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# taz.de -- Der Wahlkampf 2021: Hoffnung auf Veränderung
> Durchaus ein spannender Wahlkampf: Endlich wurden wieder Unterschiede
> sichtbar. Das Bekenntnis zum Klimaschutz war wichtiger als das zur Nato.
Bild: Wechselstimmung im Wahlkampf: Eine*r wird gewinnen
Wer pessimistisch in die Zukunft blickt, kann schon vor dieser
Bundestagswahl verzweifeln. Die Welt, so viel ist klar, wird auch nach dem
26. September nicht gerettet werden. Ja, nicht einmal das kleine
Deutschland wird sich in einen progressiven Wunderstaat verwandeln, der
allen zeigt, wie’s geht. Für die wichtigsten Probleme, also die
Klimakatastrophe, soziale Ungerechtigkeit, globale Spannungen, Flucht und
Rassismus, hat keine Partei die Lösung.
Und doch gibt der Verlauf dieses Wahlkampfs durchaus Grund zur Hoffnung.
Alles in allem überwiegen die Fortschritte. Nach 16 Jahren ist die
Gesellschaft wieder politisiert und debattenfreudig. Anders als in den
lähmend langweiligen Wahlkämpfen der Ära Merkel, in denen die Siegerin
schon vorher feststand, herrscht echte Wechselstimmung. Sogar der gute alte
Straßenwahlkampf zieht wieder Menschen an. Weil der Ausgang endlich wieder
offen ist und endlich wieder echte Unterschiede spürbar wurden. Vor allem,
aber nicht nur beim Thema Klima.
Es stimmt nicht, dass der Klimaschutz vor lauter Lärm um den Lebenslauf von
Annalena Baerbock und [1][den Lachanfall von Armin Laschet] unterging, wie
oft behauptet wird. Zu diesem Fazit kann nur kommen, wer die
Erkenntnisgewinne der Deutschen ausschließlich an den Stimmenzuwächsen für
die Grünen misst. Diese fallen nun wohl geringer aus als anfangs
prognostiziert.
Aber das heißt nicht, dass die anderen nichts kapiert hätten. Der
wichtigste Erfolg der Grünen war nie ihr eigener Prozentsatz, sondern ihr
Druck auf die politische Konkurrenz, auch ökologischer zu handeln. Und
dieser Druck steigt eindeutig weiter. Manchmal zu stark, wie bei einer
bizarren Aktion prominenter Grünen-Fans, die Enkelkinder dazu drängten,
vorgestanzte Angstbriefe an ihre Großeltern zu schicken, um diese zur Wahl
der Grünen zu bewegen. Solche Moralattacken dürften eher geschadet als
genutzt haben.
Nachhaltig geholfen hat hingegen [2][das Karlsruher Gerichtsurteil zum
Klima]. Seitdem bemühen sich viele, mehr Tatendrang zu zeigen. Eine höhere
CO2-Bepreisung ist bereits beschlossen. Das Bekenntnis zum Klimaschutz
wurde deutlich häufiger abgelegt als das zur Nato. Selbst Marktschreier
Christian Lindner [3][ist jetzt für einen CO2-Deckel], also staatliche
Eingriffe in den Kapitalismus, und SPD-Kandidat Olaf Scholz verspricht, ein
„Kanzler für Klimaschutz“ zu werden. Ob das verlogen oder ernst gemeint
ist, wird sich zeigen, falls er ins Amt kommt. Das alles ist sicher noch
viel zu wenig, aber einen breiteren Konsens für die Grundrichtung zu mehr
Klimaschutz gibt es nur in wenigen anderen Ländern.
Noch ein Fortschritt: Auch die Sozialpolitik stand wieder mehr im Fokus.
Ausgerechnet Langsamredner Scholz schaffte es, die SPD aus ihrer Lethargie
zu wecken und ihren alten Markenkern neu herauszuputzen. Die Versprechungen
sind nicht revolutionär, aber konkret und einprägsam: [4][12 Euro
Mindestlohn] und höhere Steuern für Reiche – also auch für Scholz selbst,
wie er stets geschickt hinzufügt. Wie das mit der FDP gehen soll, bleibt
indes sein Geheimnis.
Doch bleiben wir beim Erfreulichen: Die Grünen haben klargestellt, dass sie
den sozialen Ausgleich nicht vergessen haben. Die Linke zeigt sich
regierungswilliger als früher. Die Chancen für Mitte-links-Koalitionen sind
gestiegen, weil die Union einen extrem schwachen Kandidaten hat. Und weil
die AfD vom Coronamissmut bisher kaum profitiert. Dass Rechtsradikale in
Krisenzeiten nicht gewinnen, sondern sogar verlieren, wäre das schönste
Ergebnis der Wahl. Und ein Hinweis darauf, dass Dauerhetze in sozialen
Medien doch nicht so stark verfängt wie oft befürchtet.
Sogar eine rot-grün-rote Mehrheit scheint möglich. Ob sie auch genutzt
wird, wäre dann die nächste Frage. Auf dem langen Weg zur Weltrettung war
dieser Wahlkampf jedenfalls kein schlimmer Tiefpunkt, sondern immerhin ein
kleiner Schritt voran.
26 Sep 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=jt59IuK-RXc
[2] /Anwalt-ueber-erfolgreiche-Klimaklagen/!5765073
[3] /FDP-Chef-Lindner-ueber-Klimapolitik/!5797246
[4] /Auswirkungen-von-12-Euro-Mindestlohn/!5802548
## AUTOREN
Lukas Wallraff
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Klimawandel
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Olaf Scholz
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Annalena Baerbock
Kolumne Der rote Faden
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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