister“, und viele demokratische
Regierungen liefen Gefahr, „rückfällig“ zu werden, indem sie im
Zusammenhang mit Covid-19-Restriktionen „Taktiken übernehmen, die die
Meinungsfreiheit einschränken und die Rechtsstaatlichkeit schwächen“.
Herausgegeben ist der „Global State of Democracy Report 2021“, vom
„[3][Internationalen Institut zur Förderung von Demokratie und
demokratischer Teilhabe]“ (IDEA), das seinen Hauptsitz in Stockholm hat. In
diesem Jahr ist sein Inhalt, wie schon der Untertitel „Stärkung von
Resilienz in Zeiten einer Pandemie“ signalisiert, natürlich von den Folgen
der Pandemie geprägt. Einer Pandemie, die laut IDEA „den Trend zu einer
Erosion demokratischer Verhältnisse verstärkt“ habe: „Bis August 2021 hab…
64 Prozent der Länder Maßnahmen ergriffen, die als unverhältnismäßig,
unnötig oder illegal angesehen werden, um die Pandemie einzudämmen.“
Europa sei hier keine Ausnahme, konstatiert IDEA: „Zwei Drittel der
europäischen Länder verhängten [4][Einschränkungen der
Versammlungsfreiheit] und der Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit. Diese
Einschränkungen hatten weitreichende Auswirkungen auf andere Grundrechte
und demokratische Prinzipien, wie beispielsweise das Recht auf Bildung für
Schulkinder und das Recht auf Arbeit für die vielen Erwachsenen, die ihre
Arbeitsplätze verloren haben.“ Der „wahre Lackmustest für die
Widerstandskraft der Demokratien“ sei dabei die „Verhältnismäßigkeit von
Notfallmaßnahmen“.
Als nicht mehr verhältnismäßig zählt IDEA beispielsweise auf, dass in
Georgien bei der Verletzung von Corona-Notstandsmaßnahmen Geldbußen von
umgerechnet bis zu 4.000 Euro und Haftstrafen von bis zu 3 Jahren drohten
oder in Griechenland beim vorsätzlichen Verstoß gegen solche Regelungen
lebenslange, bei Fahrlässigkeit bis zu 2 Jahre lange Haftstrafen verhängt
werden konnten.
## Politische Fehler begünstigen Populisten
Exzessive Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit sieht das Stockholmer
Institut nicht nur in Albanien, Serbien und Polen, sondern auch in
Großbritannien und Frankreich. Das im April 2021 beschlossene französische
„[5][Gesetz für globale Sicherheit]“ behindere die Anzeige und Verfolgung
missbräuchlicher Polizeigewalt und enthalte „besorgniserregende Aspekte der
Einschränkung bürgerlicher Freiheiten“, weil beispielsweise durch
Drohneneinsatz eine umfassende Überwachung von BürgerInnen ermöglicht
werde.
Die staatlichen Reaktionen auf die Pandemie hätten darüber hinaus
„überproportional gefährdete und marginalisierte Gruppen geschädigt,
insbesondere Frauen, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen und
Obdachlose“. Junge Menschen seien sozial und wirtschaftlich stärker
betroffen als ältere Generationen. Menschen, die sowieso schon ausgegrenzt
waren, seien „zusätzliche Hindernisse in den Weg gelegt“ worden.
In diesem Zusammenhang werden auch zwei konkrete Maßnahmen zur
Pandemiebekämpfung in Deutschland als unverhältnismäßig kritisiert. Zum
einen eine fünf Wochen lange Quarantäne, die von Mitte April bis Mai 2020
über eine Flüchtlingsunterkunft in [6][Hennigsdorf] verhängt worden war,
zum anderen die Quarantäne über einen ganzen Hochhauskomplex in
Grevenbroich im April 2020 mit Zwangstests von rund 450 EinwohnerInnen.
Hier äußert IDEA Bedenken, weil diese Maßnahmen offenbar ganz speziell „auf
Nichtstaatsangehörige abzielten“.
Solcherart „durch die Pandemie aufgedeckte politische Mängel und soziale
Bruchlinien werden mehr Menschen zu populistischen und autoritären Führern
treiben, die selten dauerhafte Lösungen für die Anliegen der Bürger
liefern“, befürchtet der IDEA-Generalsekretär Kevin Casas-Zamora.
Glücklicherweise sei aber „demokratische Erosion keine Einbahnstraße“:
„Viele Demokratien haben sich auch während der Covid-19-Pandemie als
widerstandsfähig erwiesen, indem sie demokratische Innovationen eingeführt
oder ausgebaut und ihre Praktiken und Institutionen in Rekordzeit angepasst
haben.“
Als „Schlüsselbotschaft“ des IDEA-Reports sieht es Casas-Zamora, „dass es
für die Demokratien an der Zeit ist, mutiger zu sein, sich zu erneuern und
sich selbst neu zu beleben“.
22 Nov 2021
## LINKS
[1] https://www.idea.int/gsod/
[2] /Demokratie-in-der-Krise/!5760756
[3] https://www.idea.int/
[4] /Verbot-von-Coronaleugner-Demos/!5792570
[5] /Proteste-in-Frankreich/!5744529
[6] /Corona-in-Hennigsdorfer-Fluechtlingsheim/!5681127
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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