# taz.de -- Wirtschaftsminister zum Klimaschutz: „Das Urteil gibt uns den Sch… | |
> Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) räumt ein, dass auch in seiner | |
> Partei beim Klimaschutz Fehler gemacht wurden. Nun will er nachbessern. | |
Bild: Nach dem Willen von Altmaier soll die Stahlindustrie klimaneutral werden … | |
taz: Herr Altmaier, Ihr Parteichef Armin Laschet hat am Montag als Reaktion | |
auf das [1][Klima-Urteil das Bundesverfassungsgerichts] verkündet, man | |
werde jetzt ein „Entfesselungspaket“ lostreten. Wer oder was hat Sie denn | |
in den letzten Jahren gefesselt? | |
Peter Altmaier: Es geht um die ökologische Transformation der gesamten | |
Wirtschaft und des ganzen Landes. Dabei sind Entbürokratisierung und | |
Planungsbeschleunigung unverzichtbar, denn wir haben nicht unendlich viel | |
Zeit. Und wir wollen auch keine De-Industrialisierung, bei der die | |
Produktion nur noch in Ländern stattfindet, die keine Klimapolitik haben. | |
Ich bin sicher, [2][Armin Laschet wird konkrete Vorschläge für das | |
Regierungsprogramm von CDU und CSU vorlegen]. Wir müssen jetzt die Chance | |
nutzen zu einem parteiübergreifenden Konsens und einen neuen | |
Generationenvertrag im Klimaschutz schließen. | |
Aber warum erst jetzt? Wer hat Sie gefesselt? | |
In der Klimapolitik wurden Fehler gemacht und zwar von allen Seiten. Viele | |
in der Union mussten lernen, dass Energiewende ohne Windräder nicht | |
funktioniert. Aber auch manche in der Umweltbewegung mussten lernen, dass | |
wir für Windräder nur genug Flächen bekommen, wenn wir den Naturschutz | |
praxistauglich anwenden. | |
Und bei vielen dieser Fragen hat es auch an der Unterstützung der SPD | |
gefehlt. Ein einheitliches Natur- und Artenschutzrecht, das den Kommunen | |
vor Ort Genehmigungen von Windrädern erleichtern würde oder auch | |
langfristige Finanzierungszusagen für die Transformation der Industrie | |
fehlen bis heute und da fehlt es an klaren Bekenntnissen von Seiten der | |
SPD. Inzwischen ist es aber Konsens, dass wir ehrgeizige Klimazielen | |
brauchen und bei ihrer Realisierung konkreter und besser werden müssen. | |
Hier hat das Urteil aus Karlsruhe sehr viel bewirkt. | |
SPD-Umweltministerin Svenja Schulze sieht die Schuld vor allem bei Ihnen. | |
2019 wäre ich bereit gewesen, bei der CO2-Bepreisung weiter zu gehen als | |
die SPD und Olaf Scholz. Bereits im letzten September habe ich 20 konkrete | |
Vorschläge für Klimaschutz vorgelegt. Dennoch habe ich Verständnis für | |
Svenja Schulze: Sie hat es in ihrer Partei vier Jahre lang sehr schwer | |
gehabt, denn die SPD hat lange andere Prioritäten gesetzt als den | |
Klimaschutz. | |
Wir müssen jetzt aber nach vorn schauen: Das Urteil gibt uns die Chance, | |
noch vor der Bundestagswahl wichtige und zentrale Fragen in einem | |
parteiübergreifenden Konsens zu klären. Das Klimaschutzgesetz von 2019 war | |
ein Fortschritt, aber es berücksichtigt noch nicht ausreichend die | |
Verpflichtungen, die sich aus dem Green Deal ergeben. Deshalb ist es | |
richtig, das jetzt anzupassen und nachzubessern. Das Urteil gibt der | |
Koalition den nötigen Schubs und die Kraft, sich zusammenzuraufen. Dafür | |
bin ich dem Verfassungsgericht sehr dankbar. | |
Ist es realistisch, dass das noch vor der Wahl über die Bühne geht? | |
Ja, auf jeden Fall. Das will ich. Und das ist machbar. Wir haben noch vier | |
Sitzungswochen, das reicht für ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren. | |
Einzelne Stimmen wollten zunächst die Umsetzung bis nach der Wahl schieben. | |
Armin Laschet und Markus Söder haben hier aber klar Führung gezeigt: Wir | |
müssen und werden das Urteil umsetzen, noch vor der Wahl. | |
Wollen Sie nur die Ziele für die Zeit nach 2030 festlegen, wie vom Gericht | |
gefordert, oder auch das 2030-Ziel selbst nochmal verschärfen? | |
Das Urteil fordert klare Ziele und Etappen für die Zeit nach 2030, also ein | |
Ziel für 2040, besser auch für 2035 und 2045. Aber zwischen den Zeilen hat | |
das Gericht auch Zweifel, ob unsere minus 55 Prozent bis 2030 | |
