| # taz.de -- Erfolgreiche Impfkampagne in Bremen: Nächster Halt Biontech | |
| > 79 Prozent Erstgeimpfte: Bremen hat die höchste Impfquote in Deutschland. | |
| > Täglich erreichen Impfmobile hunderte Neue – auch jene, die skeptisch | |
| > sind. | |
| Bild: Arajik Arakelian nimmt die Impfung jetzt doch. „Ist ja letztendlich nur… | |
| Bremen taz | Der kleine Platz neben dem Einkaufszentrum ist dicht belegt: | |
| Ein Lkw, zwei Busse und ein bisschen Flatterband bilden ein Karree an der | |
| „Berliner Freiheit“ in der Vahr. Die roten Dächer der Pavillons dazwischen | |
| sehen ein bisschen nach SPD-Wahlkampf aus, aber das kann nicht sein, denn | |
| erstens ist die Wahl schon vorbei und zweitens wäre dort, Scholz hin, | |
| Scholz her, nicht ganz so viel Andrang. | |
| Gut ein Dutzend Menschen stehen mit Masken in einer Schlange vor dem | |
| Einlass. Tatsächlich gibt es was umsonst – mehr Sicherheit, mehr | |
| Normalität, mehr Bewegungsfreiheit: Eine Impfung. Seit Ende Juni setzt | |
| Bremen bei den Impfungen neben Impfzentrum und Arztpraxen auch aufs | |
| Impfmobil. 71 Einsätze habe es bisher gegeben, sagt das Gesundheitsressort, | |
| durchgeführt wurden dabei rund 23.700 Impfungen. Nur ein kleiner Anteil | |
| also der insgesamt 1.017.000 Impfungen, die es in Bremen bereits gegeben | |
| hat. | |
| Doch das Impfmobil, so die Hoffnung, erreicht jene, die sich sonst eher | |
| keinen Impftermin machen würden. Der [1][Erfolg gibt Bremen bisher recht]: | |
| 79,1 Prozent der Menschen im Bundesland [2][haben sich bis Anfang Oktober] | |
| schon einmal impfen lassen; weit dahinter auf dem zweiten Platz liegt | |
| Schleswig-Holstein mit 72,8 Prozent Erstgeimpften. Bei den Menschen über 18 | |
| sind es in Bremen sogar 91,9 Prozent. | |
| Und mit dem Impfmobil kommen bei jedem Einsatz hunderte Menschen neu dazu. | |
| Hüsnü Asuman, an diesem Donnerstag Schichtleiter des DRK-Impfmobils, zeigt | |
| nur auf die Schlange und den gut besetzten Wartebereich an diesem | |
| Donnerstagmittag: „Wenn wir vor einem Einkaufszentrum stehen, ist immer so | |
| viel los.“ | |
| ## Aufklären, entgegenkommen, leicht machen | |
| Das Impfmobil ist das, was im Sozialarbeitersprech als „niedrigschwelliges | |
| Angebot“ durchgeht: Das Mobil kommt in die Stadtteile, niemand braucht | |
| einen Termin. Es gibt vor Ort ärztliche Beratung und die freie Wahl | |
| zwischen zwei Impfstoffen; wer sich impfen lassen will muss eine | |
| Krankenkassenkarte und einen Ausweis vorlegen. Das sind ähnliche Umstände | |
| und die gleichen Formalitäten wie im Impfzentrum oder bei Hausärzt*innen | |
| „Aber es scheint einfach unkomplizierter“, meint Asuman, „und die Stimmun… | |
| die ist noch lockerer.“ | |
| Gut gelaunt erscheinen auch Arajik Arakelian und Benjamin Schunk, die | |
| beiden Einzelhandelsazubis witzeln mit einer Helferin des Impftrucks, die | |
| Sonne scheint, eigentlich müssten sie jetzt in der Schule sein. Arakelian | |
| ist Anfang 20, in der Ausbildung, und nein – eigentlich wollte er sich | |
| nicht unbedingt impfen lassen. Er hat Angst vor Nebenwirkungen, „wobei | |
| Angst jetzt das falsche Wort ist“, aber man lese ja schon so einiges. Nun | |
| aber hat er von der Berufsschule extra frei bekommen, weil das Impfmobil im | |
| Stadtteil ist. Ein paar andere Jungs aus seinem Jahrgang sind auch dabei; | |
| nun ja, jetzt ist er also hier. | |
| Ein Teil des Geheimnisses des Bremer Impferfolgs, da ist sich Hüsnü Asuman | |
| sicher, ist dies: Dass die Institutionen alle an einem Strang ziehen, und | |
| dass es den Menschen leicht gemacht werde. Seit Tagen wissen die Menschen | |
| in der Vahr über Aushänge, dass das Impfmobil kommt, extra Werbung ist | |
| meist nicht nötig. Vor dem Impfmobil steht trotzdem noch [3][die | |
| Gesundheitsfachkraft fürs Quartier], Julia Törper, und spricht einzelne | |
| Passant*innen an, wenn sie das Gefühl hat, dass der Andrang kleiner | |
| wird. | |
| ## Der Druck auf Ungeimpfte wächst | |
| Mittlerweile, so meint Asuman, gewinne aber neben Aufklärung und | |
| Entgegenkommen eine andere Komponente an Bedeutung: der Druck. Das Mobil | |
