# taz.de -- Förderprogramm für den Journalismus: Viele Pferdefüße | |
> Die Bundesregierung startet ein Förderprogramm mit rund eine Million | |
> Euro. Im Kleingedruckten finden sich allerdings knifflige Details. | |
Bild: Die scheidende Ministerin Monika Grütters hat noch schnell einen Plan en… | |
Wir dürfen uns Monika Grütters als glückliche Politikerin vorstellen. Zwar | |
ist die CDU-Frau nicht [1][Regierende Bürgermeisterin von Berlin] geworden, | |
doch immerhin ihren lieben Kolleg*innen vom Wirtschaftsministerium hat | |
die Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM) ein Schnippchen | |
geschlagen. Während das BMWi unter ihrem Parteifreund Peter Altmaier | |
[2][die geplante Presseförderung des Bundes im Frühjahr 2021 vergurkte] und | |
entsprechende Pläne erst mal wieder in der Schublade versenkte, schafft | |
Grütters Fakten. Und legt einfach ein eigenes Programm zur | |
Journalismusförderung auf. | |
Rund eine Million Euro stehen noch dieses Jahr aus Grütters’ Etat zur | |
Verfügung. Gefördert werden „Modellprojekte, die die strukturellen | |
Bedingungen journalistischer Arbeit stärken und zum Schutz des | |
eigenständigen und unabhängigen Journalismus beitragen.“ | |
Gedacht ist an Maßnahmen, die „den Wert und die Bedeutung des | |
Qualitätsjournalismus für die Demokratie vermitteln“, auch „Exilprogramme | |
für ausländische Journalistinnen und Journalisten“ oder Projekte an | |
Journalistenschulen können unterstützt werden. „Auch andere Projektideen, | |
die einen strukturellen Mehrwert für den Journalismus bieten, sind | |
willkommen. Die geförderten Projekte sollen bundesweite Strahlkraft | |
besitzen und möglichst viele gesellschaftliche Gruppen ansprechen“, heißt | |
es in der Ausschreibung recht wolkig weiter. Zwischen den Zeilen lässt sich | |
leicht herauslesen, dass hier etwas mit ziemlich heißer Nadel gestrickt | |
wurde. | |
Direkte Journalismusförderung ist dabei selbstverständlich tabu. „Eine | |
Förderung journalistischer Inhalte, einzelner Medien oder einzelner | |
Medienschaffender ist nicht möglich“, heißt es weiter. Denn sonst blieben | |
die Staatsferne, die Unabhängigkeit der Presse und der publizistische | |
Wettbewerb auf der Strecke. | |
## Noch mehr Probleme | |
Nun ist zunächst mal jede Unterstützung für Journalismus prima. Wie viel | |
Sinn Grütters’ Abschiedsgeschenk an die Medienbranche macht, ist allerdings | |
offen. Nur eins ist sicher: Sie selbst dürfte die Umsetzung ihres Programms | |
als zuständige Staatsministerin nicht mehr miterleben. Schließlich ist die | |
CDU raus aus der Bundesregierung. Doch die Förderung der von einer Fachjury | |
auszuwählenden Projekte soll frühestens im März 2022 starten. Auch dieser | |
Termin wäre übrigens schon ein extra zu beantragender „vorzeitiger | |
Maßnahmenbeginn“. | |
Im Kleingedruckten finden sich dann noch mehr Pferdefüße. Denn die Zahl der | |
Projekte ist arg begrenzt. Laut BKM beträgt die „Mindestantragssumme“ | |
200.000 Euro, macht also maximal fünf Projekte. Da es keine Deckelung nach | |
oben gibt, können es aber auch noch weniger werden. Wie sich mit solch | |
insgesamt bescheidenen Summen beispielsweise ein nachhaltiges Programm für | |
Journalist*innen im Exil oder langfristige Ausbildungsförderung | |
finanzieren lassen sollen, bleibt schleierhaft. | |
Die ursprünglich geplante Presseförderung des Bundes sah mehr als bloß | |
einen Tropfen auf dem heißen Stein vor. Hier waren immerhin 220 Millionen | |
