# taz.de -- Klimalisten-Politikerin über die Wahl: „Aktivismus reicht nicht�… | |
> Die Klimaliste will in den Bundestag. Stiehlt sie so nicht den Grünen | |
> wertvolle Stimmen? Kathrin Lehmann sieht ihre Partei als notwendiges | |
> Korrektiv. | |
Bild: „Die Grünen können nicht die am meisten klimaschutzpolitische Partei … | |
taz: Frau Lehmann, ihre Partei, die Klimaliste, wurde von | |
Aktivist:innen gegründet. Wie kam es dazu? | |
Kathrin Lehmann: Es gibt die Initiative [1][Klimaneustart], die es | |
geschafft hat, mit einer Volksinitiative den Klimanotstand in Berlin | |
ausrufen zu lassen. Das war ein Meilenstein. Aber es ist bei diesem | |
symbolischen Ausrufen geblieben, keine notwendige Maßnahme wurde | |
beschlossen, die der Notstandsaussage entsprochen hat. | |
Parallel dazu kam das Kohleausstiegsgesetz letztes Jahr. Das hat weite | |
Kreise von Aktivist:innen – mich auch – dazu gebracht, zu denken, dass | |
selbst der Aktivismus nicht ausreicht, wenn die Forderungen nicht in | |
entsprechende Politik umgesetzt werden. | |
Aktivismus reicht nicht? | |
Vorletztes Jahr waren Eineinviertel Millionen Menschen auf den Straßen, um | |
für mehr Klimaschutz zu demonstrieren, was nicht gespiegelt wurde in der | |
Politik. Die Klimaliste hat sich gegründet, um zu sagen: Wir werden das | |
leisten: Wir werden die Stimme der Bewegung. Alle Bewegungen, die sich der | |
Klimagerechtigkeit verschreiben, holen wir ins Parlament. [2][Es ist ein | |
sehr bunter Haufen von Menschen, die mit klassischer Politik gar nicht so | |
viel am Hut haben]. | |
Was ist ihre Kernforderung für den Bund? | |
Eine Kernforderung auf Bundesebene zum Thema Klimaschutz ist, ein | |
sofortiger Stopp von allen klimafeindlichen Infrastrukturprojekten. Da muss | |
auf jeden Fall ein Moratorium her, bevor entschieden werden kann, welche | |
Projekte weiter verfolgt werden können. | |
Wie sähe so ein Moratorium aus? | |
Beispielsweise über die Forderung eines Klimavorbehalts, der ja gesetzlich | |
verankert werden kann. Dann würde jedes Projekt, das auf einer gesetzlichen | |
Grundlage basiert, automatisch überprüft. Dann würde Konkretes wie ein | |
Autobahnausbau oder -neubau, aber auch Abholzung von Wäldern sofort | |
gestoppt werden müssen. | |
## Sie haben aber auch noch andere klimapolitische Forderungen, oder? | |
In ehrenamtlicher Arbeit haben wir zusammen mit Wissenschaftler:innen | |
dezidierte Maßnahmen erarbeitet für alle relevanten Sektoren wie Verkehr, | |
Mobilität, Landwirtschaft, Ernährung, Energie und Gebäude. Maßnahmen dafür, | |
wie diese Sektoren transformiert werden müssen. Mit diesem Klimaplan treten | |
wir [3][in Berlin] an. | |
## Auch die anderen Parteien haben inzwischen Klimaschutz als Ziel in den | |
Programm stehen. Was ist das besondere an Ihrem Plan? | |
Keine andere Partei hat einen Plan, wie die 1,5 Grad-Grenze eingehalten | |
wird. Der ist das Alleinstellungsmerkmal, der aufzeigt, dass wir die | |
Dringlichkeit der Klimakrise wirklich verstanden haben und ein Konzept | |
haben, mit dem wir tatsächlich etwas tun können. | |
Dieser Klimaplan ist allen Parteien offen zugänglich, die dürfen gerne jede | |
Maßnahme übernehmen, wir würden uns freuen. Es geht uns nicht darum, dass | |
wir gewinnen wollen, sondern darum, dass die Klimakrise noch weitgehend | |
eingedämmt werden kann. | |
Wo können die anderen Parteien den Plan finden, wenn sie abschreiben | |
wollen? | |
[4][Der Klimaplan ist auf der Webseite öffentlich zugänglich] und es wird | |
explizit dafür geworben, Feedback zu schicken. Es ist ein lebendiges | |
Dokument und wir laden alle ein daran mitzuarbeiten – gerade auch die | |
Parteien. Wenn diese ihre Lippenbekenntnisse ernst meinen – die | |
1,5-Grad-Grenze einhalten zu wollen -, dann würden sie viele unserer | |
vorgeschlagenen Maßnahmen übernehmen – dies ist aber nicht passiert. Die | |
Programme der anderen Parteien sind ganz klar und auf wissenschaftlicher | |
Ebene ungenügend, um die genannte Grenze einzuhalten. | |
