Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Finanzierungsformen für Medienangebote: Gründerwelle im Journalis…
> In Deutschland können klassische Medienmodelle die Lücken in der
> Berichterstattung nicht mehr schließen. Zeit für neue gemeinnützige
> Finanzierungsformen.
Bild: Die neuen Lücken im privatrechtlichen Journalismus können öffentlich-r…
Vor dem Hintergrund erodierender Geschäftsmodelle und fortgesetzter
Digitalisierung ist der privatwirtschaftliche Journalismus in Deutschland
vielen Bedrohungen ausgesetzt: durch den Sparkurs bei Verlagen und Sendern,
durch Konzentrationsprozesse und reduzierte Angebote der Lokal- und
Regionalberichterstattung, durch wachsenden Einfluss von Public Relations,
durch prekäre Arbeitsbedingungen von Journalisten und Journalistinnen. Die
Vielfalt der Lokalberichterstattung erodiert.
Die neuen Lücken im privatrechtlichen Journalismus können
öffentlich-rechtliche Strukturen nicht ausgleichen. Sie sind auf
Produktionsformen im Rundfunk und Fernsehen ausgelegt und dürfen ihre
Ressourcen nicht für lokales Medienmachen zweckentfremden.
Die öffentlich-rechtlichen Strukturen sind deshalb nicht geeignet, gerade
im lokalen Bereich für Ausgleich zu sorgen. Weder ARD noch ZDF können
vielfältige Berichterstattung vor Ort in Wanne-Eickel, Glücksburg oder
Zwickau garantieren.
Die Entwicklung neuer, Ersatz anbietender Standbeine ist also dringend. Im
Ausland sehen wir bereits Gründungswellen verschiedener gemeinnütziger
Angebote. Communityorientierte Medien wie [1][De Correspondent] in den
Niederlanden oder gemeinnützige Rechercheplattformen wie [2][ProPublica]
sorgen für „eine weltweite Renaissance“ des investigativen Journalismus,
wie Mark Lee Hunter, Journalismusforscher und Investigativjournalist,
schreibt.
## Die Medienvielfalt bewahren
Non-Profit-Organisationen seien die Treiber. Viele verstehen sich als
„Watchdog“: Sie wollen Machtmissbrauch, Korruption und Fehlentwicklungen in
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufdecken.
Auch in Deutschland ist es Zeit, neue Formen auszuprobieren, um
Medienvielfalt zu bewahren und den Gründergeist im Journalismus zu stärken.
Hier lässt sich ermutigende Experimentierfreude beobachten.
[3][Krautreporter] oder die taz haben mit Genossenschaften gute Erfahrungen
gemacht, die Leser und Leserinnen in Finanzierung und Entwicklung von
Medienangeboten einbinden.
Die enge Bindung zu den Nutzern ermöglicht eine Entwicklung von Angeboten,
die unter klassisch marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten kaum Chancen
hätten.
## Keine Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus
Dazu entwickeln gemeinnützige Initiativen wie das Recherchezentrum
[4][Correctiv], die [5][Kontext-Wochenzeitung], [6][Finanztip.de] oder
[7][Netzpolitik.org] große Triebkraft. Gemein ist diesen Pionieren im
deutschen Non-Profit-Journalismus jedoch, dass sie ihre Gemeinnützigkeit
nur über Umwege erreichen konnten – Rechtssicherheit gibt es bisher nicht.
Correctiv bietet neben journalistischer Arbeit auch Weiterbildung samt
Online-Lernplattform für Bürger und ist unter anderem über den Förderzweck
„Bildung“ anerkannt. Netzpolitik.org und Finanztip.de sind auf den
Förderzweck „Verbraucherschutz“ spezialisiert.
Gemeinnützige journalistische Organisationen brauchen dringend
Rechtssicherheit. Erst durch Verankerung des Journalismus als
gemeinnützigen Zweck in der Abgabenordnung könnten sich noch mehr
Neugründungen auf alle relevanten journalistischen Fragen konzentrieren;
Lücken in der Berichterstattung könnten besser geschlossen werden.
Neue Finanzierungswege jenseits bisher üblicher Geschäftsmodelle würden die
Kritik- und Kontrollfunktion des Journalismus stärken und die
Meinungsbildung in der Demokratie beleben. Über Bürgerstiftungen oder
spendengetriebene Community-Finanzierung könnten im Lokalen neue
Finanzquellen eröffnet werden.
Aktuell sind weniger als 5 Prozent aller Stiftungen im Journalismus aktiv.
