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# taz.de -- Finanzierung des ÖPNV: U-Bahn-Abgabe für Arbeitgeber
> Der ÖPNV wird durch Ticketeinnahmen und öffentliche Zuschüsse finanziert.
> Dabei gibt es viel mehr Möglichkeiten, zeigt eine Studie.
Bild: Eine andere Finanzierung ist möglich: ÖPNV braucht mehr als Zuschüsse …
Berlin taz | Die Preise für den öffentlichen [1][Nahverkehr] steigen immer
weiter – obwohl in fast jeder Sonntagsrede der Umstieg vom Auto auf Busse
und Bahnen beschworen wird. Viele Verkehrsbetriebe haben in den vergangenen
Wochen eine Tarifanhebung angekündigt. „Das geht in die falsche Richtung“,
sagt Hendrik Sander, Politikwissenschaftler an der Bauhaus-Universität
Weimar. „Die Ticketpreise sind bereits heute zu hoch.“ Sander hat in einer
Studie für die linksparteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung untersucht, welche
Finanzierungsmöglichkeiten es gibt, damit der öffentliche
Personennahverkehr (ÖPNV) ausgebaut und gleichzeitig günstiger werden kann.
Anderswo ist man weiter als in Deutschland. In Luxemburg etwa ist [2][der
öffentliche Verkehr kostenlos]. Der Staat finanziert das über Steuern. In
Frankreich bieten mehr als 30 Städte ganz oder teilweise kostenlose Busse
und Bahnen an. Dort gibt es seit Jahrzehnten eine Nahverkehrsabgabe, die
Kommunen von Unternehmen erheben können. Tallin hat 2013 beschlossen, für
die rund 435.000 Einwohner:innen den ÖPNV kostenlos zu machen. Die
Stadt finanziert das, indem sie mehr Bürger:innen dazu brachte, sich
dort anzumelden – was zu höheren Steuermitteln führte.
Auch in Deutschland gibt es Beispiele: In Pfaffenhofen bei München kostet
die Nutzung der Stadtbusse seit 2018 nichts. Auch im rheinischen Monheim
ist das der Fall. Im brandenburgischen Templin wurde der 1997 eingeführte
Nulltarif wieder kassiert, seit 2002 müssen die Bürger:innen aber eine
Jahreskarte kaufen. In etlichen deutschen Städten gibt es Initiativen, die
sich für einen kostenlosen ÖPNV einsetzen.
Vor der Coronakrise nahmen die Verkehrsunternehmen in Deutschland im Jahr
aus Ticketverkäufen rund 13 Milliarden Euro ein, hinzu kamen staatliche
Zuschüsse von Bund, Ländern und Kommunen von insgesamt 11 Milliarden Euro.
Der Bund gibt unter anderem Einnahmen aus der Mineralölsteuer weiter. Dass
der Staat einfach die 13 Milliarden Euro aus Ticketeinnahmen übernimmt und
der ÖPNV damit bundesweit kostenlos wird, ist nicht durchsetzbar, glaubt
Sander. Und reichen würde es auch nicht.
## Vorreiter Portland und Wien
Der Nahverkehr ist in den vergangenen Jahren finanziell ausgetrocknet
worden, der Investitionsbedarf ist enorm hoch. Bis 2030 soll sich die Zahl
der Fahrgäste verdoppeln, das ist das erklärte Ziel der Verkehrspolitik von
Bund und Ländern. „Um das zu erreichen, müssten jährlich 8 Milliarden Euro
in den Ausbau der Infrastruktur fließen, hinzu kommen 4 Milliarden
jährlich für das zusätzliche nötige Personal“, sagt Sander unter Verweis
auf Berechnungen der Gewerkschaft Verdi.
Sollen die Ticketpreise nicht weiter steigen, sondern sinken, müssen neue
Finanzierungsquellen her. „Es gibt nicht den einen Hebel, mit dem man den
gesamten Finanzierungsbedarf decken kann“, sagt er. „Am besten ist ein Mix
aus verschiedenen Instrumenten.“ Eine Möglichkeit: sogenannte
Nutznießerbeiträge. Sie kommen von denjenigen, die einen Vorteil davon
haben, dass andere Busse und Bahnen nutzen, etwa Unternehmen,
Immobilienbesitzer:innen oder touristische Veranstalter. „Durch
den Anschluss an den ÖPNV steigt der Wert eines Grundstücks“, sagt Sander.
„Diesen Vorteil sollte man abschöpfen. Rechtlich ist das möglich. Und es
könnte einer Stadt wie Berlin Hunderte Millionen Euro bringen. Die Politik
muss es nur anpacken.“ Vorbilder dafür gibt es.
Im US-amerikanischen Portland finanzieren Unternehmen und Selbstständige
über eine Steuer mehr als die Hälfte der Kosten für den ÖPNV der Stadt. In
Wien wurde 1970 eine Abgabe für Arbeitgeber zur Finanzierung der U-Bahn
eingeführt, die 2 Euro pro Beschäftigtem und Woche beträgt. Die
österreichische Hauptstadt hat außerdem die Parkgebühren erheblich
ausgeweitet und konnte sie bereits 2012 das 365-Euro-Jahresticket für den
Nahverkehr einführen. Gebühren für Autofahrer:innen, die in den ÖPNV
fließen, sind eine weitere Finanzierungsquelle.
## ÖPNV reicht nicht als Grund für Parkgebühren
Allerdings sind die Möglichkeiten der Kommunen hier begrenzt. Nach einem
Urteil der Bundesverfassungsgerichts kann eine flächendeckende
Parkraumbewirtschaftung nicht einfach mit der Stärkung des ÖPNV begründet
werden, sondern nur mit der Sicherheit und Ordnung im Verkehr. [3][Eine
Citymaut], wie es sie etwa in London oder in Stockholm gibt, könnte auch in
deutschen Städten eingeführt werden.
Eine weitere Möglichkeit: das sogenannte Bürger:innenticket. Dabei müssen
alle Einwohner:innen einen Beitrag für den ÖPNV zahlen – ob sie ihn
nutzen oder nicht. Über eine Kurtaxe können auch Besucher:innen
einbezogen werden. Allerdings gibt es für das Bürger:innenticket bislang
kein Beispiel – aber in etlichen Städten Initiativen, die sich dafür
einsetzen.
Wirklichkeit werden könnte ein Bürger:innenticket als Erstes im
rot-rot-grün regierten Bremen. Dort hat die [4][Initiative „einfach
einsteigen“ viel Druck für einen ticketlosen Nahverkehr] gemacht. Anders
als die autofixierte Berliner SPD sind die Bremer Sozialdemokrat:innen
dafür aufgeschlossen. Sie wollen einen Mobilitätszuschlag einführen, der
über die Grundsteuer für Eigentümer:innen von Gewerbegebäuden und
Privathäusern abgewickelt wird. Dieser Zuschlag soll die wegfallenden
Ticketeinnahmen kompensieren. Die Belastung für Bürger:innen würde
diesem Modell zufolge unter 20 Euro im Monat liegen und bei Beziehenden von
Sozialleistungen vom Amt übernommen werden.
22 Nov 2021
## LINKS
[1] /OePNV/!t5018153
[2] /Kostenloser-Nahverkehr-in-Luxemburg/!5666394
[3] /Ifo-Institut-schlaegt-City-Maut-vor/!5709657
[4] /Ticketloser-Nahverkehr-fuer-alle/!5779055
## AUTOREN
Anja Krüger
## TAGS
ÖPNV
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