# taz.de -- Parteiprogramme zum Klima: 1,5 Grad? Kein Plan! | |
> Keine Partei nimmt sich genug für den Klimaschutz vor. Trotzdem gibt es | |
> deutliche Unterschiede. Die Parteiprogramme im Überblick. | |
Bild: Kohleausstieg 2038? 2020 ging noch schnell das Kraftwerk Datteln IV ans N… | |
## UNION | |
Ziel Klimaneutralität: 2045. | |
Zwischenschritte: 65 Prozent CO2-Reduktion gegenüber 1990 bis 2030, 88 | |
Prozent bis 2040. | |
Der Weg | |
[1][Die Konservativen wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien | |
vorantreiben], Genaueres zum Tempo findet man im Wahlprogramm nicht. In | |
einem zusätzlichen Energiewendepapier hat die Union das zumindest für | |
Solaranlagen spezifiziert. Den Kohleausstieg will die Union beim Jahr 2038 | |
belassen, außer der Markt vollzieht ihn vorher. Einen Gasausstieg plant sie | |
bisher nicht. | |
Auch abseits der Energiewirtschaft will die Union vor allem auf technische | |
Innovationen setzen: Autos sollen mit Strom, Wasserstoff oder synthetischen | |
Kraftstoffen betrieben werden. Generell will die Union Wasserstoff als | |
Energieträger nutzen und fördern – selbst wenn er nicht erneuerbar, sondern | |
auf Erdgasbasis produziert ist. Die Landwirtschaft soll durch | |
Digitalisierung und neue Züchtungstechnologien klimafreundlicher werden. | |
Insgesamt will die Union den Übergang ins postfossile Zeitalter durch die | |
Bepreisung von CO2 vorantreiben, verrät aber noch nicht, wie hoch die | |
Kosten steigen sollen. Zum anteiligen sozialen Ausgleich soll der | |
Strompreis sinken. Die Konservativen wollen eine CO2-Bindeprämie für Wälder | |
und Holzprodukte einführen sowie Technologien zur Speicherung von CO2 | |
fördern. | |
Die Vergangenheit | |
Bisher hat die Union oft Schritte blockiert, die ihre jetzigen Vorhaben | |
befördert hätten. Aus der jüngsten Vergangenheit: Als die Bundesregierung | |
im Sommer [2][ihr Klimaschutzgesetz reformierte, nachdem das | |
Bundesverfassungsgericht es hatte durchfallen lassen], verhinderte die | |
Union, dass im selben Atemzug auch die Ausbauziele für die erneuerbaren | |
Energien angehoben werden. Auch eine Solardachpflicht für Neubauten | |
scheiterte bei dieser Gelegenheit an den Konservativen. | |
Im Wahlkampf kritisierten Unions-Politiker:innen außerdem die | |
Grünen-Konkurrenz dafür, dass diese höhere Benzinpreise ankündigte. Das | |
steht im Widerspruch dazu, dass die Union selbst weiter mit CO2-Preisen | |
arbeiten will, die Benzin, Diesel, Heizöl und -gas logischerweise verteuern | |
werden. | |
Das Fazit | |
Die Vorschläge der Union bleiben relativ vage, an vielen Stellen fehlen | |
konkrete Angaben. Die Partei will außerdem in ihren Zielen nicht über das | |
bisherige Bundesklimaschutzgesetz hinausgehen. | |
## SPD | |
Ziel Klimaneutralität: 2045. | |
Zwischenschritte: 65 Prozent CO2-Reduktion gegenüber 1990 bis 2030, 88 | |
Prozent bis 2040. | |
Der Weg | |
[3][Die SPD will den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen und | |
verbindliche Ausbaupfade festlegen, die das Wahlprogramm aber noch nicht | |
enthält]. Zum Kohleausstieg heißt es lediglich, er sei „beschlossene | |
Sache“. Das legt nahe, dass die SPD bei 2038 als Termin bleiben will, | |
Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat mittlerweile aber schon gesagt, dass er | |
durch Markteffekte von einem Aus für die Kohle im Jahr 2034 ausgeht. Zum | |
Ende der Erzeugung von Strom und Wärme aus fossilem Gas macht die SPD keine | |
Angabe, allerdings soll Strom im Jahr 2040 zu 100 Prozent erneuerbar sein. | |
In der Landwirtschaft will die Partei weg von der Subventionierung nach | |
