# taz.de -- Kehrtwende der Landesregierung: Die Ausnahme bestätigt die Regel | |
> Der Senat korrigiert seinen 2G-Beschluss und baut Sonderregel für Kinder | |
> ein, nachdem auch SPD-Spitzenkandidatin Giffey Änderungen forderte. | |
Bild: Gerade Ort von Beschlüssen mit kurzer Haltbarkeit: Gerade Ort kurzlebige… | |
Berlin taz | Artikel 55 der [1][Berliner Verfassung] ist eigentlich | |
eindeutig: „Die Regierung wird durch den Senat ausgeübt“, steht in Satz 1, | |
in Satz 2 folgt, dass dieser Senat aus dem Regierenden Bürgermeister und | |
bis zu zehn Senatoren besteht. Am Mittwoch aber hat eine Frau regiert, die | |
dem Senat zumindest bislang nicht angehört. Mit Kritik an der von ihren | |
SPD-Parteifreunden geführten rot-rot-grünen Regierung hat Spitzenkandidatin | |
Franziska Giffey maßgeblich für eine Korrektur bei der erst tags zuvor | |
beschlossenen 2G-Regelung in Sachen Corona gesorgt. „Ich erwarte, dass hier | |
schnell eine Ausnahmeregelung für Kinder getroffen wird“, twitterte Giffey | |
um 8.22 Uhr. Knapp zweieinhalb Stunden später [2][räumte die grüne | |
Vize-Regierungschefin Ramona Pop Fehler] ein und kündigte wie die | |
Gesundheitsverwaltung eine Korrektur an, die am Nachmittag Fakt war. | |
Wie der bisherige Beschluss zu der Coronaverordnung soll die korrigierte | |
Fassung am Freitag im Amtsblatt veröffentlicht werden und ab Samstag | |
gelten. Vorausgegangen war heftiger Protest daran, dass es beim sogenannten | |
2G-Optionsmodell keine Ausnahmeregelung für Kinder unter zwölf Jahren geben | |
sollte, für die es bislang keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Dieses | |
Modell überlässt es den jeweiligen Inhabern und Anbietern, ob nur noch | |
Geimpfte und Genesene, abgekürzt zu 2G, Zugang zu ihren Lokalen und | |
Angeboten haben oder wie bislang, als 3G, auch Getestete. Gilt 2G, fallen | |
dort Maskenpflicht und Abstandsregeln weg. Ausnahmen lehnte | |
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Dienstag mit Verweis auf ein | |
höheres Ansteckungsrisiko ab. | |
Die Frage nach 2G war nicht überraschend aufgetaucht, sondern beschäftigt | |
den Senat seit über drei Wochen. Am 31. August gab es nach einem | |
entsprechenden Urteil des Verwaltungsgerichts den Beschluss, dass Clubs | |
unter 2G-Bedingungen wieder öffnen durften. Die Grünen hatten während | |
dieser Zeit mehrfach betont, dass sie eine 2G-Regelung nur mit einer | |
Ausnahmeregelung für Kinder mittragen würden, wie sie etwa im rot-grün | |
regierten Hamburg gilt. Noch am Montagabend machte das Spitzenkandidatin | |
[3][Bettina Jarasch im taz Talk] klar. | |
Doch Anwesende berichten, dass in der Senatssitzung am Dienstag Widerspruch | |
von grüner Seite ausblieb, als die 2G-Beschlussvorlage aus der | |
SPD-geführten Gesundheitsverwaltung keine Ausnahmen vorsah. Von den drei | |
grünen Senatsmitgliedern sei keine Kritik gekommen, schrieb Sozialsenatorin | |
Elke Breitenbach (Linkspartei) via Twitter. | |
Allerdings kam nach Darstellung aus dem Teilnehmerkreis auch von der | |
Linkspartei kein „Mit mir nicht“, das den Beschluss verhindert hätte. Der | |
fiel, wie oft im Senat, nicht in einer förmlichen Abstimmung. Stattdessen | |
galt die Regelung als beschlossen, als es nach einer Zusammenfassung durch | |
Regierungschef Michael Müller (SPD) keinen weiteren Widerspruch gab. | |
## Grüne leiteten Protest ein | |
Erster Protest – der sich zwangsläufig auch gegen die eigenen Parteifreunde | |
richtete – war schon am Dienstagabend von Grünen-Fraktionschefin Silke | |
Gebel gekommen. „Es gibt noch keine Impfoption für u12 (unter 12-Jährige, | |
d. taz), hier muss die Lebensrealität abgebildet werden“, schrieb Gebel auf | |
Twitter. Spitzenkandidatin Jarasch legte am Mittwochmorgen in einer | |
Presseerklärung nach und sprach von einem „gestrigen Fehler“ des Senats. | |
Eine der Angesprochenen, die grüne Wirtschaftssenatorin Pop, leistete | |
daraufhin öffentlich Abbitte. „Gestern ist auch mir ein Fehler | |
unterlaufen“, twitterte sie, „ich habe versäumt, auf Ausnahmen für Kinder | |
unter 12 Jahren bei der 2G-Regel zu drängen.“ Man werde diese Entscheidung | |