Euro für die kommenden fünf Jahre veranschlagt. Der Treppenwitz bei der | |
Sache: Das Geld steht im Prinzip immer noch zur Verfügung. Bloß beantragen | |
kann es keineR. Das für die Entwicklung der entsprechenden | |
Förderrichtlinien und die Umsetzung zuständige Wirtschaftsministerium kam | |
nicht zu Potte. Denn das von der alten Bundesregierung vollmundig | |
verkündete Programm zur „digitalen Transformation des Verlagswesens“ hatte | |
einen massiven Pferdefuß. Da wurde eine stattliche Summe bewilligt, bevor | |
überhaupt klar war, was damit genau bezweckt war und wofür das Geld | |
ausgegeben werden sollte. | |
## Unüberwindbare Schwierigkeiten | |
Das Wirtschaftsministerium tat sich mit seinem schwarzen Peter extrem | |
schwer und zog am Ende den Stecker. „Aus Sicht des Bundesministeriums für | |
Wirtschaft und Energie (BMWi) haben sich in den zurückliegenden Wochen | |
unüberwindbare Schwierigkeiten für eine Durchführung des geplanten | |
Förderprogramms zur ‚Transformation des Verlagswesens‘ ergeben“, hatte | |
schon im April 2021 Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband | |
Digitalpublisher und Zeitungsverleger an die BDZV-Mitglieder geschrieben. | |
Laut BMWi würden rechtliche Probleme „einer erfolgreichen und sinnvollen | |
Umsetzung der Förderung“ im Wege stehen. | |
Das stimmte zwar ein bisschen, war aber trotzdem vorgeschoben. Denn schon | |
die Grundlage des Programms war verkorkst. Da sollte eine wie auch immer | |
geartete „digitale Transformation“ unterstützt werden, ohne dass digitale | |
Medienangebote zum Zuge kamen. Denn das Förderprogramm konzentrierte sich | |
rein auf das bestehende Verlagswesen, also klassische Zeitungen, | |
Zeitschriften und auch Anzeigenblätter. Neue, digitale Angebote wie | |
News-Blogs oder Onlinezeitungen ohne Printausgabe im Hintergrund waren | |
explizit von der Förderung ausgeschlossen. Hiergegen hatten die | |
Krautreporter mit einer Klage gedroht. | |
Den Todesstoß verpasste dem Ganzen aber der Bundesrechnungshof. Der äußerte | |
gravierende Bedenken gegen eine Digitalförderung ohne Bedarfsprüfung im | |
Einzelfall. Außerdem wäre für das Ganze ein Gesetz nötig gewesen und nicht | |
bloß ein Beschluss im Haushaltsausschuss des Bundestags. | |
## Digitale Transformation | |
Treffer, versenkt – zum Glück. Denn jenseits der Formfehler machte schon | |
das ganze Unterfangen keinen Sinn. In der zuständigen Fachabteilung im BMWi | |
war dann auch ganz offen von „Pudding an die Wand nageln“ die Rede. Denn | |
was da in Umrissen vorgesehen war, hatte mit Journalismus nicht mal mehr am | |
Rande zu tun. Die in einem „Konzeptpapier“ aus dem November 2020 | |
aufgeführten möglichen Förderbereiche reichten von der „Hard- und | |
Softwareausgaben (Ausstattung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit | |
notwendigen digitalen Arbeitsmitteln, z. B. Virtual-Reality-Brillen;)“ bis | |
zum Reichweiten-Zukauf bei Facebook oder dem Aufbau von Onlineshops für | |
Bücher, Wein und vieles andere mehr. | |
Im Weg standen sich dabei natürlich in allererster Linie die Verlage | |
selbst. Sie hatten ursprünglich eine reine Vertriebsförderung für ihre | |
gedruckten Blätter gewollt. Jetzt sollte das kaum noch eine Rolle spielen. | |
Die Förderung der „digitalen Transformation“ betrachteten sie dagegen als | |
Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten. | |