Ackergröße. Außerdem will sie zum Beispiel eine flächenbezogene Obergrenze | |
für die Nutztierhaltung einführen. Beim Verkehrswesen setzt die SPD auf den | |
Ausbau des öffentlichen Verkehrs, an den bis 2030 jede:r Bürger:in | |
„wohnortnah“ angeschlossen sein soll, sowie auf die Förderung von E-Autos. | |
Auf Autobahnen soll ein Tempolimit gelten. Auch die SPD will mit einem | |
ansteigenden CO2-Preis arbeiten, aber den Strompreis senken, um soziale | |
Härten abzumildern. | |
Die Vergangenheit | |
Beim Kohleausstieg hat die SPD lange eher gebremst – die Sorge um | |
Industriearbeitsplätze treibt die Sozialdemokrat:innen um. In der | |
nun auslaufenden Legislaturperiode hat die SPD allerdings das | |
Klimaschutzgesetz vorangetrieben. Wenn man weiter zurück in die | |
Vergangenheit blickt, hat die SPD in der Regierung mit den Grünen das | |
Erneuerbare-Energien-Gesetz eingeführt. Aber: Obwohl sie laut Wahlprogramm | |
auf steigende CO2-Preise setzen wollen, haben sich etliche führende | |
SPDler:innen und andere Parteipolitiker:innen im Wahlkampf | |
vehement gegen höhere Benzinpreise ausgesprochen. | |
Das Fazit | |
Das Wahlprogramm der SPD sieht keine Anhebung der bisher gültigen | |
Klimaziele vor. Auch die SPD bleibt bei den Maßnahmen, mit denen sie ihre | |
Ziele erreichen will, an etlichen Stellen unkonkret, auch wenn sie speziell | |
zur Verkehrswende mehr Details nennt als etwa die Union. | |
## DIE LINKE | |
Ziel Klimaneutralität: 2035. | |
Zwischenschritte: 80 Prozent CO2-Reduktion gegenüber 1990 bis 2030. | |
Der Weg | |
[4][Die Linke will (Klima-)Politik strukturell anders machen als bisher.] | |
Sie lehnt zum Beispiel als einzige Partei CO2-Preise als Mittel ab, da sie | |
Menschen mit niedrigen Einkommen stärker treffen. Strom- und Wärmenetz will | |
sie in die öffentliche Hand überführen. Bis 2035 soll die gesamte | |
Energieversorgung auf Erneuerbaren basieren, für Solar- und Windkraft nennt | |
die Linke konkrete Ausbauquoten. Den Kohleausstieg will die Partei auf 2030 | |
vorziehen, außerdem will sie auch einen Gasausstieg gesetzlich regeln. | |
Die Linke will in eher kleinem Umfang auf den energieintensiv | |
herzustellenden Wasserstoff setzen, etwa in der Stahlproduktion, sofern das | |
auf Basis von Ökostrom passiert. Sie will alle Gebäude bis 2025 einem | |
Klimacheck unterziehen, um sie bis 2035 stufenweise klimaneutral zu machen. | |
Flüge will sie auf Strecken verbieten, die kürzer als 500 Kilometer sind | |
oder in fünf Stunden mit dem Zug gefahren werden können. Für Straßen | |
wünscht die Linke sich Tempolimits. Autos will sie reduzieren, Neuwagen mit | |
Verbrennungsmotor sollen ab 2030 nicht mehr zugelassen werden. | |
Die Vergangenheit | |
Auf Bundesebene war die Linke noch nie an einer Regierung beteiligt. Die | |
Partei hat starke Verbindungen in die Klimagerechtigkeitsbewegung, aber | |
traditionell auch einen gewerkschaftsnahen Flügel, der vor | |
Arbeitsplatzverlusten und zu hohen Energiepreisen durch Klimaschutz warnt. | |
Das Fazit | |
Die Linke hat unter den fünf demokratischen Bundestagsparteien die | |
ambitioniertesten Klimaziele. Zudem hat die Partei etwa beim Ausbau der | |
erneuerbaren Energien klare Vorstellungen; in anderen Bereichen ist sie | |
weniger konkret. Was beispielsweise mit einem 2029 zugelassen Benziner nur | |
sechs Jahre später im Jahr der Klimaneutralität passiert, ist nicht klar. | |
Auch halten viele Energieökonom:innen steigende CO2-Preise für nötig. | |
## BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN | |
Ziel Klimaneutralität: 2041. | |
Zwischenschritte: 70 Prozent CO2-Reduktion gegenüber 1990 bis 2030. | |
Der Weg | |
