Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Niedrige Impfquote in Deutschland: Ungeimpft, aber nicht Impfgegner
> Die Impfquote in Deutschland ist nicht besonders hoch – die Gründe dafür
> sind vielfältig. Und etwas komplexer als gemeinhin angenommen.
Bild: Hunderte Impfwillige vor einer Station im baden-württembergischen Nürti…
Bremen taz | Viel ist derzeit zu lesen und zu hören über die
„deutschsprachigen Länder“, die in Europa die höchste Quote an Ungeimpften
haben sollen. Zur Erklärung ziehen Journalist:innen einerseits oft die
[1][angeblich so zahlreichen Anthroposophiegläubigen] und
Esoteriker:innen im linken Bürgertum heran, [2][andererseits den
fehlenden Zentralstaat]. Doch das sind vor allem gefühlte Wahrheiten.
Das beginnt mit der angeblich niedrigsten Covid-Impfquote im
europäischen Vergleich. Richtig ist: [3][Die Schweiz, Österreich und
Deutschland liegen in Europa im Mittelfeld der Corona-Durchimpfung]. Doch
der Abstand ist teilweise gering. Deutschland hat laut einer Auflistung der
Oxford University (Stand vom Freitag) eine Impfquote von 67,33 Prozent.
Davor kommen Großbritannien (67,63 Prozent), Schweden (68,82 Prozent),
Frankreich (68,95 Prozent, Stand vom Donnerstag) und Norwegen (69,26
Prozent, Stand vom Mittwoch).
Damit ist der Abstand zum Spitzenreiter Portugal (87,78 Prozent, Stand von
vor einer Woche) zwar groß. Aber auch in Deutschland gibt es etwa mit
[4][Bremen eine Region, die immerhin fast so gut dasteht wie die Dritt- und
Viertplatzierten] Island (81,56 Prozent) und Spanien (80,26 Prozent): 79,4
Prozent der Bevölkerung in Bremen sind geimpft. Hamburg, das Saarland,
Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wären mit über 70 Prozent
europaweit unter den Top Ten.
Die hohe Bremer Impfquote lässt sich nicht damit erklären, dass es dort so
wenig Anthroposoph:innen gäbe. Mit drei Waldorfschulen existieren
anteilig auf die Bevölkerung gerechnet genauso viele Waldorfschulen wie im
Steiner-Kernland Baden-Württemberg.
## Vertrauen schaffen durch Verzicht auf Ausgangssperren
Tatsächlich haben [5][die Bremer Regierung und Verwaltung die Impfkampagne
vorbildlich organisiert]. Zudem hat die Regierung das Vertrauen der
Bevölkerung gestärkt, unter anderem indem sie auf das Androhen von
Ausgangssperren verzichtet hat.
Außerdem haben die Verantwortlichen früh erkannt, dass sie Menschen mit
wenig formaler Bildung erreichen müssen und solche, die kaum Deutsch
sprechen. Denn dort sind die Wege zum Impfen grundsätzlich am weitesten,
wie die alle zwei Jahre durchgeführte [6][Befragung der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung] (BZgA) über Einstellungen zum Impfen
feststellt: „Unter den Befragten mit formal höherer Schulbildung ist der
Anteil der Impfbefürworter höher als unter Personen mit niedrigerem oder
mittlerem Bildungsniveau.“ Und: „Befragte ohne Migrationshintergrund können
etwas häufiger als Personen mit Migrationshintergrund als Impfbefürworter
bezeichnet werden.“
Allgemein hätten „Ostdeutsche häufiger eine befürwortende Haltung gegenüb…
Impfungen als Westdeutsche“. Das trifft allerdings nicht auf die
Covid-Impfung zu. [7][Die von der Universität Erfurt koordinierte
Cosmo-Studie] fragt seit Pandemiebeginn Einstellungen zur Covid-Impfung ab.
Sie stellt fest, dass Ungeimpfte „häufiger einen Migrationshintergrund“
hatten, aber auch „eher aus Ostdeutschland“ kamen. Mit Ausnahme von
Mecklenburg-Vorpommern liegen die ostdeutschen Bundesländer bei den
Impfquoten zum Teil deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.
## Rund die Hälfte der bisher Ungeimpften fühlt sich gedrängelt
Auch die Gründe haben die Cosmo-Autor:innen abgefragt: „Etwa die Hälfte der
bisher Ungeimpften mit niedriger Impfbereitschaft möchte sich nicht impfen
lassen, weil sie sich gedrängelt fühlen“, heißt es in der jüngsten
Veröffentlichung von Anfang November. Und „für 18 Prozent der Ungeimpften
mit niedriger Impfbereitschaft ist das Nichtimpfen eine Möglichkeit, die
Unzufriedenheit mit der Regierung auszudrücken“. Zudem würden sie „deutli…
die Effektivität der Impfungen“ unterschätzen.
