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# taz.de -- Umweltschutz und Demokratie: Inklusiv und wehrhaft
> Warum Umweltschutz und Demokratie untrennbar zueinander gehören. Und wie
> sich Umweltverbände gegen rechte Versuche der Unterwanderung wehren.
Bild: Protest in Bayern im April 2021 für die Agrarwende, zu der mehrere Verb�…
Am 8. Mai 1945 wurden Deutschland und Europa vom nationalsozialistischen
Unrechtsregime befreit. Die Folgen des von Deutschland angefangenen Krieges
und der systematischen Vernichtung des europäischen Judentums wirken bis
heute nach. Sie verpflichten uns auf ein „Nie wieder“. Umso beschämender
sind die Mordserie des NSU, Gewalttaten wie in Halle und Hanau, zunehmende
antisemitische und rechtsextreme Hetze und Alltagsrassismus. Am Tag der
Befreiung stellt sich die Frage: Wer oder was befreit uns heute von
rechtsextremen und antisemitischen Attacken?
Die Umweltpolitik stand bisher nicht im Fokus, wenn über
demokratiefeindliche Bestrebungen diskutiert wird. Doch auch hier wird
unsere offene Gesellschaft angefeindet, wird versucht, Umwelt- und
Naturschutzbelange für rassistische und fremdenfeindliche Zwecke zu
missbrauchen. Wenn es um neue [1][Windkraftanlagen] geht, um
Massentierhaltungsbetriebe oder den Bau einer Fabrik für Elektroautos,
mischen sich unter die Gegner immer wieder Menschen, denen es im Kern nicht
um Naturschutz geht, sondern um die Diffamierung demokratischer
Institutionen und Entscheidungen.
Mit der Idealisierung der Heimat, des deutschen Waldes und der
traditionellen bäuerlichen Landwirtschaft wird versucht, das vielfältige
Leben in Städten und Ballungsräumen abzuwerten. So fordert die
rechtsextreme Partei „[2][Der Dritte Weg]“ „eine ökologisch verträgliche
Landwirtschaft“, eine „[3][Reduzierung des Fleischverzehrs]“ sowie die
„Erforschung, Weiterentwicklung und Förderung alternativer Energien“ und
solidarisierte sich mit den Aktivist*innen im Hambacher Forst.
Das sind Beispiele aus der heutigen Zeit. Die Geschichte des Missbrauchs
von Umwelt- und Naturschutz ist allerdings viel älter. Die
Nationalsozialisten behaupteten mit ihrer Blut-und-Boden-Ideologie, es gäbe
eine „Einheit von Rasse und Raum“ – eine von vielen Ausgrenzungsstrategie…
Der damalige Vogelschutzbund begrüßte die Machtergreifung der Nazis in der
Erwartung von mehr Aufmerksamkeit für den Naturschutz. Hitler und Göring
zeigten sich als überzeugte Vogelschützer und ließen Nistkästen am
Obersalzberg und in der Schorfheide aufhängen.
Diese Beispiele zeigen, wie Natur- und Umweltengagement ideologisch
aufgeladen und politisch missbraucht werden kann. Auch im Sprachgebrauch,
was die Abgrenzung manchmal schwierig macht. Ein Beispiel: Die Verbreitung
nichtheimischer Arten in Folge der Klimakrise ist eine der wichtigsten
Ursachen des weltweiten Artensterbens. Hier wird naturschutzfachlich von
biologischer Invasion, gebietsfremden oder invasiven Arten gesprochen.
Diese Begriffe werden von Rechtsextremen gerne aufgegriffen und für krude,
fremdenfeindliche Argumentationen missbraucht.
## Kein Platz für Ausgrenzung
Doch gibt es weder menschliche Rassen, noch lassen sich
naturschutzfachliche Argumente auf die Gesellschaft übertragen. Die
Umweltbewegung trägt eine besondere Verantwortung dafür, dass ihre
Argumente nicht für gesellschaftliche Ausgrenzung missbraucht werden.
Stattdessen sind Ideen gefragt, die möglichst allen Menschen die Teilhabe
an unseren natürlichen Schätzen ermöglichen.
Natur- und Umweltschutz sind zutiefst demokratisch und inklusiv, denn sie
dienen dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für alle Menschen. Sie
sind auf offene Kritik, Transparenz und breite Beteiligung angewiesen. Es
war die Demokratie, die soziale und ökologische Bewegungen überhaupt erst
möglich gemacht hat. Unsere Demokratie garantiert Meinungsfreiheit, auch
für Leugner*innen der Klimakrise, die sich auf keinerlei
wissenschaftliche Erkenntnisse berufen können. Wenn diese jedoch unter dem
Deckmantel des Naturschutzes gegen erneuerbare Energien oder Elektroautos
kämpfen und für Atomkraft, Kohle, Öl und Gas, dann ist das schlicht
unredlich.
Die Umweltbewegung stellt sich dem entgegen. Die Verbände vernetzen sich,
um Unterwanderungsstrategien zu durchkreuzen. Etwa mithilfe der Fachstelle
Radikalisierungsprävention im Naturschutz, die Schulklassen und lokale
Naturschutzgruppen für den Umgang mit Rechtspopulisten sensibilisiert.
Organisationen, deren Akteure im Dritten Reich eine unrühmliche Rolle
spielten, wie der Nabu, der Alpenverein oder auch der DNR, haben ihre
Vergangenheit intensiv aufgearbeitet und stehen gemeinsam für ein „Nie
wieder“!
Alle großen Organisationen im Natur-, Tier, und Umweltschutz haben
mittlerweile Unvereinbarkeitsbeschlüsse gefasst, die zeigen: Hier ist kein
Platz für Ausgrenzung, Hass und Intoleranz. Auch die
Umweltminister*innen des Bundes und der Länder haben im November 2020
ein Aktionsprogramm Naturschutz gegen Rechtsextremismus beschlossen. Es
soll, unter anderem mit Bildungsangeboten, die Vereinnahmung von
Erinnerungsorten verhindern, wie zum Beispiel den ehemaligen Westwall.
Die Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt wollen wir auch innerhalb unserer
Organisationen besser abbilden. Dafür müssen Zugangshürden abgebaut und die
Mitgliedschaft und Mitarbeit für Menschen unterschiedlicher Herkunft und
Hintergründe attraktiver werden. Im Umweltschutz ist schon deshalb kein
Platz für Abschottung, weil er auf europäische und internationale Partner
angewiesen ist. Das mag manchmal mühsam sein, lohnt sich aber.
Am Tag der Befreiung stellen wir fest: Wir müssen uns selbst frei halten
von rechtsextremen Aktivitäten in den Parlamenten, in der Öffentlichkeit,
in den Verbänden. In Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, im eigenen
Umfeld können wir Vielfalt ermöglichen und müssen sie auch aushalten.
Inklusion ist die Grundlage für eine gerechte und nachhaltige Gesellschaft.
Im Umweltschutz wird das auf allen Ebenen verstanden und praktiziert. So
wie die Demokratie einen starken Umweltschutz braucht, braucht der
Umweltschutz eine starke Demokratie.
7 May 2021
## LINKS
[1] /Zwischen-Windenergie-und-Artenschutz/!5765439
[2] /Terrorprozess-in-Muenchen/!5769157
[3] /Fleischfabrik-will-im-Schutzgebiet-bauen/!5765458
## AUTOREN
Svenja Schulze
Kai Niebert
Svenja Schulze und Kai Niebert
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