[5][Die Grünen wollen den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen und das | |
Energiesystem bis 2035 komplett auf Erneuerbare umstellen]. Für Windräder | |
und Solaranlagen stehen schon im Wahlprogramm Zahlen eines jährlichen | |
Ausbaus. Auch einen CO2-Preis wollen die Grünen weiternutzen, gegenüber den | |
bisherigen Plänen soll er auch etwas schneller steigen. | |
Die Einnahmen wollen die Grünen gleichmäßig pro Kopf an die Bürger:innen | |
zurückgeben. Sie wollen den energieintensiven Wasserstoff nutzen, wo es | |
etwa in der Industrie nicht anders geht, aber nur aus erneuerbarer | |
Produktion. Autos sollen weniger werden, mit Verbrennungsmotor wollen die | |
Grünen sie nur noch bis 2030 neu zulassen. E-Autos wollen sie fördern. | |
Flüge verbieten wollen sie nicht, stattdessen aber das Zugfahren einfacher | |
machen. | |
Die Vergangenheit | |
Die Grünen haben ein klares klima- und energiepolitisches Profil, haben auf | |
Bundesebene beispielsweise das Erneuerbare-Energien-Gesetz und den | |
Atomausstieg in Gang gesetzt. | |
Das Fazit | |
Die Grünen wollen die Ziele des gültigen Klimaschutzgesetzes erhöhen. Sie | |
nennen in eigentlich allen Bereichen der Wirtschaft konkrete Schritte. Sie | |
sind die Einzigen, die von sich aus angeben, von welchem CO2-Budget sie | |
ausgehen – also welche Menge an Kohlendioxid Deutschland ihrer Meinung nach | |
noch ausstoßen darf. | |
## FDP | |
Ziel Klimaneutralität: 2050. | |
Der Weg | |
[6][Die Klimapolitik der FDP hat zwei Standbeine]: technologische | |
Entwicklung und CO2-Preise. Bei den Technologien geht es neben erneuerbaren | |
Kraftwerken, Stromspeichern und Wasserstoff – der für die FDP nicht | |
unbedingt mit Ökostrom hergestellt werden muss – um Geo-Engeneering und die | |
Speicherung von CO2. Beim CO2-Preis will die FDP die Zweigleisigkeit aus | |
nationalem und europäischem Emissionshandel beenden. Perspektivisch soll es | |
weltweit einen einheitlichen CO2-Preis in allen Wirtschaftsbereichen geben. | |
Auch die FDP will die Strompreise senken, um Menschen und Unternehmen die | |
CO2-Preise teils zu erstatten. | |
Die Vergangenheit | |
Auch wenn Hans-Dietrich Genscher in den Siebzigern das Umweltbundesamt | |
initiiert hat – Klimapolitik gehörte bisher nicht zu den Steckenpferden der | |
FDP. Während ihrer letzten Regierungsbeteiligung bis 2013 blockierte die | |
Partei, wo sie konnte, auch bei ihren heutigen Lieblingsthemen: der | |
Einführung von E-Autos, einer Reparatur des europäischen Emissionshandels, | |
der Energieeffizienz-Richtlinie der EU und der Förderung von Solaranlagen. | |
Sie förderte zudem die vielen Ausnahmen für die Industrie bei der | |
EEG-Umlage, was die Energiewende für die sonstigen Stromkund:innen | |
teurer machte. In diesem Wahlkampf sprach auch sie sich gegen hohe | |
Benzinpreise aus. Bei der FDP ist der Widerspruch zum Wahlprogramm | |
besonders groß, da sie fast nur mit CO2-Preisen arbeiten will. | |
Das Fazit | |
Die FDP hat die niedrigsten Klimaziele von allen fünf Parteien und will | |
Deutschland erst 2050 mit dem EU-Durchschnitt klimaneutral werden lassen. | |
Außerdem ist durch den Fokus auf den CO2-Preis mit den meisten sozialen | |
Verwerfungen zu rechnen. Denn so müsste die Nutzung fossiler Energie | |
mangels anderer Steuerungsmechanismen exorbitant teuer werden – wenn die | |
Ziele denn auch wirklich eingehalten werden sollen. Geo-Engineering und | |
Technologien zur Speicherung von CO2 gelten zudem als riskant und | |
unerprobt. Ob sie überhaupt sicher im großen Stil eingesetzt werden können, | |
ist noch unklar. | |
24 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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