Würde Rechtssicherheit gewährt, könnten viele weitere Mittel mobilisiert
werden.
## Keine Verdrängungseffekte durch Gemeinnützigkeit
Dabei ist der Eingriff in den Markt gering einzuschätzen, wie Professor
Peter Fischer feststellte. Der frühere Vorsitzende Richter am
Bundesfinanzhof hat dies in einem Rechtsgutachten festgestellt, das er für
die Landesregierung Nordrhein-Westfalen verfasst hat.
Wie bei privatrechtlichen Angeboten müssten auch spendengetriebene Medien
dafür sorgen, dass ihnen Bürger und Bürgerinnen vertrauen und freiwillig
Geld geben. Sie können also nicht an den Bedürfnissen der Menschen
vorbeiproduzieren, ohne pleite zu gehen.
Auch Verdrängungseffekte sind nicht zu befürchten. Gemeinnützige Angebote
dürfen nur umgesetzt werden, wenn sie den Markt nicht verzerren, schreibt
das Gemeinnützigkeitsrecht vor. Unrechtmäßige Bereicherung ist ebenfalls
ausgeschlossen. Gemeinnützige Angebote müssen selbstlos sein. Eventuelle
Gewinne dürfen nur in die Projekte selbst investiert werden.
Dabei müssen die Angestellten in gemeinnützigen Betrieben nicht auf Lohn
verzichten. Sie dürfen wie Angestellte in privatrechtlichen Organisationen
auf angemessene Gehälter bestehen.
## Gemeinnütziger Journalismus im Koalitionsvertrag
Die Bundesregierung hat die Einführung des gemeinnützigen Journalismus in
den Koalitionsvertrag aufgenommen. Demnächst wird über die Umsetzung
beraten. Sollte gemeinnütziger Journalismus in Deutschland breit eingeführt
werden, kann er neue Ressourcen mobilisieren.
Dies würde nicht nur bestehenden gemeinnützigen Angeboten oder
genossenschaftlichen Modellen nützen – sie würden abgesichert. Vor allem
würde die neue Gesetzgebung helfen, eine Gründungswelle in Deutschland
anzustoßen, in der viele neue lokale Angebote eine Chance bekommen.
Der Autor ist Gründer und Publisher des gemeinnützigen Recherchezentrums
Correctiv und Vorsitzender des [8][Forums Gemeinnütziger Journalismus]
4 May 2022
## LINKS
[1] https://decorrespondent.nl/
[2] https://www.propublica.org/
[3] https://krautreporter.de
[4] https://correctiv.org/
[5] https://www.kontextwochenzeitung.de/
[6] https://www.finanztip.de/
[7] https://netzpolitik.org/
[8] http://forum-gemeinnuetziger-journalismus.de/
## AUTOREN
David Schraven
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
Journalismus
Crowdfunding
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Pressefreiheit
Gemeinnützigkeit
Schwerpunkt Pressefreiheit
Ampel-Koalition
Medienjournalismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Medienplattform labournet.tv: Inspiration für solidarische Arbeitskämpfe
Das Medienkollektiv labournet.tv bildet die Perspektiven von
Arbeiter:innen ab. Es dokumentiert Arbeitskämpfe und will so
Beschäftigte aktivieren.
Grüne MdBs über Gemeinnützigkeit: Wenn Finanzämter die Macht haben
Gemeinnütziger Journalismus gewährleistet Unabhängigkeit und Staatsferne.
Doch es fehlt an Rechtssicherheit. Zeit das zu ändern. Ein Gastbeitrag.
Attac ohne Gemeinnützigkeit: Angst vor Attac-Schicksal
Seit zehn Jahren gilt die NGO Attac nicht mehr als gemeinnützig. Viele
Vereine halten sich seitdem politisch zurück – dabei gibt es
Lösungsvorschläge.
Journalistischer Zukunftsblick: Mediale Neujahrsvorsätze
Neues Personal, große Versprechen – und nach wie vor jede Menge Krise. Was
2022 medienpolitisch zu erwarten ist.
Gemeinnütziger Journalismus: Plädoyer für den Aufbau
Gemeinnütziger Journalismus kann die dritte Säule im Mediensystem werden.
Dafür muss die Ampelkoalition jetzt den Weg frei machen.
Förderprogramm für den Journalismus: Viele Pferdefüße
Die Bundesregierung startet ein Förderprogramm mit rund eine Million Euro.
Im Kleingedruckten finden sich allerdings knifflige Details.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.