# taz.de -- Rechercheplattform vor Gericht: Correctiv gewinnt | |
> Das Oberlandesgericht Hamburg weist Beschwerden zweier Teilnehmer des | |
> „Remigrations“-Treffens endgültig ab. Correctiv darf weiterhin berichten. | |
Bild: Die Recherchen von Correctiv waren begehrt auf der Leipziger Buchmesse | |
Die Rechercheplattform Correctiv hat einen wichtigen juristischen Sieg | |
errungen. Das Oberlandesgericht Hamburg hat Beschwerden zweier Teilnehmer | |
des Potsdamer Treffens, an dem rechte Akteure die „Remigration“ von | |
Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert hatten, abgewiesen. Die | |
Berichterstattung im Artikel [1][„Geheimplan gegen Deutschland“] über das | |
Treffen hatte zu großen [2][Demonstrationen gegen die AfD] im ganzen Land | |
geführt. | |
Der Jurist Ulrich Vosgerau, der bei dem Treffen in Potsdam dabei war, und | |
ein weiterer Teilnehmer, hatten gegen einen Entscheid der unteren Instanz | |
des Landgerichts Hamburg Beschwerde eingelegt. [3][Im Februar] hatte dieses | |
die Berichterstattung von Correctiv in einem Punkt beanstandet, jedoch zwei | |
weitere unberührt gelassen. Die Beschwerdeführer wollten vor dem | |
Oberlandesgericht erwirken, dass auch diese beiden Passagen untersagt | |
werden. Damit sind sie unterlegen. Die Verfahrenskosten von je 20.000 Euro | |
müssen die Beschwerdeführer übernehmen. | |
In den Beschlüssen, die der taz vorliegen, betont das Oberlandesgericht | |
Hamburg das „überragende öffentliche Interesse“ an der Berichterstattung. | |
Ulrich Vosgerau hatte konkret zwei Darstellungen angefochten: Erstens sei | |
seine Antwort auf eine Anfrage von Correctiv falsch wiedergegeben worden. | |
Correctiv hatte Vosgerau gefragt, wie er „im Nachhinein zu den (in Potsdam) | |
getroffenen zentralen Aussagen“ stehe. Vosgerau hatte geantwortet, es sei | |
nach seiner „Erinnerung von niemandem gesagt worden, es sollten Personen, | |
die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert werden | |
oder ausgebürgert werden“. | |
Seiner Antwort fügte er noch den Zusatz hinzu, dass die rechtliche | |
Umsetzung dessen „normalerweise“ auch nicht möglich sei. | |
Correctiv hatte die Antwort des Anwalts folgendermaßen zusammengefasst | |
veröffentlicht: „An die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern | |
in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können.“ Das Gericht | |
sieht diese Zusammenfassung als zulässig an. | |
Auch das Weglassen des zweiten Satzes zur rechtlichen Umsetzung der | |
Remigration sei zulässig, da es in der Natur der Sache liege „dass | |
Informationen und Nachrichten bewertet, gekürzt, zusammengefasst oder auch | |
weggelassen werden müssen“. | |
Solange kein verzerrtes Bild der Wirklichkeit oder ein „nach der negativen | |
Seite entstelltes Bild“ der Person entstehe, entspreche die gängige | |
journalistische Praxis der journalistischen Sorgfaltspflicht. Juristische | |
Zweifel der Potsdamer Zusammenkunft an der Umsetzung der „Remigration“ | |
seien im Text an anderer Stelle angesprochen. | |
Des Weiteren moniert Vosgerau, seine von Correctiv veröffentlichten | |
Aussagen zur angeblichen Beeinflussbarkeit junger Wählerinnen mit | |
türkischer Migrationsgeschichte sei in unzulässiger Weise zusammengefasst | |
worden. Das sieht das Oberlandesgericht anders und folgt damit der unteren | |
Instanz. | |
## Es geht um die kleinsten Details wie Artikel | |
Der neben Vosgerau zweite Kläger gegen die Veröffentlichungen von Correctiv | |
wehrte sich unter anderem gegen die Aussage, er sei „AfD-Großspender“. Das | |
Oberlandesgericht wies seine Klage aber mit einem Hinweis auf wiederholte | |
Spenden des Klägers in Höhe von fast 50.000 Euro an die AfD zurück. | |
Auch die öffentliche Nennung seines Namens sah das Gericht als | |
unproblematisch an, da das öffentliche Interesse an der Berichterstattung | |
in diesem Fall schwerer wiege als das Recht auf Privatsphäre. | |
Wie in medienrechtlichen Streitfällen üblich geht es im Weiteren um etliche | |
Details – an einer Stelle sogar darum, ob ein bestimmter oder unbestimmter | |
Artikel korrekt verwendet wurde. | |
Ob die zwei Kläger weiter rechtliche Schritte erwägen, ist noch nicht | |
entschieden. Der Anwalt Carsten Brennecke von der Kanzlei Höcker, der | |
Vosgerau vor Gericht vertritt, betont in einer Pressemitteilung, dass es | |
Correctiv weiterhin untersagt sei, eine Passage des Texts zu verbreiten. Um | |
diese Stelle ging es jedoch im Verfahren vor dem Oberlandesgericht gar | |
nicht. | |
Nach dem ersten Verfahren im Februar hatten viele Medien ihr | |
hauptsächliches Augenmerk darauf gerichtet, dass Correctiv eine Stelle | |
korrigieren müsse, obwohl zwei weitere Stellen – und damit der Kern der | |
Berichterstattung – nicht beanstandet wurde. | |
Die Stelle, die nicht weiter verbreitet werden darf: Vosgerau habe in | |
Potsdam „ein Musterschreiben“ in Erwägung gezogen, um die Rechtmäßigkeit | |
von Wahlen in Zweifel zu ziehen. | |
Der zentrale Punkt der Recherche aber darf nun auch laut Oberlandesgericht | |
Hamburg weiterhin öffentlich gemacht werden: dass auf dem Treffen in | |
Potsdam Rechte Geld gesammelt und über die Ausweisung von Linken und | |
Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen haben. Das darf Correctiv | |
weiterhin verbreiten. | |
28 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati… | |
[2] /Demos-gegen-rechts/!5994464 | |
[3] /Potsdamer-Remigrations-Treffen/!5992120 | |
## AUTOREN | |
Caspar Shaller | |
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