| werde immer mehr auch von jenen besucht, die sich gedrängt fühlen zur | |
| Impfung. „Das sind zum Teil Impfgegner oder sogar Coronaleugner“, so | |
| Asuman. „Aber viele haben jetzt keine Lust mehr, sich ständig testen zu | |
| lassen.“ Das schlage sich auch auf die Stimmung nieder, „man merkt das an | |
| Gestik und Mimik“, so der Impfmobil-Leiter. Friedlich und freundlich seien | |
| die Besucher*innen trotzdem. | |
| Der Druck wächst tatsächlich: Seit 1. Oktober können sich | |
| Gastronom*innen und Vereine auch in Bremen für eine 2-G-Lösung | |
| entscheiden, also nur noch Geimpfte und Genesene einlassen. Noch wichtiger: | |
| Wer als Ungeimpfte*r in Quarantäne muss, bekommt in Zukunft für diese | |
| Zeit keinen Lohn mehr. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) hatte | |
| im Bundesrat zwar gegen diese Regelung gestimmt. Gelten wird sie trotzdem. | |
| An weiteren Stellschrauben wird gedreht: Am Freitag hat sich [4][Bremens | |
| neue Bildungssenatorin Sascha Aulepp] (SPD) dafür ausgesprochen, | |
| [5][Menschen, die mit Kindern arbeiten,] zum Impfen zu verpflichten. | |
| ## Einige fühlen sich eher gedrängt | |
| Jene, die sich eher gedrängt fühlten, entschieden sich meist für Johnson | |
| und Johnson, erzählt Asuman. „Mit einer Spritze sind sie durch.“ Daniela | |
| Weber (Name geändert) ist eine von ihnen. „Es fühlt sich nicht freiwillig | |
| an“, erzählt sie. Die Pflegeschülerin arbeitet im Krankenhaus. Ihr | |
| Impfstatus kann jetzt vom Arbeitgeber abgefragt werden. Bald sei sie wieder | |
| auf Station und müsse dann jeden Tag getestet werden. „Das ist eine so | |
| unangenehme Situation“, sagt sie, „ich fühle mich vorgeführt und sozial | |
| ausgegrenzt. Alle fragen ständig, warum man nicht geimpft ist.“ | |
| Wie Covid-19 wirken kann, weiß sie aus eigener Anschauung von ihrer Arbeit. | |
| Aber: Sie als junge Frau sei schlicht nicht besonders gefährdet. Bei der | |
| Impfung hat sie mehr Bedenken: „Ich will noch schwanger werden“, sagt sie, | |
| ob Kinder dann gesund auf die Welt kämen, dazu gebe es einfach noch keine | |
| Erfahrung. Dann lacht sie trotzdem. „Es wäre dumm, sich lange zu ärgern“, | |
| sagt sie. „Ich bin jetzt hier und ziehe das durch. Es wird schon in Ordnung | |
| sein.“ | |
| ## Impfung im Bus aus Überzeugung | |
| Arakelian hat sich dagegen für Biontech entschieden: Wenn schon, dann die | |
| effektivste Lösung. Er sitzt mittlerweile im ärztlichen Beratungsgespräch. | |
| „Dass es unbekannte Langzeitwirkungen gibt, ist kaum vorstellbar“, erklärt | |
| Fritz Schnapper ihm gerade. „Der Impfstoff transportiert nur die | |
| Informationen; dann wird er abgebaut und ist weg.“ | |
| Schnapper ist eigentlich Kinder- und Jugendpsychiater. Seit Januar | |
| unterstützt der Arzt aber die Bremer Impfkampagne: Er war im Impfzentrum, | |
| mit den mobilen Teams im Altersheim, jetzt eben vor den Einkaufszentren. | |
| Seine Praxis, das sind aktuell die paar Sitze hinten im Bus, neben der | |
| Haltestange. Weiter vorne setzt seine Kollegin die Spritzen. Schnapper | |
| arbeitet aus Überzeugung. „Die Intensivstationen füllen sich wieder“, sagt | |
| er, „und das ausschließlich mit Ungeimpften.“ Die 7-Tage-Inzidenz bei | |
| Geimpften im Land Bremen liegt l[6][aut Bericht vom 30. September] bei 26; | |
| die der Ungeimpften bei 366. | |
| Arakelian findet es ganz in Ordnung, jetzt geimpft zu sein. „Es ist ja | |
| letztendlich nur ein Pieks“, sagt er. Ein paar andere bringen sogar etwas | |
| Enthusiasmus auf: „Halleluja!“, ruft einer seiner Mitschüler, als er den | |
| Impfpass überreicht bekommt. | |
| 4 Oct 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Corona-Impfkampagne/!5772400 | |
| [2] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquot… | |
| [3] /!5763367/ | |
| [4] /Neue-Bremer-Bildungssenatorin/!5762307 | |
| [5] /Lehrerinnen-und-Erzieherinnen/!5802669 | |
| [6] https://www.gesundheit.bremen.de/corona/corona/zahlen/corona-fallzahlen-376… | |
| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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