korrigieren, „um Kinder nicht von der Teilhabe auszuschließen“, versprach | |
Pop. Die am späten Nachmittag beschlossene Ausnahme beschränkt sich nach | |
Senatsangaben auf Kinder und schließt nicht jene mit ein, die sich nicht | |
impfen lassen können. | |
SPD-Spitzenkandidatin Giffey wiederum musste sich nach ihrer Kritik am | |
2G-Beschluss Spott gefallen lassen. „Wenn die SPD in Berlin doch nur im | |
Senat mitregieren würde“, lautete etwa eine Replik auf ihre Intervention – | |
die Sozialdemokraten tun das seit 1989 ununterbrochen. Von einer anderen | |
Twitter-Nutzerin hieß es kritisch: „Das ist das Muster seit Wochen, dass | |
Giffey sich auf diese Weise als die inszenieren kann, die es richtet, wenn | |
eine Entscheidung des Senats Mist ist.“ | |
Eine so schnelle Änderung eines gerade erst gefassten Beschlusses ist aus | |
den vergangenen beiden Jahrzehnten nicht bekannt. Selbst die im März von | |
der Ministerpräsidentenkonferenz erst beschlossene, dann wieder gekippte | |
bundesweite „Osterruhe“ war nicht so zügig wieder vom Tisch. | |
Dass die Ausnahmeregelung bloß für einen Übergang gelten soll, hat mit dem | |
Warten auf einen zugelassenen Impfstoff für Kinder zu tun: Ab Oktober | |
könnten, s[4][o die Hoffnung von Hersteller Biontech], auch die ersten | |
Kinder geimpft werden. Das Unternehmen hat vergangene Woche angekündigt, in | |
Kürze eine Zulassung seines Impfstoffs für Fünf- bis Elfjährige zu | |
beantragen. Erfolgt die, steht noch eine Empfehlung durch die Ständige | |
Impfkommission aus. Die hatte sich damit [5][bei der Altersgruppe der 12- | |
bis 17-Jährigen allerdings schwer getan] und eine Impfung erst Mitte August | |
empfohlen. | |
15 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/rbmskzl/regierender-buergermeister/verfassung/artikel… | |
[2] https://twitter.com/RamonaPop/status/1438062464483184640 | |
[3] /taz-Talk-mit-Bettina-Jarasch/!5800895 | |
[4] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/moderna-biontech-kinder-im… | |
[5] /Staendige-Kommission-aendert-Empfehlung/!5793843 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Franziska Giffey | |
Ramona Pop | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
R2G Berlin | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Dilek Kalayci | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Coronapolitik des Berliner Senats: Flashback in den Herbst 2020 | |
Berlins Regierender Bürgermeister kündigt Einschränkungen an, ohne konkret | |
zu werden. Es wirkt, als habe Berlin nichts aus dem Lockdown gelernt. | |
SPD-Kandidatin Giffey in Berlin: Regierende Kindergärtnerin | |
Franziska Giffey kann mit Menschen. Sie hat aber auch eine strenge Seite – | |
als Bremserin etwa beim Klimaschutz. Wird sie so Berliner Bürgermeisterin? | |
Generaldebatte im Abgeordnetenhaus: Time to say Goodbye | |
In der letzten Sitzung vor der Wahl herrscht Abschiedsstimmung im | |
Parlament. Regierungschef Müller attackiert die neue AfD-Frontfrau. | |
Debatte um Lohnfortzahlungen: Dem Impfmuffel ans Portemonnaie | |
Die Gesundheitsminister:innen wollen mit einem kontroversen Vorstoß | |
das Impftempo beschleunigen. Die Gewerkschaften haben eine andere Idee. | |
taz-Rechtsexperte zur neuen Regelung: Keine juristischen Probleme mit 2G | |
Das 2G-Konzept ist optional, aber wohl auch zwangsweise zulässig. | |
Gastro-Betriebe könnten auch darum bei 3G bleiben, weil Gäste weiter | |
Abstand wollen. | |
Berlin beschließt 2G-Option für Kneipen: Solidarität sieht anders aus | |
Die Entscheidung des Senats, 2G ohne Ausnahmen für Kinder zu ermöglichen, | |
stößt auf starken Widerspruch. Und sie düpiert die Grünen. | |
Landesregierung erneuert Corona-Regeln: Senat mag 2G nicht vorschreiben | |
Bei „Optionsmodell“ sollen Gastronomen und Kulturanbieter selbst | |
entscheiden, ob sie bei 3G bleiben oder nur Geimpfte und Genesene | |
reinlassen. | |
Regeländerung bei Corona: R2G beschließt 2G für Clubs | |
Senat erneuert Corona-Ampel und ermöglicht „Tanzlustbarkeiten“ für Geimpf… | |
und Genesene, nicht aber für Getestete. |