Viele, die für Klimaschutz sind, haben die Befürchtung, dass die Klimaliste | |
den Grünen wichtige Stimmen wegnimmt… | |
Stimmen für Klimaschutz sind nicht durch eine Partei gepachtet. Wir sind | |
das Korrektiv für alle Parteien. Auf Bundesebene gibt es nur 21 Bewerbungen | |
der Klimaliste für Direktmandate. Niemand kann uns vorwerfen, dass wir mit | |
den Erststimmen jemandem etwas wegnehmen. | |
Rechnen Sie sich denn Chancen auf die Direktmandate aus? | |
Gerade in Baden-Württemberg hat die Klimaliste schon ein gutes Standing | |
aufgebaut durch die Landtagswahlen, die wir dort bestritten haben. Dort | |
wurden knapp ein Prozent erreicht und damit ja schon einige Aufmerksamkeit | |
gewonnen. Ich denke, gerade die Direktkandidat:innen in | |
Baden-Württemberg haben eine Chance. | |
Baden-Württemberg ist ja auch ein symptomatisches Beispiel: mit Winfried | |
Kretschmann und den Grünen, die jetzt in Baden-Württemberg so lange an der | |
Regierung sind. Grünen-Politik hat mitnichten das Patent auf Klimapolitik. | |
Dort tut sie eher das Gegenteil mit der Unterstützung der Autolobby. | |
Die Grünen verlieren Stimmen, weil sie Realpolitik statt echtem Klimaschutz | |
betreiben? | |
Die Klimakrise ist eine so große Aufgabe, dass sie nicht das Thema einer | |
einzigen Partei sein kann. Die Grünen können nicht die | |
klimaschutzpolitischste Partei sein. Es muss noch weitergehen. Das wäre die | |
Klimaliste. | |
Ein-Themen-Parteien haben es traditionell schwer in Deutschland. Was ist | |
denn zum Beispiel mit der Sozialpolitik? | |
Ich würde diesen Ausdruck der Ein-Themen-Partei nochmal aufrollen: | |
Natürlich haben wir uns gegründet, mit einer Vorstellung, mit einer | |
Prämisse, mit einem Oberziel. Wir sagen aber gleichzeitig, dass gerade | |
Sozialpolitik und alle Bereiche unseres Lebens auf der Welt früher oder | |
später abhängig davon sein werden, inwiefern wir es schaffen, die | |
Klima-Erwärmung zu begrenzen. Dieses eine Oberthema spielt in alle Bereiche | |
hinein – in manche weniger, in manche mehr. Es geht uns um die | |
ganzheitliche systemische Transformation, die betrifft natürlich auch | |
Sozialpolitik. | |
Inwiefern? | |
Eine Mammutaufgabe, die bisher versäumt wurde, ist die energetische | |
Gebäudesanierung, die es braucht, um entscheidend Emissionen einsparen zu | |
können. Wir sind ganz stark dafür: Die energetische Gebäudesanierung muss | |
in jedem Gebäude in den nächsten Jahren passieren. Das ist oft mit | |
Mieterhöhungen verbunden, wenn entweder wirklich oder vermeintlich | |
irgendwelche Sanierungen stattfinden. | |
Wie verhindert Sie, dass die Mieten teurer werden? | |
Die Folgekosten dürfen natürlich nicht auf die Menschen abgelagert werden. | |
Das ist ein Beispiel für den Klimabezug in der Sozialpolitik. Wir | |
unterstützen auch die Initiative hinter dem Volksentscheid Deutsche Wohnen | |
und Co. enteignen. | |
In ganz Berlin sieht man viele Plakate der Klimaliste auf denen steht | |
„Natur statt Banken retten“ oder „How dare you“ und andere aktivistische | |
Sprüche… | |
Genau, die haben wir in einer Wochenend-Aktion im Sommer selber gemacht mit | |
Parteimitgliedern, Freund:innen, Bekannten und Menschen, die wir bei Social | |
Media dazu aufgerufen haben. Es war eine wunderschöne Aktion. Ich denke, es | |
ist das, was wir als Aktivist:innen am besten können. | |
Insofern war das unsere Kernkompetenz und eine super spaßige Sache. Die | |
Plakate haben wir aus recyceltem Material gefertigt. Alte „Deutsche Wohnen | |
und Co. enteignen“-Plakate haben wir auch bekommen dafür. Wir haben uns | |
über Politik unterhalten und die Sprüche gleichzeitig draufgemalt. | |
25 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://klimaneustart.berlin/ | |
[2] /Klimaaktivistinnen-in-Berlin/!5695576 | |
[3] /Klimaliste-Berlin-legt-Wahlprogramm-vor/!5770549 | |
[4] https://www.klimaliste-berlin.de/media/pages/klimaplan/6db68c3a57-162037640… | |
## AUTOREN | |
Nicole Opitz | |
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