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# taz.de -- Grüne MdBs über Gemeinnützigkeit: Wenn Finanzämter die Macht ha…
> Gemeinnütziger Journalismus gewährleistet Unabhängigkeit und Staatsferne.
> Doch es fehlt an Rechtssicherheit. Zeit das zu ändern. Ein Gastbeitrag.
Bild: Die Recherchen von „Correctiv“ lösten Anfang des Jahres eine Protest…
Am Mittwoch wird das Bundeskabinett das Jahressteuergesetz beschließen. Es
ist die letzte Möglichkeit, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des
Gemeinnützigkeitsrechts anzugehen und damit Rechtssicherheit für
gemeinnützigen Journalismus und zivilgesellschaftliche Demokratiearbeit zu
schaffen.
Anfang des Jahres rüttelten [1][Enthüllungen des
Correctiv-Recherchenetzwerks] über das Potsdamer Treffen rechter Kreise,
bei dem ein Plan über die systematische Abschiebung von Millionen Menschen
aus Deutschland diskutiert wurde, die Öffentlichkeit auf und lösten eine
Welle der Solidarität aus. Bundesweit fanden Demonstrationen für Demokratie
und ein vielfältiges, weltoffenes Land statt. Ein großer Verdienst des
Recherchenetzwerks, das viele Ressourcen für die aufwändige Recherche
aufbringen musste.
Angesichts der großen Herausforderungen für unsere Demokratie,
Desinformationskampagnen und Bestrebungen, den demokratischen Diskurs zu
manipulieren und die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen, wird
allerorts das hohe Lied auf den Journalismus gesungen. Doch der gerät immer
stärker unter Druck.
## Räume ohne Zeitungen
Ein massiver Rückgang an Abonnements und ein Abwandern der Werbung ins
Digitale hat bereits zum Personalabbau oder sogar zur Schließung ganzer
Redaktionen geführt. Fusionen im Pressemarkt haben bereits zu einem Verlust
der breiten Vielfalt unserer Medienlandschaft geführt. Gerade im ländlichen
Raum drohen Zeitungswüsten. [2][Im Osten Deutschlands gibt es heute schon
Regionen, in denen keine Lokalredaktion mehr existiert]. Die Medienkrise
geht einher mit der Demokratiekrise.
Das hat auch die Ampelkoalition in Berlin erkannt und im Koalitionsvertrag
eine Presseförderung für die flächendeckende Versorgung vereinbart wie auch
die Abmachung, endlich Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus zu
schaffen. Ersteres wird angesichts der Haushaltslage nicht mehr kommen.
Letzteres ist hingegen ein entscheidender Hebel, Journalismus gerade im
lokalen wie im investigativen Bereich nachhaltig zu stärken.
Das Argument für die Gemeinnützigkeit: Sie gewährleistet Unabhängigkeit und
Staatsferne und sichert Qualität. Denn viele journalistische Angebote wie
Correctiv, Netzpolitik.org, Finanztip.de, EinfachHeidelberg, FragdenStaat,
MedWatch oder Relevanzreporter Nürnberg haben ihre Finanzierungsmodelle auf
Spenden aufgebaut. Die Spendenbereitschaft steigt, wenn Spenden steuerlich
absetzbar sind. So erhöhen sich auch die Einnahmen, was die Qualität
stärkt.
Das Problem aber ist: Es gibt dafür keine Rechtssicherheit. Weil
Journalismus bisher noch nicht in der Abgabenordnung als gemeinnützig
aufgenommen wurde, entscheiden die Finanzämter, ob sie bei journalistischen
Angeboten einen Gemeinnützigkeitszweck beispielsweise im Bereich Bildung
erkennen können oder nicht. Und die agieren sehr unterschiedlich. So wurde
nach einigen Veröffentlichungen offenbar Druck auf Betreiber gemeinnütziger
Angebote ausgeübt und mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit gedroht, so wie
sie dem „Volksverpetzer jetzt sogar aberkannt wurde. Das ist alles andere
als staatsfern.
Deshalb darf es nicht auf den Goodwill des Finanzamts in einer Stadt oder
einem Landkreis ankommen, ob ein journalistisches Angebot vor Ort als
gemeinnützig anerkannt wird oder nicht. Dafür brauchen wir dringend
einheitliche Standards – und eben Rechtssicherheit. Das fordert auch ein
breites Bündnis im Forum Gemeinnütziger Journalismus, in dem sich neben den
Betreibern journalistischer Angebote auch die Gewerkschaften wie DJV und
dju in Verdi, die taz Panter Stiftung, die Rudolf Augstein Stiftung, die
August Schwingenstein Stiftung sowie NGOs wie vocer., Netzwerk Recherche,
Transparency International oder Hostwriter und viele andere
zusammengeschlossen haben.
## Lücken, die sich schließen
Die Kritiker:innen einer Anerkennung von gemeinwohlorientiertem
Journalismus führen immer wieder an, dass dann auch rechte Publikationen
davon profitieren könnten. Dem ist entgegenzuhalten, dass es klare
Kriterien für die Gemeinnützigkeit von Journalismus geben sollte, die das
Forum Gemeinnütziger Journalismus zu Leitlinien nach den Vorbildern der
Initiative Transparente Zivilgesellschaft, der Abgabenordnung und dem
Pressekodex entwickelt hat.
Das Forum schlägt zudem ein Siegel analog zum Transfair Siegel beim fairen
Handel für Medienprojekte vor, das nach einem transparenten und
überprüfbaren Verfahren verliehen werden soll.
[3][Denn gemeinnützige Journalismusprojekte stehen nicht in Konkurrenz zu
klassischen Medienangeboten], sondern sollen sie ergänzen und dort die
Lücken schließen, wo der Markt versagt. Sogar der Bundespräsident hat bei
seinem Grußwort auf den Medientagen Mitteldeutschland im Mai gemeinnützigen
Journalismus ganz selbstverständlich neben dem öffentlich-rechtlichen
Rundfunk, privaten Medien und Verlagen als Teil unserer vielfältigen
Medienlandschaft genannt. Damit diese vierte Säule auch demokratie- und
zukunftsfest Bestand haben kann, braucht es für den gemeinwohlorientierten
Journalismus die Anerkennung als gemeinnützig. Das sollte die
Bundesregierung jetzt endlich beschließen.
16 Jul 2024
## LINKS
[1] /Rechercheplattform-vor-Gericht/!6001119
[2] /Presselandschaft-in-Ostdeutschland/!5657459
[3] /Gemeinnuetziger-Journalismus/!5811034
## AUTOREN
Tabea Rößner
Sabine Grützmacher
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Ampel-Koalition
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