# taz.de -- Debatte um Lohnfortzahlungen: Dem Impfmuffel ans Portemonnaie | |
> Die Gesundheitsminister:innen wollen mit einem kontroversen | |
> Vorstoß das Impftempo beschleunigen. Die Gewerkschaften haben eine andere | |
> Idee. | |
Bild: Ohne Geld macht auch das Rumlatschen zu Hause keinen Spaß | |
Wie lässt sich die maue Impfbereitschaft in der bundesdeutschen Bevölkerung | |
steigern? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und etliche seiner | |
Amtskollgeg:innen in den Ländern wollen jetzt auf schwarze Pädagogik | |
setzen. [1][Nachdem bereits ausgemacht ist, dass ab Oktober die Kosten für | |
Coronatests in der Regel nicht mehr vom Staat bezahlt werden], soll es nun | |
abhängig beschäftigten Impfmuffeln noch weitaus heftiger ans Portemonnaie | |
gehen: Sie sollen keinen Anspruch mehr auf eine Erstattung ihres | |
Verdienstausfalls haben, wenn sie sich auf behördliche Anweisung in | |
Coronaquarantäne begeben müssen. Die Gewerkschaften reagieren empört. | |
Bisher gilt für alle Arbeitnehmer:innen, dass sie Anspruch auf eine | |
staatlich finanzierte Lohnfortzahlung haben, wenn sie aufgrund einer | |
eigenen Infektion oder eines Kontakts zu Infizierten in häusliche Isolation | |
müssen und dadurch nicht arbeiten können. So schreibt es das | |
Infektionsschutzgesetz vor. Allerdings enthält dieses Gesetz auch einen | |
Passus, der davon jene ausschließt, die „durch Inanspruchnahme einer | |
Schutzimpfung oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, die | |
gesetzlich vorgeschrieben ist“, ihre „Absonderung“ hätten vermeiden kön… | |
Nun wollen die Gesundheitsminister:innen von Bund und Ländern diesen | |
Passus nutzen. In einer Videoschalte wollen sie sich am kommenden Mittwoch | |
darauf verständigen, Ungeimpften keine Entschädigung mehr zuzugestehen. Es | |
sei „unfair“ gegenüber der Solidargemeinschaft, wenn sie für deren | |
Verdienstausfall aufkommen müsse, obwohl es Impfmöglichkeiten gebe, sagte | |
ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. | |
Noch ist allerdings unklar, ob es eine bundesweit einheitliche Regelung | |
geben wird. Bereits am Mittwoch preschte Baden-Württemberg vor. „Es ist | |
ausreichend informiert und Angebote zur Impfung gemacht worden und jetzt | |
entscheiden alle, die sich leider bis jetzt nicht impfen lassen, auch | |
darüber, dass sie über diese staatliche Solidarität nicht mehr verfügen | |
können“, begründete der grüne Gesundheitsminister Manfred Lucha im | |
Deutschlandfunk das Vorgehen der grün-schwarzen Landesregierung. In | |
Rheinland-Pfalz und Bremen soll die Verdienstausfallentschädigung am 1. | |
Oktober auslaufen, in Nordrhein-Westfalen am 11. Oktober. Weitere Länder | |
wollen folgen. | |
## Kritik von Gewerkschaften | |
Umstritten ist noch die Frage nach einer möglichen Übergangsfrist. [2][So | |
halten Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eine solche Frist nicht | |
für nötig, während das Sozialministerium in Mecklenburg-Vorpommern | |
gegenüber dem Handelsblatt erklärte,] dass eine Übergangsfrist von sechs | |
Wochen angestrebt werde. In Bremen soll es eine Übergangsfrist von rund | |
zwei Wochen geben, damit jede und jeder noch die Möglichkeit erhält, sich | |
vollständig zu immunisieren. | |
Bei den Gewerkschaften stößt das Vorgehen der | |
Gesundheitsminister:innen auf Unverständnis. Damit werde eine | |
„Impfpflicht durch die Hintertür“ eingeführt, kritisierte der | |
DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann im Deutschlandfunk. „Mit einem solchen | |
Zwang werden wir die Impfquote nicht deutlich erhöhen“, sagte er. Zudem | |
bemängelte er, dass die arbeitsrechtlichen Konsequenzen des Schritts nicht | |
durchdacht seien. | |
„Die Politik steht im Wort, dass Impfen freiwillig bleiben soll“, sagte | |
Verdi-Chef Frank Werneke den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Debatte | |
zur Streichung des Entgeltersatzes sei kontraproduktiv und sorge für | |
Verunsicherung. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften leisteten seit | |
Monaten einen aktiven Anteil daran, das Impftempo in Deutschland zu | |
beschleunigen. „Arbeitgeber sind nun gefordert, nachdrücklich für Impfungen | |
zu werben und sie in der Arbeitszeit zu ermöglichen“, forderte Werneke. | |
## Unter dem Radar der Gesundheitsbehörden | |
„Die Streichung der Lohnfortzahlung kann schlimmstenfalls dazu führen, dass | |
betroffene Beschäftigte die Quarantäne ignorieren, um Lohneinbußen zu | |
vermeiden“, warnte die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im | |
Bundestag, Susanne Ferschl. „Damit erweist man dem Infektionsschutz einen | |
Bärendienst.“ | |
Tatsächlich könnte Wegfall der Lohnfortzahlung im Quarantänefall dazu | |
führen, dass Ungeimpfte versuchen, nicht von den Gesundheitsbehörden | |
erfasst zu werden – beispielsweise durch den Verzicht auf Coronatests. | |
Keine ökonomische Angst müssen sie übrigens haben, wenn sie sich nicht nur | |
mit dem Coronavirus infizieren, sondern tatsächlich daran erkranken. Denn | |
die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall soll unangetastet bleiben. | |
15 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Corona-Schnelltests-nicht-mehr-gratis/!5788271 | |
[2] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/quarantaene-keine-entschae… | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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