grundgesetzkonform sind. Ich halte es daher für richtig, auch das Ziel für | |
2030 anzupacken und auf mindestens 65 Prozent zu erhöhen. | |
Im Klimaschutzgesetz werden nur die Ziele festgelegt. Müssen Sie, um | |
glaubwürdig zu sein, nicht auch die Gesetze ändern, die die dafür | |
notwendige Maßnahmen festlegen – also beispielsweise das EEG, um den Ausbau | |
der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, das | |
Brennstoffemissionshandelsgesetz, um den CO2-Preis zu erhöhen, und das | |
Kohleausstiegsgesetz, um die Kohlenutzung früher zu beenden? | |
Wir müssen das Urteil umsetzen und sollten uns zunächst darauf | |
konzentrieren. Es wäre nicht klug, den Erfolg der Klimaschutzgesetznovelle | |
zu gefährden, indem man eine Vielzahl von Gesetzen aufschnürt und damit das | |
Wichtigste gefährdet. Aber es ist richtig, dass weitere Gesetzesänderungen | |
nötig sind. Bei der CO2-Bepreisung ebenso wie an anderer Stelle. Bei der | |
Kohle führt übrigens der steigende Preis im EU-Emissionszertifikatehandel | |
dazu, dass der fossile Anteil schon jetzt stark zurückgeht. | |
Was ist mit dem EEG? Packen Sie das noch einmal an? | |
Die Frage des schnelleren Ökostromausbaus ist von den Koalitionsfraktionen | |
trotz vieler Gespräche nur teilweise gelöst worden. Ich hätte nichts | |
dagegen, höhere Ausbaupfade für Wind- und Sonnenstrom festzulegen, wenn | |
gleichzeitig festgeschrieben wird, dass der Strom dadurch nicht weiter | |
verteuert wird. Die schrittweise Abschaffung der EEG-Umlage wäre möglich, | |
wenn man die Erneuerbaren aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert. | |
Beim CO2-Preis fürs Heizen gibt es ja gerade die Forderung, dass er nicht | |
allein von den Mietern bezahlt werden muss, sondern auch von den | |
Vermietern, die ja über die Heizung und die Dämmung des Hauses entscheiden. | |
Eine solche Regelung wird aus Ihrem Haus derzeit verhindert, heißt es. | |
Das ist falsch. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass die Lasten aus | |
der CO2-Bepreisung sich daran orientieren, welchen Teil der Verantwortung | |
jede Seite für die Energieeffizienz hat. Es macht einen Unterschied, ob ein | |
Vermieter die Wohnung energetisch saniert und mit einer umweltfreundlichen | |
Heizung ausgestattet hat – denn dann hängt der Verbrauch vor allem vom | |
Heizverhalten des Mieters ab. | |
Umgekehrt kann es nicht sein, dass der Mieter allein die Zeche davon zahlen | |
muss, wenn der Vermieter jede energetische Sanierung verweigert. Darum | |
halte ich es nicht für sinnvoll, die Kosten immer halbe-halbe zwischen | |
Mieter und Vermieter zu teilen, wie die SPD es fordert. Halbe-halbe klingt | |
zwar nett, belastet aber in Einzelfall gerade auch die Taschen der Mieter. | |
Deshalb strebe ich eine Lösung an, die den energetischen Zustand des | |
Gebäudes berücksichtigt. | |
Vieles von dem, was jetzt passieren soll, hat Ihre Partei bekämpft. Gerade | |
in der Fraktion vermittelten viele den Eindruck das Klimaschutzgesetz sei | |
nahe an Ökodiktatur und Planwirtschaft. Jetzt hat das Verfassungsgericht | |
herausgestellt, dass es die Voraussetzung für Freiheit ist, nämlich für die | |
Freiheit künftiger Generationen. Muss die Union ihre Definition von | |
Freiheit überdenken? | |
Das mögen Stimmen in der Union gewesen sein, aber es war nicht die Union | |
als solche. Für die Bundeskanzlerin, für mich selbst und viele der Fraktion | |
nehme ich in Anspruch, dass wir uns stark für Klimafragen eingesetzt haben. | |
Aber in einer Volkspartei gibt es nun einmal unterschiedliche Auffassungen | |
– wie in der Gesellschaft insgesamt und das macht Demokratie auch aus. | |
Trotzdem haben wir es nach einem harten Ringen geschafft, uns in der großen | |
Koalition auf das Klimaschutzgesetz und die CO2-Bepreisung zu verständigen. | |
Und wenn das Urteil uns geholfen hat, auch in der Union den Blick für das | |
Nötige noch weiter zu schärfen, hat es hier einen guten Zweck erfüllt. | |
4 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Bernhard Pötter | |
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