## Grüne und FDP wirken kompetenter | |
Deutschland tut sich eben schwer mit Presseförderung. Dabei könnte eine | |
Lösung recht einfach sein. Die Krautreporter schlagen beispielsweise ein | |
schon in den USA funktionierendes Modell vor, das die Nachfrage nach | |
journalistischen Inhalten gezielt belohnt und fördert. Hierbei könnte der | |
Staat die Erlöse aus Onlineabos aufstocken. Entsprechende „Zuschläge“ | |
sollten zeitlich gestaffelt sein – beispielsweise von 50 Prozent im ersten | |
Jahr über 30 Prozent im zweiten bis auf 20 Prozent im dritten abschmelzen. | |
„Die Logik – ähnlich wie beim Ökostrom – wäre: Es geht nicht um eine | |
Subvention auf Dauer, wer dabei sein will, muss sich beeilen“, sagt | |
Crowdreporter-Gründer Sebastian Esser. Und wer keinen Erfolg hat, wird auch | |
nicht künstlich am Leben gehalten. So ein Modell würde neue Onlineangebote | |
genauso wie schon bestehende unterstützen und so auch die traditionellen | |
Medien für ihre digitalen Erfolge belohnen. In den USA heißt [3][das Ganze | |
NewsMatch,] wobei hier allerdings nicht der Staat, sondern Spenden und | |
Stiftungen die Aufstockung der Abo-Erlöse finanzieren. | |
Wie es in Deutschland mit der Presseförderung weitergeht, wird eine neue | |
Bundesregierung entscheiden. BDZV-Präsident Döpfner hatte auf dem | |
Verbandskongress vor vier Wochen bereits angekündigt, sofort nach deren | |
Bildung umgehend wieder auf der Matte zu stehen. [4][Grüne und FDP sind | |
hier zum Glück auch etwas sachkundiger] als viele der bisherigen | |
Großkoalitionäre. Beide Parteien sind zudem nicht abgeneigt, endlich auch | |
in Deutschland gemeinnützigen Journalismus zuzulassen. Es bleibt trotzdem | |
spannend, welche Pläne eine neue Regierung sich einfallen lassen wird. | |
Bis es so weit ist, gibt es ja immerhin das Grütters-Programm. Die | |
Antragsfrist endet am 5. Januar 2022. | |
22 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Wahlen-in-Berlin/!t5106764 | |
[2] /Pressefoerderung-wird-verschoben/!5762901 | |
[3] https://www.newsmatch.org/ | |
[4] /Gutachen-zur-Pressefoerderung/!5772315 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
## TAGS | |
Medienjournalismus | |
Subventionen | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Kolumne Flimmern und Rauschen | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Axel Springer | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
„Tagesspiegel“ streicht Medienseite: Die Journalisten-Dinos weinen | |
Der Berliner „Tagesspiegel“ stellt seine Medienseite ein. Dabei hatte der | |
moderne Medienjournalismus dort seine Anfänge. | |
Finanzierungsformen für Medienangebote: Gründerwelle im Journalismus | |
In Deutschland können klassische Medienmodelle die Lücken in der | |
Berichterstattung nicht mehr schließen. Zeit für neue gemeinnützige | |
Finanzierungsformen. | |
„Facebook News“ startet in Deutschland: Mini-„New Deal“ im Journalismus | |
Facebook startet sein journalistisches Angebot „News“ in Deutschland. In | |
besonderer Rolle dabei ist der Springer-Verlag. Visionär ist das nicht. | |
Gutachen zur Presseförderung: Wie es gehen könnte | |
Die Grünen haben ein Gutachten zur Presseförderung vorgestellt. Es | |
empfiehlt, verschiedene journalistische Modelle an Bord zu holen. | |
Presseförderung wird verschoben: Hilfspaket ade | |
Die Presseförderung des Bundes ist vorerst gescheitert, die Printverlage | |
zeigen sich schockiert. Für digitale Medien ist es ein Grund zum Feiern. |