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# taz.de -- Kanzlerkandidatin der Grünen: Und nun?
> Die Grünen landen am Wahlabend recht unsanft in der Realität. Es wäre
> aber unterkomplex, Annalena Baerbock die Verantwortung allein zuschieben.
Bild: Deutlich hinter Scholz: Annalena Baerbock am Sonntag vor ihrem Wahllokal …
Berlin taz | Als [1][Annalena Baerbock Mitte April in der Malzfabrik],
einem Industriedenkmal in Berlin-Schöneberg, die Bühne betrat, schien alles
möglich. „Ich möchte heute hier mit meiner Kandidatur ein Angebot machen
für die gesamte Gesellschaft“, sagte die frisch gekürte Kanzlerkandidatin
der Grünen. Ein kurzer Hype begann. Baerbock lächelte von den Covern der
Magazine, der Stern titelte zu ihrem Foto: „Endlich anders“. Die Grünen
schossen in den Umfragen nach oben, überholten sogar die Union. Eine grüne
Kanzlerin schien denkbar.
Verglichen mit diesen paar Traumwochen sind die Grünen am Wahlabend recht
unsanft in der Realität gelandet. [2][Rund 15 Prozent der Stimmen] sind im
Vergleich zum 8,9-Prozent-Ergebnis von 2017 zwar ein deutlicher Zugewinn.
Aber damals war die Lage ganz anders: Die Klimakrise schien ferner als
heute, es gab noch keine Flutkatastrophe mitten im Wahlkampf und auch noch
keine globale [3][Jugendbewegung Fridays for Future], die engagierten
Klimaschutz einfordert. Auch hatten die Grünen damals nicht drei
erfolgreiche Jahre hinter sich, in denen sie in Umfragen stabil bei 20
Prozent lagen.
Der Verweis auf 2017 taugt deshalb nicht wirklich, höchstens als
Entschuldigung. Gemessen an dem, was möglich war, an dem, was die Partei
als eigenen Anspruch ausgegeben hatte – das Land zu führen – und gemessen
daran, was durch die Klimakrise auf dem Spiel steht, ist das Ergebnis
mittelmäßig. Ein Grund für das Abschneiden unter den Erwartungen war
sicher, dass viele Menschen Baerbock das Kanzleramt am Ende nicht
zutrauten. Die Kandidatin schnitt bei der Kanzler-Frage deutlich schlechter
ab als Olaf Scholz, ihre Fehler bei Nebeneinkünften, Lebenslauf und Buch
trugen dazu bei.
Aber es wäre unterkomplex, Baerbock die Verantwortung für das Ergebnis
allein zuzuschieben. Die Grünen als Ganzes wirkten in dem Wahlkampf, der
von der Konkurrenz und manchen Medien brutal gegen sie geführt wurde,
manchmal überfordert, manchmal argumentierten sie mit Spiegelstrichen aus
der Trotzecke heraus, fielen also in eine Haltung zurück, die sie
eigentlich ablegen wollten. Ein Beispiel war die Woche im Juni, in der sie
die Veröffentlichung der ersten Plagiate in Baerbocks Buch mit
„Rufmord!“-Gebrüll konterten – was [4][kurz darauf nur noch lächerlich
wirkte].
## Baerbock und Robert Habeck wollen mitregieren
Und nun? Ziehen die Grünen das durch, was sie sich vorgenommen haben.
Baerbock und ihr Co-Chef Robert Habeck wollen unbedingt mitregieren. Es ist
wahrscheinlich, dass das gelingt. Die Grünen sind bei mehreren
Bündnisoptionen im Spiel. Ihr oberstes Ziel bei Verhandlungen ist die
Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles von Paris. Die Grünen werden keinen
Koalitionsvertrag unterschreiben können, durch den das nicht glaubhaft
möglich erscheint – egal, ob in einer Jamaika- oder Ampelkoalition.
Falls nicht doch noch Rot-Grün-Rot zu einer realistischen Option wird,
müssen sich die Grünen dafür mit der FDP arrangieren. Entscheidend wird
sein, dass sie Schnittmengen suchen und finden. Die Voraussetzungen dafür
sind gut. Grünen-Chef Robert Habeck organisierte 2017 erfolgreich eine
Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein. Und in der Opposition ist das
Vertrauen zwischen beiden Parteien gewachsen, auch, weil man bei Themen wie
der Wahlrechtsreform erfolgreich zusammenarbeitete. Baerbock, die Kanzlerin
werden wollte, hat gute Chancen, Ministerin zu werden.
26 Sep 2021
## LINKS
[1] /Baerbock-wird-Kanzlerkandidatin/!5762149
[2] /Die-Bundestagswahl-in-Grafiken/!5793365
[3] /Klimastreik-in-Berlin/!5801100
[4] /Plagiatsvorwuerfe-gegen-Baerbock/!5780337
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Annalena Baerbock
IG
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Robert Habeck
Bündnis 90/Die Grünen
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