Mitte Oktober hatte auch das [8][Bundesgesundheitsministerium eine
Untersuchung] zu Gründen von Ungeimpften veröffentlicht. Das größte
Hindernis scheint demnach die Angst zu sein: Drei Viertel der Befragten
hätten der Aussage „voll und ganz“ zugestimmt, sie hätten sich nicht impf…
lassen, weil sie die Impfstoffe „für nicht ausreichend erprobt“ halten.
## Viele tun sich schwer mit Entscheidungen
Auch anekdotische Berichte legen nahe, dass der Begriff „Impfgegner“ nicht
weit führt. „Die meisten, die jetzt erst zu mir zum Impfen kommen, sind
Menschen, die sich schwer mit Entscheidungen tun“, sagte Hans-Michael
Mühlenfeld vergangene Woche der taz, er ist Vorsitzender des Bremer
Hausärzteverbands. Und Janosch Dahmen, grüner Bundestagsabgeordneter und
Rettungsarzt, hatte [9][im taz-Interview seine Beobachtung beschrieben],
dass die Ungeimpften auf den Intensivstationen „mehrheitlich keine
Hardcore-Coronaleugner“ seien, „sondern Menschen mit wenig Geld, wenig
Bildung und schlechtem Zugang zum Gesundheitswesen“.
Die These einer tief im deutschen Wesen verwurzelten Impfskepsis lässt sich
somit nicht aufrechterhalten. Die Studie der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung besagt, dass der Anteil von Menschen, die
Impfungen ganz ablehnen, mit 2 Prozent konstant niedrig ist, in den
Vorjahren sogar gesunken war. Hinzu kommen 2 Prozent, die Impfungen „eher
ablehnen“.
21 Nov 2021
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/kultur/waldorfschule-und-impfgegner-in-steiners-sekt…
[2] https://www.derstandard.de/story/2000131103974/warum-ist-die-impfquote-in-d…
[3] https://ourworldindata.org/explorers/coronavirus-data-explorer?zoomToSelect…
[4] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquot…
[5] /Corona-Impfkampagne/!5772400
[6] https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/Infektionsschutzstudi…
[7] https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/topic/impfung/10-impfungen/#me…
[8] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C…
[9] /Gruenen-Gesundheitsexperte-zu-Impfpflicht/!5812324
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
GNS
Verschwörungsmythen und Corona
Impfung
Romantik
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Boostern
Pandemie
Schwerpunkt Coronavirus
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Coronavirus
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ursprünge der Impfskepsis: Eine deutsche Besonderheit
In deutschsprachigen Ländern herrscht Misstrauen gegenüber der Impfung. Das
ist auf die Romantik zurückzuführen – aber auch auf Politikversagen.
Krampf mit den Impfterminen: Das lange Warten
Auch im Norden wollen sich mehr Menschen boostern lassen. Doch die Behörden
organisieren das unterschiedlich.
Vorurteile gegen Ungeimpfte: Impfpflicht zur Beruhigung
Die Ungeimpften sind keine homogene Gruppe, viele sind durchaus zur Impfung
bereit. Eine Pflicht zum Piks könnte ihr Dilemma beenden.
Gesundheitsbeauftragter zu Corona: „20.000 Impfungen am Tag“
Die meisten Impfungen müssen die Arztpraxen stemmen, sagt der Kölner
Gesundheitsbeauftragte Harald Rau. Karneval sei kein Fehler gewesen.
Corona-Lage in Deutschland: Verärgerte Ärzte und Autovergleiche
Die Äußerung von Spahn über die begrenzte Lieferung von
Biontech-Impfstoffen sorgt für Kritik. Am Montag verteidigte er seine
Entscheidung.
Nachrichten in der Coronakrise: Merkel für strengere Regeln
Laut Jens Spahn kommen im Dezember Millionen Impfdosen für Kinder. Die
Landesärztekammer Sachsen muss Triage vorbereiten. Die Inzidenz steigt auf
386,5.
Grünen-Gesundheitsexperte zu Impfpflicht: „Sie haben ein Recht auf Schutz“
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen will eine Impfpflicht in
wenigen Einrichtungen. Auch für lokale Lockdowns spricht er sich aus.
Erfolgreiche Impfkampagne in Bremen: Nächster Halt Biontech
79 Prozent Erstgeimpfte: Bremen hat die höchste Impfquote in Deutschland.
Täglich erreichen Impfmobile hunderte Neue – auch jene, die skeptisch sind.
Corona-Impfkampagne: Bremen Deutscher Meister
Kurze Wartezeiten und hohe Quoten: Der Stadtstaat Bremen zeigt, wie eine
Gesundheitskampagne auch Menschen in ärmeren Stadtteilen erreicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.